Schwere Unfälle – etwa im Straßenverkehr mit dem Motorrad – führen zu inneren und äußeren Verletzungen. Während die letztgenannten Verletzungen bereits für den Ersthelfer sichtbar sind, bleiben Schädigungen innerer Organe immer ein Problem. Die Milz gehört zu jenen Organen, welche im Rahmen stumpfer Gewalteinwirkung schnell verletzt werden können.
Nicht ohne Grund ist der Milzriss (die sogenannte Milzruptur) ein immer wieder in der Notfallmedizin auftretender Behandlungsfall. Sofern es die Schwere der Verletzung zulässt, wird eine Erhaltung des Organs versucht. Eine Splenektomie – die Milzentfernung – wird nach Möglichkeit versucht zu vermeiden. Der Hintergrund ist folgender: Fehlt die Milz, steigen Infektions- und Thromboserisiko. Dennoch muss die Milz in einigen Fällen entfernt werden, was auch bei verschiedenen Erkrankungen notwendig sein kann.
Die Milz nimmt im menschlichen Körper eine Doppelfunktion wahr, für die zwei Gewebe-Arten zuständig sind:
Darüber hinaus greifen die Phagozyten (sogenannten Fresszellen) in der Milz Blutzellen an, in denen bestimmte Einschlüsse (zum Beispiel Howell-Jolly-Körperchen) vorhanden sind. Treten solche Zellen bei Patienten ohne vorherige Milzentfernung (Splenektomie) auf, ist dies unter anderem ein Ansatz für den Arzt, von einem Funktionsverlust der Milz auszugehen.
In der weißen Pulpa beziehungsweise der Übergangszone zwischen beiden Gewebetypen wird das Blut hinsichtlich kapseltragender Mikroorganismen (Streptococcus pneumoniae und weitere Arten) überwacht. Sofern solche Mikroorganismen entdeckt werden, erfolgt deren Abbau.
Fehlt die Milz, lassen sich Veränderungen des Blutbildes beobachten. Nach der Splenektomie erhöht sich die Zahl der Thrombozyten (Blutplättchen), einer Art von kleinen Zellen, die für die Blutgerinnung notwendig sind. Mit Entnahme der Milz entfällt deren Filterfunktion und überschüssige Thrombozyten werden nicht mehr aus dem Blut entfernt. Die Erhöhung der Anzahl von Thrombozyten wird in der Medizin als Thrombozytose nach Milzentfernung bezeichnet.
Durch die Entfernung der Milz werden Betroffene auch anfälliger für Infektionen – besonders im Hinblick auf kapseltragende Erreger. Parallel ist das Risiko für die Entstehung einer Sepsis (allgemein unter dem Begriff Blutvergiftung bekannt) deutlich erhöht. Gerade im Zusammenhang mit Fieber ist eine engmaschige Betreuung Betroffener nötig.
Zeitgleich besteht die Möglichkeit, dass es zu einer Leukozytose (Anhebung der Anzahl von weißen Blutkörperchen je Einheit Blut) und dem Auftreten von veränderten roten Blutkörperchen (Erythrozyten mit Einschlüssen) kommt.
Eine Splenektomie führen Ärzte heute nur noch beim Vorliegen einer entsprechenden Notwendigkeit durch. War es früher üblich, bei einem Milzriss sofort zu dieser Maßnahme zu greifen, sieht die Sicht der Medizin auf diesen Eingriff inzwischen differenzierter aus. Die Entfernung der Milz wird heute in Erwägung gezogen, wenn das Organ nicht mehr zu retten ist beziehungsweise wenn andere Behandlungsoptionen – etwa im Rahmen der Erkrankung ITP – nicht den gewünschten Erfolg haben. Eine Splenektomie kommt auch im Rahmen bösartiger (maligner) Erkrankungen in Frage, wobei Tumore, die von der Milz selbst ausgehen, eher selten sind.
Neben den Infektionsrisiken und der Blutvergiftung (Sepsis) ist die Thrombose eine Komplikation, die nach dem Eingriff auftreten kann. Generell ist es schwierig, die Wahrscheinlichkeit für das Entstehen einer Thrombose pauschal einzuschätzen.
In der medizinischen Praxis hängt viel davon ab, welche Rahmenbedingungen für die Entfernung der Milz verantwortlich sind. Im Rahmen einer Splenektomie, die aufgrund einer Unfallverletzung oder wegen der Erkrankung an einer idiopathischen thrombozytopenischen Purpura (ITP) durchgeführt wird, wird das Risiko einer Thrombose als normal bis etwas erhöht angesehen.
Anders sieht die Situation aus, wenn Hämolysen (Zerfall der roten Blutkörperchen – etwa durch eine Erkrankung) eine Rolle spielen. Fallen die Entnahme der Milz und diese Erkrankungen zusammen, besteht ein deutlich erhöhtes Risiko dafür, dass sich eine Thrombose entwickelt. In der medizinischen Literatur ist dieses Risiko unter anderem für folgende Krankheiten erhöht, die mit Veränderungen der roten Blutkörperchen einhergehen:
Die Thrombosen können im Bereich der oberen und unteren Hohlvene als auch im Bereich der großen stromaufwärts liegenden Venen entstehen. Bezüglich des Thromboserisikos im Zusammenhang mit Hämolysen fehlt es in verschiedenen Bereichen noch an aussagekräftigen Studien.
Pauschal kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich nur durch die Erhöhung der Anzahl von Thrombozyten in jedem Fall eine Thrombose entwickelt. Generell wird im Rahmen der Milzentfernung die Bewertung des Risikos – anhand der Hämolyse – erfolgen.
Erfolgen kann hier der Einsatz von Heparin. Es handelt sich um ein Präparat mit Einfluss auf die Blutgerinnung. Heparin ist in der Lage, die Blutgerinnung zu vermindern. Aufgrund dieser Eigenschaften ist das Mittel heute als gerinnungshemmendes Mittel (Antikoagulans) in der Thrombose-Prophylaxe in der vor- und nachoperativen Phase im Einsatz.
Dieser Ansatz erstreckt sich allerdings nur auf einen Zeitraum von einigen Wochen nach dem Eingriff. Einige Quellen regen im Zusammenhang mit dem Thromboserisiko die vorbeugende Gabe von ASS (Acetylsalicylsäure) an. Der Wirkstoff setzt an einem anderen Mechanismus an (an dem Enzym Cyclooxygenase-1) und erreicht auf diese Weise eine gerinnungshemmende Wirkung. Allerdings ist diese Form der Prophylaxe nicht unumstritten, da bisher umfassende Studien zur Wirksamkeit innerhalb der ersten 12 Monate nach der Operation fehlen.
Generell kommt es nach einer Splenektomie darauf an, Risikopatienten engmaschig zu überwachen, um mögliche Komplikationen – in Form der Thrombose – früh zu erkennen und diese schnell behandeln zu können. Hierbei haben sich Wirkstoffe wie das bereits genannte Heparin und andere Antikoagulanzien bewährt. In die Prophylaxe kann es nicht nur um medikamentöse Ansätze gehen. Die Sensibilisierung aller Beteiligten – vom Arzt bis zum Patienten – für die Symptome der Thrombose spielt eine nicht minder große Rolle.
aktualisiert am 16.03.2020