Wenn der Abfluss über die Lymphgefäße beeinträchtigt ist, bildet sich aufgrund der angesammelten Flüssigkeit eine Schwellung im Gewebe. In der medizinischen Fachsprache wird diese Erkrankung als Lymphödem bezeichnet.
Neben dem Blutkreislauf ist das Lymphsystem das zweite Transportsystem im Körper. Hauptaufgaben des Lymphsystems sind der Rücktransport von Flüssigkeit (Lymphe) aus den Gewebezwischenräumen in den Blutkreislauf, die Immunabwehr und der Transport von Nährstoffen und Fetten. Das Lymphsystem besteht aus einem verzweigten Netz von feinen Lymphgefäßen, die den gesamten Körper durchziehen. Die feinen Lymphgefäße vereinigen sich zu immer größeren Gefäßen und münden letztlich im sogenannten Venenwinkel (zwischen Halsvene und Schlüsselbeinvene) in das Blutgefäßsystem. Als Filterstationen für Fremdstoffe und Krankheitserreger befinden sich in den Lymphgefäßen die Lymphknoten. Der Lymphtransport verläuft über zwei Mechanismen:
Ein Lymphödem entsteht, wenn der Lymphtransport gestört ist. Die Flüssigkeit aus den Gewebezwischenräumen kann nicht mehr ausreichend abtransportiert werden und staut sich. Dies führt zu einer sichtbaren und tastbaren Schwellung des Gewebes von Unterhaut und Haut. Ein Lymphödem kann akut oder chronisch verlaufen, angeboren (primär) oder erworben (sekundär) sein.
Wenn in den Blutgefäßen ein hoher Druck herrscht, wird aus den kleinen Blutkapillaren im Gewebe Flüssigkeit ausgepresst. Diese sammelt sich im Zellzwischenraum. Die feinen Lymphgefäße nehmen diese Flüssigkeit zum Teil auf und transportieren sie als Lymphe ab. Täglich bilden sich etwa zwei bis drei Liter Lymphflüssigkeit. Ein Lymphödem entsteht, wenn zu viel Flüssigkeit aus den Blutgefäßen austritt oder nicht ausreichend abtransportiert werden kann. Die Flüssigkeit staut sich im Zellzwischenraum. Die Folge ist, dass auch Proteine und weitere Stoffe nicht mehr abtransportiert werden und damit durch veränderte Druckverhältnisse Flüssigkeit aus den Gefäßen nachziehen. Wenn das Lymphödem längere Zeit besteht, werden die Zellen schlechter mit Nährstoffen versorgt. Die Zellen können dadurch bleibende Schäden bekommen oder auch absterben. Es kommt zu einem Gewebeumbau, der unumkehrbar ist.
Als Ursachen werden ein primäres (angeborenes) und ein sekundäres (erworbenes) Lymphödem unterschieden:
Lymphödeme können ein- oder beidseitig auftreten. Primäre Lymphödeme treten meist beidseitig und häufig an den Beinen auf. Sekundäre Lymphödeme als Folge von Erkrankungen sind meist örtlich auf den betroffenen Bereich unterhalb der Verletzung oder Erkrankung beschränkt.
Folgende Symptome treten bei einem Lymphödem auf:
Je nach Schwere der Symptome kann das Lymphödem in folgende Stadien eingeteilt werden:
Bei einem primären Lymphödem können die Beschwerden bereits im Kindesalter auftreten. Ein Beispiel sind Lymphödeme an Beinen bereits im Säuglingsalter bei der Elephantiasis congenita hereditaria. In anderen Fällen bricht die Erkrankung erst im Erwachsenenalter oder während der Schwangerschaft aus.
Das Lymphödem ist in der Regel bereits sichtbar. Daher lässt sich die Diagnose anhand der Krankengeschichte (Anamnese) und einer klinischen Untersuchung stellen.
In der Krankengeschichte erfragt der Arzt besonders folgende Punkte:
In der klinischen Untersuchung erfasst der Arzt zunächst die Lage und den Umfang des Lymphödems. Außerdem erfolgt eine allgemeine Untersuchung der Haut sowie von Kreislauf und Lunge, besonders wenn begleitend Beschwerden wie Hautentzündungen, vermehrtes Schwitzen oder Kurzatmigkeit bestehen. Dies kann bereits Hinweise auf die Ursache des Lymphödems geben.
Es folgt das Abtasten des Ödems auf Größe, Konsistenz, Schmerzhaftigkeit und Verschiebbarkeit. Die Konsistenz kann derb, hart, teigig-weich oder prall-elastisch sein. Außerdem wird untersucht, ob das Lymphödem eindrückbar oder bereits fortgeschritten erhärtet ist (bei Einlagerung von Bindegewebe). Zur Einschätzung, wie weit die Erkrankung bereits fortgeschritten ist, dient außerdem das sogenannte Stemmersche Zeichen. Wenn die Haut zwischen zweitem und drittem Zeh oder Finger nicht mehr anhebbar ist, gilt das als positives Stemmersches Zeichen.
Sind die Befunde unklar oder können keine Ursache für das Lymphödem gefunden werden, folgen weitere Untersuchungen:
Wichtige Erkrankungen mit ähnlichen Beschwerden wie das Lymphödem (Differenzialdiagnosen) sind die tiefe Beinvenenthrombose und das Lipödem:
Ziel der Therapie eines Lymphödems ist, die Flüssigkeitseinlagerung zu beseitigen oder die Erkrankung in ein niedrigeres Stadium zurückzuführen. Unterschieden werden die konservative und die chirurgische Behandlung.
Die Standardbehandlung des Lymphödems ist die Entstauungstherapie, die sich aus verschiedenen Faktoren zusammensetzt. Die Therapie ist langwierig und muss (besonders bei primärem Lymphödem) teilweise lebenslang durchgeführt werden. Zur Entstauungstherapie zählen:
Die Entstauungstherapie darf nicht angewendet werden bei Patienten mit schwerer Herzfunktionsstörung, tiefen Beinvenenthrombosen oder schweren (auch bakteriellen) Hauterkrankungen.
Wenn innerhalb von sechs Monaten mit einer konservativen Behandlung keine Besserung erzielt werden kann, können folgende operative Verfahren angewendet werden:
Einige Verhaltensmaßnahmen helfen, die Schwere des Lymphödems zu lindern und den Verlauf positiv zu beeinflussen. Besonders das primäre Lymphödem kann jedoch nicht ursächlich verhindert werden. Zur Vorbeugung sinnvoll sind:
Rechtzeitiges Eingreifen und Beginn mit der Behandlung bei ersten Anzeichen eines Lymphödems kann einem schwerem Verlauf vorbeugen. Menschen, die an der Erkrankung leiden beziehungsweise vorbelastet sind, müssen aufpassen, sich am betreffenden Körperteil nicht zu verletzen. Da das Lymphödem bereits durch Spritzen, einen Sonnenbrand oder einengende Kleidungsstücke ausgelöst werden kann, müssen zur Vermeidung entsprechende Vorkehrungen getroffen werden.
Die Prognose ist abhängig davon, ob es sich um ein primäres oder sekundäres Lymphödem handelt.
Ein primäres Lymphödem ist chronisch und nicht heilbar. Allerdings lässt sich der Verlauf positiv beeinflussen, sodass auch ödemfreie Phasen entstehen können. Unbehandelt verschlechtert sich das Lymphödem stetig. Zunächst sind nur die oberen Hautschichten betroffen. Im weiteren Verlauf kommt es jedoch zu tiefen Hautschäden, die nicht mehr umkehrbar sind.
Bei einem sekundären Lymphödem ist die Prognose gut, wenn die Grunderkrankung geheilt werden kann – in diesem Fall verschwindet auch das Ödem vollständig. Kann die Grundursache nicht behoben werden, muss zumindest mit geeigneten Maßnahmen versucht werden, das Fortschreiten des Lymphödems zu verhindern.
Gelbe Liste, Sonja Klein – Lymphödem: https://www.gelbe-liste.de/krankheiten/lymphoedem (online, letzter Abruf: 14.01.2022)
Verein zur Förderung der Lymphoedemtherapie e.V. – Lymphödem: https://lymphverein.de/lymphoedem.html (online, letzter Abruf: 14.01.2022)
Vereinigung der interdisziplinären Gefäßmediziner Süddeutschlands e.V. (VIGS), Dr. med. Martha Földi – Diagnostik & Therapie des Lymphödems: https://www.vigs-ev.de/xconfig/upload/files/2017/vortraege/Foeldi_VIGS_Jahrestagung_2017_PDF_handout.pdf (online, letzter Abruf: 14.01.2022)
Deutsches Ärzteblatt, Gerd R. Lulay – Sekundäre Lymphödeme: Diagnose und Therapie weiterhin unbefriedigend: https://www.aerzteblatt.de/archiv/186157/Sekundaere-Lymphoedeme-Diagnose-und-Therapie-weiterhin-unbefriedigend (online, letzter Abruf: 14.01.2022)
aktualisiert am 14.01.2022