Prof. Neurohr: Die meisten Patienten, die mit einer Lungenentzündung zu uns kommen, leiden vor allem unter Atemnot. Sie fühlen sich weniger belastbar. Ein klassisches Symptom der Lungenentzündung ist aber vor allem Husten. Ein weiteres deutliches Zeichen ist, wenn die Patienten Fieber bekommen. Dieses Fieber kann manchmal sehr hoch sein, aber auch mäßige Temperaturerhöhungen sind möglich, vor allem bei Kindern. Bei älteren Patienten sind die Symptome oft weniger eindeutig. Sie haben nicht unbedingt Fieber, Husten oder Atemnot. Stattdessen fühlen sie sich einfach sehr schlapp und müde. Manche sind sogar verwirrt oder wahnhaft und haben Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren oder ihre Umgebung wahrzunehmen.
Prof. Neurohr: Eine Lungenentzündung wird durch Krankheitserreger in der Lunge verursacht. Typischerweise sind es Viren, Bakterien oder Pilze, die in der Lunge eine Entzündungsreaktion auslösen. Diese Reaktion entsteht, wenn Krankheitserreger in die Lunge eindringen - also keine Fremdkörper, sondern Mikroorganismen wie Bakterien, Viren oder Pilze. Unser Immunsystem versucht dann, diese Eindringlinge zu bekämpfen. Das äußert sich oft in Fieber und dem natürlichen Hustenreflex. Der Körper kämpft also aktiv und versucht, die Infektion loszuwerden.
Typischerweise sind es Viren, Bakterien oder Pilze, die in der Lunge eine Entzündungsreaktion auslösen.
Prof. Neurohr: Ein klassisches Beispiel, das viele von uns kennen, ist das Coronavirus. Es kann eine Lungenentzündung verursachen, ebenso wie die Grippe (Influenza), die ebenfalls häufig Entzündungen verursacht. Eine weitere typische Ursache sind Bakterien, zum Beispiel Pneumokokken. Gegen sie gibt es Impfungen. Gelegentlich können auch Pilze aus der Umwelt in die Lunge gelangen, da wir ständig atmen. Die Lunge ist eine Eintrittspforte für Krankheitserreger, wenn wir uns infizieren. Diese Bakterien oder Viren versuchen dann, sich in der Lunge festzusetzen, und unser Immunsystem muss sich mit ihnen auseinandersetzen.
Prof. Neurohr: Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für bestimmte Gesundheitsprobleme. Das liegt daran, dass das Immunsystem mit zunehmendem Alter etwas schwächer wird und nicht mehr so aktiv ist wie in jüngeren Jahren. Das allein kann schon ein Risikofaktor sein. Ein weiterer Risikofaktor sind bestimmte Begleiterkrankungen, insbesondere Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Diese können entweder das Risiko für eine Lungenentzündung erhöhen oder, wenn man bereits an einer Lungenentzündung erkrankt ist, zu einem schwereren Krankheitsverlauf führen.
Eine weitere Risikogruppe sind Patienten, deren Immunsystem aus verschiedenen Gründen geschwächt ist. Das kann altersbedingt sein, aber auch bei Menschen, die zum Beispiel an einer Tumorerkrankung leiden und sich einer Chemotherapie unterziehen müssen. Gleiches gilt für Rheumapatienten, die Medikamente zur Unterdrückung des Immunsystems erhalten. Solche immunsuppressiven Medikamente machen die Betroffenen anfälliger für Infektionen oder Nierenerkrankungen. Alle internistischen Erkrankungen erhöhen das Risiko für Infektionen und andere Gesundheitsprobleme.
Prof. Neurohr: Es ist nicht so leicht, den Krankheitserreger ausfindig zu machen. Für das Coronavirus gibt es Tests, da kann man also leichter herausfinden, ob ein Patient vielleicht an Corona erkrankt ist. Ansonsten muss aber allgemein geklärt werden, ob es sich nur um eine Infektion der oberen Atemwege handelt oder ob tatsächlich eine Lungenentzündung vorliegt. Dies kann durch Tests wie eben ein PCR-Test oder mikrobiologische Untersuchungen des Lungengewebes festgestellt werden.
In vielen Fällen bleibt es jedoch schwierig, den Erreger zu identifizieren. Dennoch hat man eine ungefähre Vorstellung davon, welche Keime in Frage kommen. Es gibt klare Richtlinien, welche Medikamente, zum Beispiel Antibiotika, zur Behandlung in Frage kommen. Manchmal ist eine Behandlung gar nicht notwendig.
In vielen Fällen bleibt es jedoch schwierig, den Erreger zu identifizieren.
Prof. Neurohr: In den letzten Jahren wurde nach dem Auftreten von Corona deutlich, dass man versucht, den Erreger zu verstehen. Gegenwärtig ist es relativ einfach, eine Corona-Infektion zu diagnostizieren. Es ist jedoch bekannt, dass Antibiotika bei einer solchen Infektion in der Regel nicht wirken, da sie gegen Bakterien gerichtet sind und Corona eine Viruserkrankung ist. Dasselbe gilt für die Influenza, also die Grippe.
Seit kurzem gibt es auch Impfstoffe gegen RSV-Viren (Respiratory Syncytial Virus). Auch hier ist die primäre Gabe von Antibiotika in den meisten Fällen nicht notwendig. Es gibt jedoch klassische Lungenentzündungen, bei denen eine frühzeitige Antibiotikagabe von großer Bedeutung ist. In solchen Fällen ist es die Aufgabe des Arztes, frühzeitig zu entscheiden, ob ein Antibiotikum notwendig ist oder nur auf Verdacht gegeben wird. Auch die Dauer der Behandlung muss sorgfältig abgewogen werden. Diese Entscheidungen erfordern eine gewisse ärztliche Kunst. Eine verzögerte Antibiotikagabe kann die Prognose verschlechtern. Gleichzeitig ist es aber auch nicht sinnvoll, Patienten unnötig lange mit Antibiotika zu behandeln.
Seit kurzem gibt es auch Impfstoffe gegen RSV-Viren (Respiratory Syncytial Virus).
Prof. Neurohr: Früher vor den 1940er Jahren, als es noch keine Antibiotika gab, sind natürlich auch nicht gleich alle Patienten gestorben. Das heißt, der Körper war in vielen Fällen in der Lage, die Krankheit selbst zu bekämpfen. Je älter ein Mensch ist und je mehr Vorerkrankungen er hat, desto größer ist jedoch die Wahrscheinlichkeit, daran zu sterben. Sehr junge Menschen mit ansonsten gesunden Lungen und ohne andere gesundheitliche Probleme haben gute Chancen, eine normale Lungenentzündung zu überleben. Je älter man wird und je mehr Vorerkrankungen man hat, desto höher ist das Risiko, daran zu sterben.
Prof. Neurohr: Beim Arztbesuch werden verschiedene Kriterien und Untersuchungsmethoden angewandt, um die Situation des Patienten zu beurteilen. Zunächst wird der Schweregrad der Erkrankung eingeschätzt.
Anhand dessen wird entschieden, ob eine sofortige Krankenhauseinweisung notwendig ist oder nicht. Darüber hinaus spielen Faktoren wie Alter, verschiedene Gesundheitsparameter und Vorerkrankungen eine entscheidende Rolle. Diese Faktoren beeinflussen, welche Therapie der Patient benötigt und ob weitere diagnostische Maßnahmen wie COVID-19-Abstriche notwendig sind. Die Entscheidung, ob der Patient stationär oder ambulant behandelt wird, hängt von diesen Faktoren ab. Wenn der Verdacht auf eine Lungenentzündung besteht und nicht klar ist, ob es sich um eine virale Infektion handelt, bei der Antibiotika nicht wirksam sind, kann es notwendig sein, frühzeitig Antibiotika zu verordnen.
Darüber hinaus spielen Faktoren wie Alter, verschiedene Gesundheitsparameter und Vorerkrankungen eine entscheidende Rolle.
Prof. Neurohr: Es gibt ja bekanntermaßen seit einiger Zeit einen Impfstoff gegen Coronaviren. Es gibt auch einen Impfstoff gegen Influenza, also Grippe. Es gibt auch Impfstoffe gegen Pneumokokken (Bakterien). Neu ist auch ein Impfstoff gegen das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV), wobei die genaue Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) noch aussteht. Ich gehe aber davon aus, dass diese Empfehlung bald kommen wird. Der Impfstoff gegen RSV ist bereits zugelassen und kann verabreicht werden. Nun stellt sich nur noch die Frage der Kostenübernahme durch die Krankenkassen.
Prof. Neurohr: Die Lunge ist eigentlich kein Muskel, so wie das Herz oder die Oberschenkelmuskulatur. Man kann sie nicht trainieren. Die Lunge ist so konstruiert, dass sie von Geburt an gesund ist, ohne dass man viel dafür tun muss. Das Wichtigste ist, sie nicht aktiv zu schädigen, vor allem nicht durch Rauchen. Am wichtigsten ist es, gar nicht erst damit anzufangen oder, wenn man damit angefangen hat, zu versuchen, es wieder aufzugeben.
Natürlich gibt es auch andere Faktoren im Leben, die zu Lungenerkrankungen führen können. Hier kann man oft wenig tun. Am Arbeitsplatz gibt es jedoch bestimmte Maßnahmen zum Schutz der Lunge, die unbedingt eingehalten werden sollten, insbesondere bei Tätigkeiten, bei denen Staub oder giftige Gase entstehen.
Das Wichtigste ist, sie nicht aktiv zu schädigen, vor allem nicht durch Rauchen.
Prof. Neurohr: Die Entwicklung schreitet in vielen Bereichen voran, insbesondere was die positiven Auswirkungen der Corona-Pandemie betrifft. Ein bemerkenswerter Effekt der Pandemie ist, dass das Thema Impfung einen zusätzlichen Schub erhalten hat. Die Thematik ist nun auch in der Öffentlichkeit viel präsenter, da neue Impfstoffe entwickelt werden.
Erfreulich ist auch, dass für bestimmte Krankheiten wie Tuberkulose oder andere seltene Krankheiten mehr in die Forschung investiert wird. Auch im Bereich der Antibiotika gibt es wieder mehr finanzielle Unterstützung für Forschung und Entwicklung. In den letzten Jahrzehnten lag der Schwerpunkt häufig auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs, was zu erheblichen Fortschritten geführt hat. In einigen Bereichen kam es jedoch zu einem Stillstand, der nun aber durch verstärkte Anstrengungen überwunden werden soll.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 26.06.2024.