Eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte gehört zu den angeborenen Spaltfehlbildungen und tritt verhältnismäßig häufig auf (bei einem von 500 lebend geborenen Kindern). Sie kann unter anderem zu Beeinträchtigungen von Essen, Trinken und Sprechen führen. Eine Operation muss durchgeführt werden, um dies zu behandeln.
Spaltbildungen im Gesicht resultieren aus Fehlentwicklungen in der Embryonalzeit. Eine definitive Ursache ist noch nicht genau bekannt. Verschiedene Faktoren können die Gefahr einer Spaltbildung während der Embryonalentwicklung jedoch erhöhen. Dazu gehören Rauchen, Alkohol- oder Drogenkonsum der Mutter in der Frühschwangerschaft oder eine Krankheit während dieser Zeit, zu starke körperliche Anstrengung oder auch seelischer Stress sowie ein Nährstoffmangel. Auch wenn der Körper vermehrt Strahlen (z. B. Radioaktivität, Röntgen) ausgesetzt ist, kommt es zu einer Vergrößerung des Risikos für eine Spaltbildung. Des Weiteren besteht höchstwahrscheinlich eine erbliche Komponente, die bei der Entwicklung einer solchen Spaltbildung eine Rolle spielt.
Der Spalt kann Oberlippe, Oberkiefer und Gaumen zusammen betreffen (Lippen-Kiefer-Gaumenspalte) oder nur Einzelbereiche, z. B. als reine Lippenspalte. Die Spaltbildung kann einseitig oder doppelseitig auftreten, nur das Gaumensegel kann nur einen mittigen Spalt aufweisen.
Durch die Lippen-Kiefer-Gaumenspalte kommt es zu Funktionseinschränkungen von Mund und Rachen, die meist umso ausgeprägter sind, je stärker die Fehlbildung ist und je mehr Bereiche betroffen sind. Wenn der Spalt nur wenige Abschnitte oder einen Teil durchzieht, ergeben sich weniger Beschwerden, die in der Regel dennoch behandlungsbedürftig sind. Die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme kann bei einer Spaltbildung deutlich erschwert oder unmöglich sein. Das Atmen kann unter anderem dadurch, dass die Zunge in den Spalt gerät, behindert werden. Auch kann es zu Sprechbehinderungen kommen, wobei häufig Laute wie „k“ oder „g“ nicht oder nur undeutlich ausgesprochen werden können. Durch die Spaltbildung wird die Entstehung von weiteren Erkrankungen gefördert, beispielsweise von Mittelohrentzündungen und Atemwegsinfektionen. Bei ausgeprägtem Spalt können Fehlstellungen von Zähnen vorkommen. Durch das auffällige Aussehen können sich psychische Probleme ergeben.
Die Diagnose kann teilweise bereits durch Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft am ungeborenen Kind erfolgen. Nachdem das Kind zur Welt gekommen ist, werden Gesicht, Mund, Gaumen und Rachen betrachtet. Weitergehende Untersuchungen müssen durchgeführt werden, um mögliche Folgeerkrankungen oder weitere Fehlbildungen feststellen zu können. Daher werden die Ohren (Mittelohr), die Zähne beziehungsweise Zahnstellung sowie später das Sprechen und die Stimmbildung untersucht. Sinnvoll sind auch weitere Untersuchungen durch andere Fachärzte, um Fehlentwicklungen in verschiedenen Körperbereichen auszuschließen.
Eine Spaltbildung im Gesicht beziehungsweise an Kiefer und Gaumen ist normalerweise eindeutig zu erkennen.
Ein operatives Vorgehen allein genügt nicht, um eine optimale Behandlung zu gewährleisten. Zur Therapie einer solchen Spaltbildung ist ein Zusammenwirken von Ärzten und Personal mehrerer Fachrichtungen notwendig, insbesondere aus der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, Kieferorthopädie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kinderheilkunde sowie der Logopädie (Sprachheilkunde).
Die Behandlungsmaßnahmen werden in eine Primär- und eine Sekundärbehandlung eingeteilt. Primärbehandlung bedeutet bei Lippen-Kiefer-Gaumenspalten ein Verschluss der Lücken sowie nichtoperative Maßnahmen, die der Förderung eines normalen Lebens dienen. Die Sekundärbehandlung beinhaltet dann alle Operationen, die darüber hinaus durchgeführt werden, wenn die Spaltbildung bereits zusammengefügt wurde.
Die ersten Behandlungsmaßnahmen finden im Rahmen der kieferorthopädischen Frühbehandlung statt. Kurze Zeit, nachdem das Kind zur Welt gekommen ist, wird eine spezielle kieferorthopädische Platte eingesetzt, mit der funktionell die Nasenhöhle vom Mundraum abgeteilt wird. Dadurch wird Trinken und eventuell auch Stillen ermöglicht. Die Platte bewirkt des Weiteren, dass sich die getrennten Anteile von Kiefer und Gaumen annähern, wodurch eine spätere Operation einfacher wird. Manchmal wird auch ein Gerät zum Verengen der Spaltbildung fest eingesetzt. Auch später muss eine regelmäßige Kontrolle und gegebenenfalls Behandlung durch die Kieferorthopädie erfolgen, da bei den Milchzähnen und auch beim bleibenden Gebiss Zahnfehlstellungen auftreten können.
Durch den Hals-Nasen-Ohren-Arzt wird gegebenenfalls Sekret über eine Drainage aus dem Mittelohr herausgeleitet.
Wichtig ist zusätzlich eine logopädische Behandlung, woran die Eltern beteiligt werden. Es beginnt im Säuglingsalter mit einem Training von Trinken, Kauen und Schlucken sowie der Mundatmung. In einem Alter von zwei bis drei Jahren wird die Aussprache kontrolliert und gegebenenfalls gebessert. Weiterhin wird das Schlucken geübt.
Im Übrigen ist in vielen Fällen eine psychologische Betreuung der Eltern und des Kindes sinnvoll.
Im Rahmen der Primärbehandlung wird ab dem 4. Lebensmonat eine Operation in Vollnarkose vorgenommen, um die geteilten Seiten des Gaumens, des Kiefers sowie der Lippe jeweils aneinanderzufügen. Dies sollte vor Vollendung des ersten Lebensjahres geschehen sein. Verschiedene Methoden stehen hierzu zur Verfügung, die je nach dem Befund gewählt werden. Die Seiten des Gaumens werden in Richtung Mitte gezogen und nach und nach zusammengenäht. Die Lippe wird ebenfalls vernäht. Manchmal empfiehlt es sich, die Lippe zunächst vorläufig zu klammern, um die Zugwirkung allmählich zu verringern, und in einem Folgeeingriff (nach etwa zwei Monaten) die Lippe zusammenzunähen.
Manchmal ist zur Ableitung von Sekret aus dem Mittelohr eine Operation zum Einlegen eines so genannten Paukenröhrchens durch den Hals-Nasen-Ohrenarzt notwendig. Dieses wird in einen kleinen Einschnitt des Trommelfells eingeführt und fällt in aller Regel nach spätestens einem halben Jahr von alleine wieder heraus.
Operationen, die zur Sekundärbehandlung der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte gehören, sind Korrektureingriffe von noch vorhandenen kosmetischen Auffälligkeiten und funktionell ungünstigen Verhältnissen. Ziel ist es, dies bis zum Schulalter durchgeführt zu haben. Falls erforderlich, werden Narben an der Lippe entfernt, die Nase korrigiert sowie restliche Öffnungen von Kiefer und Gaumen verschlossen. Manchmal empfiehlt sich zur Verbesserung der Sprache eine operative Verbindung zwischen Gaumensegel und dem hinteren Rachenbereich, um Mund und Nasen-Rachen-Raum funktionell voneinander zu trennen.
In manchen Fällen muss die jeweilige Operationsmethode abgeändert oder erweitert werden, z. B. auch beim Auftreten von Komplikationen. Auch können weitere Folgeoperationen notwendig werden.
Komplikationen im Rahmen von Behandlungen der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte ergeben sich vor allem durch Operationen.
Allgemein verschwinden dabei mäßige Beschwerden wie Schwellungen, Schmerzen, Gefühlsstörungen und Schluckbehinderungen meist nach ein paar Tagen wieder. Blutungen und Nachblutungen sind möglich. Infektionen, Wundheilungsstörungen und überschießende Narbenbildung können ebenfalls vorkommen. Allergische Reaktionen jeden Schweregrades sind nicht auszuschließen.
Je nach der Operation und dem Befund sind weitere spezielle Komplikationen möglich.
Hinweis: Dieser Abschnitt kann nur einen kurzen Abriss über die gängigsten Risiken, Nebenwirkungen und Komplikationen geben und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Das Gespräch mit dem Arzt kann hierdurch nicht ersetzt werden.
In aller Regel kann durch die Operationen in Kombination mit den anderen Behandlungen ein funktionell guter Zustand erreicht werden. Ein normales Sprechen und Schlucken und ein relativ unauffälliges Äußeres ist meist möglich. Auch die Ohrsekretion verschwindet meist. Die logopädische Behandlung ermöglicht meist ein gutes Sprechen, das im Alter von vier Jahren voll entwickelt ist.
Ein Beratungsgespräch in der Humangenetik ist in vielen Fällen sinnvoll, da auch eine erbliche Komponente bei den Spaltbildungen besteht.
Bei einer Operation in der Mundhöhle darf 4 Stunden vorher nichts mehr gegessen und 2 Stunden vorher nichts mehr getrunken werden. Die Zähne sollten vor dem Eingriff gewissenhaft geputzt werden.
Gerade bei kleinen Kindern ist oft das Fixieren der Arme notwendig, um den Operationserfolg nicht zu gefährden. Die Nahrungsaufnahme nach Operationen im Mund erfolgt bei ihnen meist erst durch Sondenkost. Erwachsene und größere Kinder können Wasser und Tee zu sich nehmen. Nach einer gewissen Zeit können dann zunächst weiche Speisen gegessen werden. Es sollte eine zu starke körperliche Betätigung gemieden werden. Ebenso sollte der Patient nur vorsichtig sprechen.
Termine für ärztliche Kontrollen sollten wahrgenommen werden.
Ergeben sich Beschwerden, die auf Komplikationen hindeuten, so sollte rasch der Arzt benachrichtigt werden.
Letzte Aktualisierung am 18.03.2022.