Wiederholt wird vor einer neuen Geschlechtskrankheit gewarnt, die sich seit kurzem unter homosexuellen Männern auch in Europa ausbreitet. Dabei handelt es um Lymphogranuloma venereum (LGV).
Nachdem diese Infektion im Jahre 2003 zunächst in Rotterdam (100 Fälle bis April 2005) festgestellt worden war, traten seither Fälle in Antwerpen, Paris, Stockholm, Hamburg und auch vor kurzem in Barcelona auf. Auch in England wurde im Januar 2005 über 24 LGV-Fälle bei Homosexuellen, diese vor allem in London, berichtet.
Es ist jedoch davon auszugehen, dass viele Erkrankungen mit Lymphogranuloma venereum nicht diagnostiziert werden. Weitere Erkrankungen wurden vor allem in den USA in New York, San Francisco and Atlanta beobachtet.
LGV war in Deutschland in den letzten Jahren eine (bis auf sporadische Einschleppungen) selten beobachtete Geschlechtskrankheit. Aufgrund der aktuellen Meldungen über Erkrankungshäufungen in den Niederlanden muss vermutet werden, dass diese Infektion auch in Deutschland vermehrt auftreten wird.
Verursacht wird LGV durch Chlamydia trachomatis, Serotyp L1-3. In Holland zirkuliert derzeit der Serotyp L2. Bei den bislang identifizierten Patienten handelt es sich zumeist um HIV-positive Männer, die ungeschützten, rezeptiven (passiven) Analverkehr praktiziert hatten. Die Patienten gaben an, dass die meisten Kontakte anonym waren. Namentlich bekannte Sexualpartner kamen auch aus Deutschland.
LGV darf nicht mit der wesentlich häufigeren okulogenitalen Chlamydien-Infektion, die durch die Serotypen D-K hervorgerufen, verwechselt werden. LGV kommt weltweit vor und ist überwiegend in Ost- und Westafrika, Südostasien, Südamerika und der Karibik endemisch. Die Krankheit wird zu den klassischen Geschlechtskrankheiten gezählt. Die Übertragung erfolgt sexuell.
Bei infektiösen Ulcera (Geschwüre) im perigenitalen und inguinalen Bereich schützen Kondome nur bedingt vor einer Ansteckung. Männer sind häufiger betroffen als Frauen mit einem Erkrankungsgipfel im sexuell aktiven Alter.
Bei LGV handelt es sich um eine chronisch verlaufende Infektion des lymphatischen Gewebes der Genitorektalregion. Es werden drei Phasen der Erkrankung unetrschieden.
In der Initialphase kommt es an der Eintrittspforte zu herpetiformen Läsionen, Papeln (Bläschen) oder Erosionen (nässender Substanzverlust der Haut). Diese finden sich meist am Sulcus coronarius und der Vaginalschleimhaut.
Bei Homosexuellen findet sich oftmals eine Proktitis (Entzündung des Enddarms). Als Begleitsymptome können eine Urethritis (Harnröhrenentzündung) und Cervicitis (Entzündung des Gebürmutterhalses) auftreten. Extragenitale Läsionen sind möglich und meist durch orale Sexualpraktiken bedingt.
Nach etwa 3 bis 4 Wochen beginnt das Sekundärstadium mit einer einseitigen, meist inguinalen, zunehmend druckschmerzhaften Lymphknotenschwellung. Oftmals kommt es dabei zu massiv geschwollenen, eitrigen Lymphknotenpaketen mit Erythem (Rötung), die in der Folge einschmelzen und perforieren (durchbrechen). Folge ist eine fistulierende Abszessbildung. Systemische Symptome mit Arthritis, Hepatitis (Leberentzündung) oder Meningitis (Hirnhautentzündung) sind möglich.
Das erst nach Jahren beginnende Tertiärstadium ist durch ein Anogenitorektal-Syndrom gekennzeichnet. Dabei bestehen beim Patienten granulomatöse, destruktive und fistulierende Herde mit Proktokolitis, analen Fisteln (unnatürliche, röhrenartige Verbindungen) und rektalen Stenosen sowie Strikturen.
Die Labordiagnose des LGV ist schwierig. Für den Erregernachweis wird heute neben der Kultivierung des Erregers auf Zellkulturen meist die PCR (Polymerase-Kettenreaktion) durchgeführt. Da die Chlamydien-Antikörper gegen die verschiedenen Serotypen kreuzreagierend sind, ist die Zuordnung zum Serotyp L1-3 nicht möglich.
Da Patienten, bei denen der Verdacht auf LGV besteht höchst wahrscheinlich bereits früher eine okulogenitale Infektion mit den Serotypen D-K durchgemacht hatten, ist der Nachweis von Antikörpern meist nicht aussagekräftig.
Mittel der Wahl zur Behandlung des LGV ist Doxycyclin (2x100 mg) mit einer 3-wöchigen Behandlungsdauer. Alternativ kann Erythomycin (4x500mg) oder Azithromycin über 3 Wochen verabreicht werden. Wichtig ist die Mitbehandlung des oder der Sexualpartner während der letzten 30 Tage.
Nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) besteht für Lymphgranuloma venereum zwar keine Meldepflicht für eine sporadische Erkrankung, jedoch muss beim Auftreten von zwei oder mehr Infektionen, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird, nach §6, Abs. 5b, eine Meldung an das Gesundheitsamt erfolgen.
Da das Wiederauftreten von LGV in mehreren Städten auf eine ununterbrochene Infektionskette hinweist, sollte auf jeden Fall eine Meldung an das Gesundheitsamt erfolgen.
Letzte Aktualisierung am 20.09.2019.