Morbus Meulengracht ist eine häufig vorkommende, angeborene und harmlose Stoffwechselerkrankung der Leber. Die Erkrankung wird auch als Gilbert-Syndrom, Morbus Gilbert-Meulengracht oder Meulengracht-Syndrom bezeichnet. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Zwischen 9 und 17 Prozent der weißen Bevölkerung weisen eine Veranlagung zum Meulengracht-Syndrom auf.
Symptome zeigen sich am häufigsten zwischen dem 15. und 40. Lebensjahr. Durch einen Enzymdefekt bedingt wird der Gallenfarbstoff Bilirubin verlangsamt abgebaut. Dadurch steigen die Bilirubinwerte im Blut an. Es kann zu Beschwerden wie einer Gelbfärbung der Augen, Müdigkeit und Kopfschmerzen kommen. Morbus Meulengracht führt nicht zu einer Schädigung der Leber oder anderer Organe. Deshalb wird er nicht zu den Krankheiten im engeren Sinne gezählt. Eine spezielle Behandlung ist nicht nötig und auch nicht verfügbar. Durch eine gesunde Lebensweise kann Schüben vorgebeugt werden.
Beim Meulengracht-Syndrom wird ein genetischer Defekt vererbt, der dazu führt, dass ein Enzym nicht richtig funktioniert. Dadurch kann der Gallenfarbstoff Bilirubin nur verlangsamt abgebaut und aus dem Körper ausgeschieden werden. Als Folge kann es zu schubweise auftretenden Gelbfärbungen der Augen oder der Haut, zu Müdigkeit und Kopfweh kommen.
Verschiedene Risikofaktoren können zur Auslösung eines Schubs beitragen, weil sie den Anteil an Bilirubin im Blut erhöhen. Hierzu zählen:
Morbus Meulengracht kann unterschiedliche Symptome verursachen. Viele Betroffene haben keine Beschwerden. Die folgenden Symptome können auftreten:
Bei Betroffenen lässt sich ein erhöhter Bilirubinspiegel im Blut feststellen Dabei hängt das Ausmaß der Beschwerden nicht mit der Höhe des Bilirubinwertes zusammen. Bei manchen Betroffenen treten Symptome nur auf, wenn mehrere Faktoren zusammenkommen. Dann wird beispielsweise durch sportliche Aktivität oder Alkoholgenuss bei ohnehin schon erhöhten Werten ein Schub ausgelöst.
Bei Morbus Meulengracht kommt es im Unterschied zu vielen anderen Lebererkrankungen nicht zu Juckreiz als Symptom.
Bei Betroffenen können bestimmte Medikamente nicht so schnell abgebaut werden wie bei Menschen ohne Meulengracht-Syndrom. Die Wirkstoffe verbleiben länger im Körper. Die Wirkung kann dadurch verstärkt sein. Außerdem sind vermehrt Nebenwirkungen möglich. Zu den betreffenden Medikamenten zählen:
Die Gelbfärbung des Augenweißes oder der Haut ist ein erstes Anzeichen für ein Meulengracht-Syndrom. Eine sichere Diagnose eines Morbus Meulengracht kann mit Hilfe eines Gentests gestellt werden. Dies ist normalerweise nicht nötig. Eine Labordiagnostik (Blutentnahme, Urinprobe) reicht in der Regel aus.
Treten einzig erhöhte Bilirubinwerte im Blut auf ohne Veränderungen bei anderen Laborwerten, ist dies ein Hinweis auf ein Meulengracht-Syndrom. Jedoch können auch andere Störungen zu einem Anstieg des Bilirubins im Blut führen, wie beispielsweise Erkrankungen, die mit einem vermehrten Abbau roter Blutkörperchen (sogenannte Hämolyse) verbunden sind. Sobald noch weitere Laborwerte auffällig sind oder untypische Beschwerden vorliegen, ist dies ein Hinweis auf Erkrankungen wie eine Virushepatitis (Leberentzündung), eine Fettleber oder eine Leberzirrhose.
Die früher durchgeführten Fastentests oder Nikotinsäuretests sind heute nicht mehr üblich, um die Diagnose zu bestätigen.
Erkrankungen, die ebenfalls zu einem Anstieg des Bilirubinwertes führen können, sollten sorgfältig ausgeschlossen werden. Hierzu zählen andere Lebererkrankungen wie Virushepatitis, Fettleber oder Leberzirrhose. Auch Erkrankungen, bei denen es zu einem vermehrten Abbau der roten Blutkörperchen kommt, führen zu erhöhten Werten des Bilirubins. Der Neugeborenen-Ikterus (Neugeborenengelbsucht), ein Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel, die Thalassämie und die Sphärozytose sind hier mögliche Erkrankungen. Ferner führen die seltenen angeborenen Störungen Crigler-Najjar-Syndrom und Dubin-Johnson-Syndrom zu hohen Bilirubinwerten.
Morbus Meulengracht ist nicht gefährlich und verursacht häufig keine oder lediglich milde Symptome. Eine spezifische Therapie existiert nicht und wäre auch nicht notwendig. Die Einnahme von Schmerzmitteln bei Begleitsymptomen wie Kopfschmerzen oder Migräne ist möglich. Das gilt trotz des möglicherweise verzögerten Abbaus dieser Medikamente im Körper. Beschwerden im Magen-Darm-Bereich können oft schon mit dem Auflegen von Wärme (Körnerkissen oder Wärmflasche) oder mit Hilfe von Tees (Pfefferminz, Kamille oder Fenchel) gelindert werden.
Zur Vermeidung oder Linderung von Schüben ist es vor allem wichtig, die Risikofaktoren zu reduzieren und eine gesunde Lebensführung einzuhalten. Dadurch kann der Bilirubingehalt im Blut gesenkt werden. Eine gesunde Ernährung mit einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr ist ein wichtiger Bestandteil. Fastenkuren oder eine stark fettarme Ernährung wirken sich hingegen ungünstig auf das Meulengracht-Syndrom aus. Außerdem sollten Alkohol und Nikotin gemieden werden. Stressreduktion ist durch Entspannungsverfahren wie autogenes Training, Yoga oder Meditation möglich. Ausreichend Schlaf und Bewegung an der frischen Luft tragen zur allgemeinen Gesundheit bei.
Ob das Meulengracht-Syndrom vermehrt mit einem Vitamin-D-Mangel einhergeht, ist nicht abschließend geklärt. Bei nachgewiesenem Mangel ist eine Ergänzung sinnvoll.
Zu beachten ist, dass einige Medikamente von Betroffenen schlechter vertragen werden. Paracetamol sollte beim Meulengracht-Syndrom niedriger dosiert und nur kurzzeitig eingenommen werden. In einem Informationsartikel der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft wird dennoch davon ausgegangen, dass die betreffenden Medikamente in der normalerweise empfohlenen Dosierung eingenommen werden können. Für folgende zwei Medikamente sollte jedoch ein Einsatz bei Menschen mit Morbus Meulengracht sorgsam abgewogen werden, weil für sie nachgewiesen ist, dass sie langsamer abgebaut werden und eine Gelbsucht fördern können:
In diesen beiden Fällen kann es sinnvoll sein, die Diagnose Morbus Meulengracht vor dem Behandlungsbeginn mit Hilfe eines Gentests zu bestätigen. Falls sich unter der Therapie mit weiteren Medikamenten die Symptome verschlechtern, sollte dies dem Arzt mitgeteilt werden. Hier können ebenfalls spezielle Untersuchungen erforderlich sein.
Da Morbus Meulengracht durch eine genetische Veränderung ausgelöst wird, ist eine Prävention der Erkrankung nicht möglich. Vorgebeugt werden kann dem Auftreten von Schüben. Hierzu sollten auslösende Faktoren reduziert und idealerweise ganz gemieden werden. Empfohlene Maßnahmen sind:
Morbus Meulengracht ist nicht heilbar, da das Syndrom genetisch bedingt ist. Es handelt sich aber um eine harmlose Erkrankung, die nicht zu Leberschäden oder anderen Organschäden führt. Die Prognose ist daher gut. Erste Anzeichen wie eine Gelbfärbung der Augen treten oft in der Pubertät erstmals auf. Die mit dieser Zeit verbundenen hormonellen Veränderungen sind häufig der Auslöser hierfür. Mit zunehmendem Alter werden die Schübe meist seltener oder treten gar nicht mehr auf. Außerdem bilden sich die Schübe in der Regel zurück, wenn die auslösende Ursache wie ein Infekt, Stress, Flüssigkeitsmangel oder Ähnliches behoben wird.
Die Lebenserwartung wird durch das Meulengracht-Syndrom nicht negativ beeinflusst. Im Gegenteil – es gibt Forschungsergebnisse, die darauf hindeuten, dass Menschen mit dem Meulengracht-Syndrom seltener an Arterienverkalkung (Arteriosklerose) erkranken und damit auch besser gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen geschützt sind. Sogar das Risiko für verschiedene Krebserkrankungen (Gebärmutterkrebs oder Non-Hodgkin-Lymphome) scheint reduziert zu sein. Bei dauerhaft erheblich erhöhten Bilirubinwerten steigt allerdings das Risiko für Bilirubin-Gallensteine.
Swiss HePa (Schweizer Leberpatienten Verein) – Morbus Meulengracht (auch Gilbert-Syndrom): https://www.swisshepa.org/lebererkrankungen/morbus-meulengracht/ (online, letzter Abruf: 03.04.2023)
Deutsche Leberhilfe e.V. – Meulengracht: https://www.leberhilfe.org/lebererkrankungen/meulengracht/ (online, letzter Abruf: 03.04.2023)
Deutsche Leberhilfe e.V. – Das Meulengracht-Syndrom: https://www.leberhilfe.org/wp-content/uploads/2020/03/Meulengracht-2020web.pdf (online, letzter Abruf: 03.04.2023)
National Library of Medicine, Viveksandeep Thoguluva Chandrasekar; Thomas W. Faust; Savio John – Gilbert Syndrome: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK470200/ (online, letzter Abruf: 03.04.2023)
aktualisiert am 03.04.2023