Morbus Menière bezeichnet eine seltene Erkrankung des Innenohrs, die bei vielen Betroffenen ganz plötzlich eintritt. Dieses Krankheitsbild wirkt sich nicht nur auf das Hörvermögen der Betroffenen negativ aus. Auch die Drehschwindel-Attacken werden als überaus unangenehm empfunden. Wenngleich es bisher keine Heilung für Morbus Menière gibt, lassen sich Mittel und Wege finden, wie die Patienten besser mit ihrer Krankheit umgehen können.
So plötzlich wie die Krankheit auftritt, so rätselhaft sind ihre Ursachen. Bisher weiß die Welt der Wissenschaft nicht, was genau zu einer Erkrankung an Morbus Menière führt. Dies ist für die Betroffenen eine besondere Schwierigkeit, da somit keine wirksame Ursachenbekämpfung möglich ist. Allerdings ist es nicht so, dass man gar keine Zusammenhänge über die Ursachen von Morbus Menière weiß. Vielmehr ist das unmittelbare Krankheitsgeschehen bekannt, während deren Gründe zur Entstehung bisher nicht geklärt sind.
Offenbar werden die Symptome von Morbus Ménière durch eine Ansammlung von zu viel Flüssigkeit im Innenohr ausgelöst. Diese Flüssigkeitsansammlung wird als Endolymphstau bezeichnet, da die im Innenohr befindliche Flüssigkeit den Namen „Endolymphe“ trägt. Die Kanäle und Kammern des Innenohrs, in denen sich die Endolymphe befindet, geraten durch das große Flüssigkeitsvolumen unter erhöhten Druck und werden gedehnt. Da diese Kammern sowie Kanäle das Gleichgewichtsorgan sowie die Hörschnecke mit einbeziehen, ist es somit leicht nachzuvollziehen, wie es zu negativen Auswirkungen auf diese beiden Systeme kommen kann. Beide Organe sind bei Morbus Menière dementsprechend von einer Störung betroffen. Hierbei können die Auswirkungen auf die eine im Vergleich zu der anderen Organfunktion unterschiedlich ausfallen.
Die Ursachen für diesen Endolymphstau, der die Symptomatik von Morbus Menière nach sich ziehen kann, werden weiter untersucht. Denn nicht jeder Flüssigkeitsstau dieser Art löst zwangsläufig eine Erkrankung an Morbus Menière aus. Darüber hinaus gibt es Familien, in denen Morbus Menière gehäuft auftritt. Wenngleich ein Endolymphstau nicht zwingend mit Morbus Menière einhergeht, kommt Morbus Menière umgekehrt nicht ohne solch einen Flüssigkeitsstau zustande. Warum die Menge an Endolymphe im Bereich der Hörschnecke deutlich zunimmt, ist nicht abschließend geklärt. Ob der Körper zu viel Lymphe produziert oder die Lymphe bei Morbus Menière nicht mehr korrekt (zu wenig) abtransportiert wird, ist die entscheidende Frage, die es zu untersuchen gilt.
Eine weitere Theorie besagt, dass der Kanal, in dem sich die Endolymphe im Innenohr befindet, sich möglicherweise so weit ausdehnt, dass er einreißt. Dies würde bedeuten, dass sich die Endolymphe und die Perilymphe, eine weitere Flüssigkeit im Ohr, vermischen könnten. Dies würde zu einem veränderten Salzgehalt beider Flüssigkeiten führen. Die Funktionalität des Hör- und Gleichgewichtsorgans würde entsprechend gestört werden, was die typische Symptomatik von Morbus Menière ebenfalls erklären könnte.
Da es vor allem das Hörorgan sowie das Gleichgewichtsorgan sind, die bei Morbus Menière in Mitleidenschaft gezogen werden, sind dies die typischen Symptome dieser Erkrankung:
Dabei machen sich diese Symptome schubweise als Anfälle bemerkbar. Zwischen zwei Anfällen können die Betroffenen über Jahre hinweg ein beschwerdefreies Leben führen. Es gibt sogar Patienten, die in ihrem Leben mit sehr wenigen dieser Anfälle zu kämpfen hatten. Oftmals machen sich zu Beginn der Krankheit nicht alle drei charakteristischen Symptome zusammen bemerkbar. Vielmehr kommt es womöglich nur zu einem Hörverlust mit Tinnitus oder lediglich zu den plötzlichen Drehschwindel-Attacken.
Zusätzlich zu dem Hörverlust sind ein Druckgefühl sowie ein unangenehmes Gefühl eines „vollen“ Ohrs denkbar. Der Drehschwindel geht für manche Patienten hingegen mit Übelkeit sowie mit Erbrechen einher. Manche Patienten plagen sich mit dieser Symptomatik nur ein paar Minuten, andere gar Stunden. Die Schwindelattacken können ein derart extremes Ausmaß annehmen, dass die Betroffenen am Ende nicht einmal mehr stehen können. Bewegung verschlimmert das Schwindelgefühl, welches auch bei Ruhe nicht vollständig verschwindet.
Ob der Hörverlust und Tinnitus nur temporär oder von Dauer sind, hängt von der Häufigkeit der Morbus-Menière-Anfälle ab. Zunächst verschwinden diese Symptome meist wieder. Sobald es zu mehreren Episoden von Morbus Menière gekommen ist, bleiben der Tinnitus und Hörverlust häufig bestehen. Besonders die tiefen Töne sind von dem Hörverlust betroffen. Einige Patienten klagen über ein verzerrtes Hören. Selbst leichte und seltene Anfälle können einen schweren Hörverlust nach sich ziehen. Da es sich bei Morbus Ménière meist um einen niedrigfrequenten (tiefen) Tinnitus handelt, wird die damit einhergehende Beeinträchtigung von vielen Patienten als niedrig bis mittelstark empfunden.
Um Morbus Menière zu diagnostizieren, wird der Arzt zunächst die Beschwerden der Patienten abfragen. Wenn alle der bereits genannten Symptome auftreten, besteht sofort der Verdacht, dass es sich um Morbus Menière handeln könnte. Treten die drei Symptome nicht zusammen auf, dann gestaltet sich die Diagnose hingegen schwieriger. Spezielle Hörtests oder Aufnahmen von Hirnströmen und -impulsen werden dann vorgenommen, um zu bestätigen, dass es sich um eine Erkrankung an Morbus Menière handelt. Bei einem Verdacht auf die Menière-Krankheit ist ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt und nicht der eigene Hausarzt der geeignete Ansprechpartner.
Damit Verletzungen sowie Infektionen der Ohren als Ursache für die Symptomatik ausgeschlossen werden können, wird der Arzt die Ohren der Patienten in aller Ruhe untersuchen. Hierzu werden ein Ohrenspiegel sowie ein Untersuchungsmikroskop verwendet. Eine Hörprüfung mittels eines sogenannten Audiogramms ist ebenfalls empfehlenswert. Somit kann die Hörfähigkeit der Betroffenen ermittelt und ein potenzieller Hörverlust nachgewiesen werden. Die Hörprüfung sollte erst dann durchgeführt werden, wenn die Patienten nicht mehr von einem akuten Schwindelanfall betroffen sind.
Eine Möglichkeit der Hörprüfung sieht vor, dass die Betroffenen Kopfhörer aufsetzen, damit ihnen diverse Töne eingespielt werden können. Die Patienten signalisieren dem Arzt sofort, wenn sie einen Ton vernommen haben. Liegt Morbus Menière vor, dann zeigt dieses Tonaudiogramm eine Schwerhörigkeit der Patienten an. Diese tritt häufig nur bei einem Ohr auf und bezieht sich oftmals auf tiefere Frequenzbereiche.
Alternativ kann eine Sonde verwendet werden, um Schallreize in das Ohr zu schicken. Diese Sonde misst gleichzeitig den Schall, welcher vom Trommelfell zurückgeworfen oder von dem Innenohr der Patienten ausgesendet wird (otoakustische Emissionen). Auf Basis dieser Messergebnisse lassen sich Innenohrerkrankungen und damit auch Morbus Ménière feststellen.
Um die Funktionalität des Gleichgewichtsorgans zu überprüfen, wird der zuständige Arzt die Augenbewegungen der Betroffenen beispielsweise untersuchen. Diese Untersuchung wird mehrmals unter verschiedenen Bedingungen wie den folgenden durchgeführt und mit Koordinationstests kombiniert:
Wenn alle drei charakteristischen Symptome von Morbus Menière gleichzeitig auftreten, dann gilt es als wahrscheinlich, dass es sich um dieses Krankheitsbild handelt. Dennoch müssen mit den Untersuchungen des Arztes weitere Erkrankungen und Ursachen ausgeschlossen werden. Dazu gehören unter anderem Schlaganfälle oder verschiedene Erkrankungen des Innenohrs. Fallen die Schwindelzeiten sehr kurz oder extrem lang aus, dann ist Morbus Menière wahrscheinlich nicht die Ursache dieser Symptomatik.
Darüber hinaus können bildgebende Untersuchungen bei einem Verdacht auf Morbus Menière sinnvoll sein. Denn mittels einer Computer- oder Magnetresonanztomographie können gut- oder bösartige Tumore (wie zum Beispiel ein Akustikusneurinom) als mögliche Ursache für die Symptome der Patienten ausgeschlossen werden.
Nicht nur die maßgebenden Ursachen für Morbus Menière sind bis jetzt nicht geklärt, sondern die Krankheit gilt als nicht heilbar. Trotz dieser Situation gibt es für die Patienten dennoch Hoffnung. Immerhin hilft eine Therapie dabei, die Beschwerden zu lindern und weitere Anfälle in der Zukunft nach Möglichkeit zu vermeiden. Allerdings ist der Verlauf der weiteren Erkrankung nicht definitiv vorhersehbar, wenngleich die Anzahl der Schwindelanfälle bei vielen Patienten im Laufe der Zeit abnimmt. Die Schwerhörigkeit kann immer mehr zunehmen. Somit kann der schleichende Hörverlust sogar bis hin zu einer Taubheit des betroffenen Ohrs führen.
Um den Leidensdruck der Patienten, die von dieser nicht heilbaren Krankheit betroffen sind, zu mindern, wird eine umgehende Therapie empfohlen. Im schlimmsten Fall kann dies sogar einen operativen Eingriff für die Betroffenen bedeuten. Da die Ursachen der Menière-Krankheit nicht bekannt sind, ist eine ursächliche Therapie dementsprechend ausgeschlossen. Bei der Therapie geht es somit lediglich darum, die Krankheitssymptome zu lindern. Die Therapie wird darüber hinaus in die Therapie akuter Morbus-Menière-Anfälle sowie in die Prophylaxe weiterer Anfälle unterteilt.
Kommt es zu einer akuten Attacke, dann kann diese medikamentös mit sogenannten Antivertiginosa behandelt werden. Diese Mittel helfen gegen Schwindel, während Antiemetika bei Übelkeit helfen. Handelt es sich um sehr starke Schwindelsymptome, dann ist eine Infusion von Wirkstoffen mittels eines Venentropfs denkbar. Kommt es als Nebenwirkung von Morbus Ménière zu starkem Erbrechen, dann können Flüssigkeits- und Elektrolyt-Infusionen erforderlich werden.
Kommt es häufig zu starken Anfällen, dann ist eine Intervallbehandlung mit speziellen Medikamenten sinnvoll. Der Wirkstoff Betahistin kann zum Beispiel eingesetzt werden, um die Anzahl der Schwindelattacken nach Möglichkeit zu reduzieren. Sofern die medikamentöse Therapie nicht die gewünschten Erfolge bringt, ist eine Operation als letzter Ausweg in Betracht zu ziehen. Dabei geht es darum, komplette Abschnitte des Innenohrs abzuschalten. Dies kann durch eine Durchtrennung des Gleichgewichtsnervs erzielt werden. Ebenso kann eine Medikamentengabe in das Ohr erfolgen, um das Gleichgewichtsorgan quasi auszuschalten. Hierbei wird ein Antibiotikum (Gentamicin) oder ein Lokalanästhetikum (örtliches Betäubungsmittel) direkt über das Trommelfell ins Mittelohr gegeben. Im Idealfall mindert dies die Schwindelanfälle, wenngleich eine deutliche Verschlechterung des Hörvermögens zu erwarten ist. Auch bei einer Operation sollten die Betroffenen wissen, dass sie auf dem jeweiligen Ohr anschließend taub sein werden. Eine Operation sollte daher nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn es bereits zu einem kompletten Gehörverlust auf dem Ohr gekommen ist. Sofern Morbus Ménière lediglich mit einer Schwerhörigkeit einhergeht, lässt diese sich mit einem Hörgerät behandeln.
Wer einer weiteren Attacke von Morbus Ménière aus dem Weg gehen will, sollte sich einem gesunden Lebensstil verschreiben. In der Praxis sieht dies wie folgt aus:
Nicht nur dadurch lässt sich die Häufigkeit der Anfälle im besten Fall reduzieren. Viele Betroffene haben auch mit einem gezielten Gleichgewichtstraining gute Erfahrungen machen können. Regelmäßige Bewegung und viel Entspannung werden darüber hinaus empfohlen. Wissenschaftlich belegt ist die Wirksamkeit dieser vorbeugenden Maßnahmen allerdings nicht. Somit müssen die Patienten für sich selbst herausfinden, inwiefern ihnen diese Schritte weiterhelfen.
aktualisiert am 01.03.2023