Magersucht und Bulimie sind Essstörungen, die häufig Hand in Hand gehen.
Bulimie (Ess-Brech-Sucht) ist häufig die Folge einer Magersucht (Anorexia nervosa). Was mit einer scheinbar harmlosen Diät startet, kann zum Selbstläufer werden und in eine Magersucht oder Bulimie führen.
Die beiden Essstörungen bringen unterschiedliche Verhaltensweisen mit sich: Während der Magersüchtige konsequent hungert, kämpft der Bulimie-Kranke mit nicht zu kontrollierenden Heißhungerattacken, die in Essanfällen (Binge Eating) münden. Diese werden dann mit Erbrechen, Abführmitteln oder exzessivem Sport kompensiert.
Bis zu ein Viertel aller Bulimiker war zuerst magersüchtig. Trotz Klinikaufenthalt und Therapie gelingt es ihnen nicht, ihr Essverhalten zu normalisieren. Sie essen dann zwar wieder, erleben aber regelmäßig Essattacken. Häufig hat sich ihr Gewicht bei einem BMI (Body-Mass-Index) über 17,5 stabilisiert, sodass sie auf Außenstehende geheilt wirken. Es können sich aber auch Phasen der Magersucht immer wieder mit Phasen der Bulimie abwechseln. Das bedeutet, zeitweise wird fast gar keine Nahrung aufgenommen, aber in anderen Zeiträumen kommt es immer wieder zu unkontrolliertem Essen und gegebenenfalls Erbrechen.
Wie Magersucht ist Bulimie vor allem eine Frauenkrankheit. 90 bis 95 Prozent aller Betroffenen sind weiblich. Die Erkrankung beginnt meist zwischen 18 und 30 Jahren, also in der Regel später als die Magersucht.
Bulimie ist für Außenstehende schwer zu erkennen, da die Betroffenen häufig nur leicht untergewichtig oder normalgewichtig sind. Auch ihr Essverhalten in Gesellschaft ist oft unauffällig.
Die Erkrankung ist für Betroffene so schambesetzt, dass sie geheimgehalten wird. Häufig kommt sie erst nach vielen Jahren ans Tageslicht, wenn die Gesundheit bereits deutlich Schaden genommen hat. Im Durchschnitt dauert es rund fünf Jahre, bis sich eine Bulimikerin ärztliche oder therapeutische Hilfe sucht.
Wie alle Essstörungen hat auch Bulimie verschiedene Auslöser. Stark im Vordergrund steht der Wunsch schlank zu sein, was gleichgesetzt wird mit Attraktivität, Erfolg, Anerkennung und Liebe. Der Wunsch nach einer perfekten Außenwirkung ist für Bulimiker sehr wichtig. Gleichzeitig leiden sie häufig unter wenig Selbstvertrauen oder sind perfektionistisch veranlagt. Nicht selten liegt der Bulimie ein traumatisches Erlebnis, wie zum Beispiel sexueller Missbrauch, zu Grunde. Gefühle wie Wut, Trauer oder Angst werden nicht ausgelebt, sondern mit großen Mengen Nahrung kompensiert. Nach dem Essanfall sind die Schuld- und Schamgefühle ebenso groß wie die Angst vor der Gewichtszunahme. Das anschließende Erbrechen wird für viele nicht nur als Erleichterung von der Übelkeit wahrgenommen, sondern auch als eine verdiente Selbstbestrafung für den Kontrollverlust des Essens. Ein kräftezehrendes Sportprogramm kann eine weitere Form dieser Selbstbestrafung sein.
Bei der Entwicklung einer Magersucht spielen teils die gleichen Faktoren eine Rolle. Magersüchtige haben oft ein geringes Selbstwertgefühl und eine Neigung zum Perfektionismus. Schlanksein wird mit Schönheit gleichgesetzt, weshalb sie abnehmen wollen. Häufig tragen auch traumatische Ereignisse in der Vergangenheit zur Entstehung bei. Allerdings ist bei magersüchtigen Personen die eigene Körperwahrnehmung gestört. Während andere Menschen sie als deutlich zu dünn empfinden, fühlen sie sich selbst noch nicht schlank genug und sehen erhebliches Untergewicht als Optimalzustand an. Menschen, die an Magersucht leiden, möchten unter allen Umständen die Kontrolle über den eigenen Körper haben.
Gerade aus einer Magersucht geht häufig eine Bulimie hervor. Das geschieht dann, wenn über längere Sicht die extreme Einschränkung der Nahrungsaufnahme nicht weitergeführt werden kann.
Einstieg ist bei einer Bulimie häufig eine strenge Diät. Diese gehört auch bei Magersucht zu den typischen Merkmalen. Das Fasten scheitert irgendwann an den Essensgelüsten und Heißhungerattacken. Die Angst vor der Gewichtszunahme führt dazu, Erbrechen herbeizuführen. Man spricht vom Purging-Typ. Der sogenannte Non-Purging-Typ hat gleichermaßen Essanfälle, erbricht aber nicht, sondern versucht die Kalorien mit anschließendem Fasten oder einem exzessiven Sportprogramm (Sportbulimie) loszuwerden.
Bulimie kann sehr unterschiedliche Ausmaße annehmen. Durchschnittlich treten die Essanfälle mindestens zweimal pro Woche auf, sie können aber auch mehrmals am Tag stattfinden. Ohne Therapie steigen die Zahl und das Ausmaß der Essanfälle im Verlauf der Zeit tendenziell an. Mit fortschreitender Erkrankung wird nicht nur nach einem Binge-Eating-Anfall erbrochen, sondern bereits bei kleinen Mengen Nahrung. Nimmt der Stresspegel zu, steigt die Zahl der Essanfälle. Zwischendurch kann es Phasen geben, in denen normal gegessen wird.
Da Erkrankte nicht offen über ihre Essstörung sprechen, können besorgte Freunde oder Familienmitglieder nur auf Anzeichen wie diese achten:
Speziell bei einer Bulimie treten folgende Anzeichen auf:
Absichtliches Erbrechen kann jedoch nicht nur bei Bulimie, sondern in einigen Fällen auch bei Magersucht vorkommen (Purging-Typ der Anorexia nervosa).
Eine Magersucht führt zu weitreichenden gesundheitlichen Konsequenzen. Die Unterversorgung mit Nährstoffen bringt ein oft starkes, bedrohliches Untergewicht mit sich. Es kann zu Organschäden und Beschwerden wie Herzrhythmusstörungen, Kreislaufproblemen, Muskel- und Knochenabbau, Ausbleiben der Periode, Unfruchtbarkeit oder seelischen Störungen (zum Beispiel Depressionen) kommen. Schließlich kann die Magersucht tödlich ausgehen.
Auch wenn Bulimie selten mit lebensgefährlichem Untergewicht einhergeht, ist sie weit mehr als eine Lifestyle-Erkrankung, sondern hat ebenfalls gesundheitliche Folgen:
Eine Bulimie wird mit einer Psychotherapie behandelt. Der Schwerpunkt liegt auf der Stärkung des Selbstwertgefühls und darauf, eine gesunde Einstellung zu Figur und Gewicht zu gewinnen. Zusätzlich kann eine Ernährungstherapie hilfreich sein. Die Behandlung erfolgt ambulant. In schweren Fällen kann eine Therapie in einer Klinik für Essstörungen hilfreich sein.
Eine Magersucht kann ebenfalls ambulant behandelt werden. Oftmals ist es jedoch notwendig, die Therapie stationär in einer Klinik durchzuführen. Eine Ernährungstherapie und psychotherapeutische Maßnahmen bilden die Grundlage der Behandlung.
Je kürzer die Krankheit besteht und je weniger ausgeprägt sie ist, desto besser sind die Heilungschancen. Rund die Hälfte aller Bulimikerinnen kann ihr Essverhalten langfristig und dauerhaft normalisieren. Anderen hilft die Therapie, ihre Symptome zu verbessern.
Eine Kombination aus Magersucht und Bulimie ist schwerer zu behandeln, vor allem dann, wenn bereits Klinikaufenthalte stattgefunden haben oder die Behandlung abgebrochen wurde. Auch wenn die Bulimie mit anderen psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Borderline einhergeht, kann dies die Heilung erschweren. Grundsätzlich braucht die Behandlung von Essstörungen Geduld und kann mehrere Jahre in Anspruch nehmen.
Median-Kliniken – Essstörungen - Ursachen: https://www.median-kliniken.de/de/behandlungsgebiete/psychosomatik/essstoerungen/ursachen/ (online, letzter Abruf: 25.04.2022)
MeinMed.at, Julia Wild – Bulimie (Bulimia nervosa, Ess-Brech-Sucht) https://www.minimed.at/medizinische-themen/psyche/bulimie/ (online, letzter Abruf: 25.04.2022)
aktualisiert am 25.04.2022