Bei Lichen sclerosus handelt es sich um eine chronische Erkrankung der Haut, die oft schubweise verläuft. Sie zeigt sich vermehrt im Genitalbereich, überwiegend bei erwachsenen Frauen. Ansteckend und auf andere Menschen übertragbar ist sie nicht. Die typischen Symptome sind Brennen und Juckreiz. Deshalb wird die Erkrankung bei Frauen oft für einen Scheidenpilz gehalten. Vor allem wenn sie unerkannt und unbehandelt bleibt, können sich unangenehme Verdickungen und Narben (Sklerosierungen) bilden. Auch eine Krebserkrankung oder Vorstufen davon sind als Folge möglich. Behandelt wird Lichen sclerosus normalerweise mit lokal aufgetragenen cortisonhaltigen Salben. In manchen Fällen wird auch eine Operation nötig.
Die Ursachen für das Auftreten dieser chronischen Hauterkrankung sind noch ungeklärt. Vermutet werden Autoimmunreaktionen. Dabei richtet sich das Immunsystem der Betroffenen gegen körpereigenes Gewebe, was zu Entzündungsreaktionen führt. Eine familiäre Häufung ist zu beobachten, so dass auch genetische Faktoren eine Rolle spielen können. Als mitauslösender Faktor wird Stress angenommen. In manchen Fällen liegen gleichzeitig andere Autoimmunerkrankungen oder Entzündungskrankheiten vor. Hierzu zählen
Die Erkrankung Lichen sclerosus tritt überwiegend bei erwachsenen Frauen auf, seltener bei Männern oder Kindern. Die hauptsächlich betroffene Region ist der Bereich der Genitalien und des Afters. Typische Symptome bei allen Betroffenen sind:
Weitere häufige Symptome bei Frauen sind:
Folgende zusätzliche Symptome bei Männern sind möglich:
Bei Kindern kommt es häufiger zu einer Depigmentierung (Bildung von großen weißen Stellen) der betroffenen Hautstellen.
In seltenen Fällen tritt Lichen sclerosus auch an anderen Körperstellen wie dem Rücken, den Schultern oder den Oberschenkelinnenseiten auf. In diesen Bereichen verursacht er außer den hellen Flecken oft keine Symptome. Außerdem besteht hier kein erhöhtes Risiko, dass sich der Lichen sclerosus zu einer Krebserkrankung weiter entwickelt.
Gerade bei Frauen wird die Diagnose oft erst verspätet gestellt, weil der Lichen sclerosus mit einer Scheideninfektion verwechselt wird. Generell kann die Diagnose durch eine gezielte Fragestellung zu den Symptomen (Anamnese) und mit dem bloßen Auge gestellt werden. Dafür ist es allerdings notwendig, dass der Arzt mit der Erkrankung vertraut ist. Er kann die typischen weißen Hautveränderungen in Kombination mit Juckreiz im After- und Genitalbereich gut zuordnen. Ist der Befund unklar, sollte zur eindeutigen Feststellung der Diagnose eine Hautbiopsie (Entnahme einer Gewebeprobe) durchgeführt werden. Wichtig ist dabei, dass eine weiße Hautveränderung ausgewählt wird, die noch nicht durch Risse oder Geschwüre verändert ist. Außerdem sollte die Gewebeentnahme vor dem Beginn der Therapie mit cortisonhaltigen Salben durchgeführt werden. Ob eine Biopsie zwingend erfolgen muss, um die Diagnose Lichen sclerosus sicher stellen zu können, ist noch umstritten.
Kompetente Ansprechpartner für die Erkrankung sind Hautarzt (Dermatologe), Frauenarzt (Gynäkologe) und Urologe (Facharzt für Erkrankungen der männlichen Geschlechtsorgane, der Nieren und der Harnwege).
Es gibt einige Erkrankungen, die ähnliche Symptome verursachen wie der Lichen sclerosus und die ausgeschlossen werden sollten. Hierzu zählen
Wichtig für eine erfolgreiche Therapie ist, dass die Diagnose möglichst früh gestellt wird. So können Vernarbungen, Verdickungen und dadurch verursachte schmerzhafte Verengungen von Körperöffnungen idealerweise vermieden werden.
Zur Linderung des Juckreizes und der Entzündungsprozesse werden hochwirksame (hochpotente) cortisonhaltige Salben verordnet. Diese werden nach Anweisung des Arztes auf die betroffenen Hautstellen aufgetragen, meist einmal täglich über einen Zeitraum von drei Monaten (sogenannte Schubtherapie). Hilft die äußere Anwendung mit Salben nicht zufriedenstellend, wird Cortison manchmal auch in die entsprechenden Hautpartien gespritzt. Im Anschluss an den akuten Schub und das Abklingen der Symptome ist es sinnvoll, die Therapie mit cortisonhaltigen Salben als sogenannte Erhaltungstherapie weiterzuführen. So kann weiteren Schüben oft vorgebeugt werden. Eine Anwendung zwei Mal wöchentlich reicht hier oft aus. In Studien zeigte sich, dass durch die Erhaltungstherapie anscheinend auch das Risiko für Hautkrebserkrankungen im betroffenen Bereich und für Krebserkrankungen der äußeren Geschlechtsorgane der Frau verringert werden kann.
Begleitend zur Cortisonsalben-Therapie wird empfohlen, die betroffene Haut täglich mit rückfettenden und pflegenden Cremes zu behandeln und bei der Intimhygiene auf reizende Seifen zu verzichten. Wasser reicht hier aus. Zum Abtrocknen sollte die Haut mit einem weichen Handtuch nur abgetupft werden. Auf enge Unterwäsche und Kleidung sollte zur Vermeidung von zusätzlicher Reizung durch Reibung verzichtet werden. Auch bestimmte Sportarten wie Reiten oder Fahrradfahren müssen eventuell ausgesetzt werden.
Sollten verschiedene Cortisonsalben nicht vertragen werden, kann auf sogenannte Calcineurin-Antagonisten ausgewichen werden. Hierzu zählen Tacrolimus und Pimecrolimus. Diese Mittel werden im sogenannten Off-Label-Use verordnet. Das bedeutet, dass sie nur zur Behandlung anderer Erkrankungen zugelassen wurden, sich aber auch bei Lichen sclerosus als wirksam erwiesen haben.
Eine Maßnahme zur Verbesserung der Dehnbarkeit der Haut bei Verengungen des Scheideneingangs sind Aufdehnungen mit entsprechenden Dilatatoren (medizinische Geräte zum Weiten von Körperöffnungen). Dabei ist es wichtig, begleitend rückfettende Präparate anzuwenden, um Risse in der Haut zu vermeiden. Viele betroffene Frauen können durch das Dehnen einen Zustand erreichen, in dem Geschlechtsverkehr wieder schmerzfrei und ohne Verletzungen der Haut möglich ist.
Unter Umständen kann ein vorsichtiges Dehnen der Vorhaut bei Männern ebenfalls zu Verbesserungen der Symptomatik führen.
Spezielle physiotherapeutische Maßnahmen zur Entspannung des Beckenbodens können bei schmerzhaften Muskelverspannungen lindernd wirken. Durch die Erkrankung kommt es häufig zu Tonuserhöhungen (vermehrten Muskelspannungen) im Beckenbodenbereich.
Da bei vielen Betroffenen ein hoher Leidensdruck durch die Erkrankung entsteht, kann bei manchen auch eine psychotherapeutische Begleitung oder die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe sinnvoll und hilfreich sein.
Um bösartige Veränderungen im Erkrankungsgebiet frühzeitig zu erkennen, werden regelmäßige Kontrolluntersuchungen im Abstand von sechs bis zwölf Monaten empfohlen.
Als neuere Verfahren, die noch nicht durch wissenschaftliche Studien belegt sind, aber sich als hilfreich erwiesen haben, werden in Einzelfällen Laser- und UV-Behandlungen angewendet.
Bei Frauen kann über eine Operation nachgedacht werden, wenn es durch die Vernarbungen und die Sklerosierungen zu Verklebungen der Klitoris oder der Schamlippen oder zu einer Verengung des Scheideneingangs gekommen ist. Diese können starke Beschwerden verursachen.
Bei Jungen und Männern kann die vollständige Entfernung der Vorhaut (Zirkumzision) ratsam sein, wenn sich die Cortisonbehandlung nicht als ausreichend wirksam erweist.
Ein effektives Vorbeugen der Erkrankung ist nicht möglich, da die Ursachen nicht bekannt sind. Eine gesunde Lebensführung mit wenig Stress, ausreichend Bewegung und einer ausgewogenen Ernährung trägt zur allgemeinen körperlichen und geistigen Gesundheit bei und kann somit auch krankheitsvorbeugend wirken.
Lichen sclerosus ist eine chronische Erkrankung und begleitet die meisten Betroffenen, vor allem Mädchen und Frauen, lebenslang. In Einzelfällen kann bei Mädchen ein spontaner Rückgang oder Stillstand (Spontanremission) der Erkrankung beobachtet werden. Häufig tritt die Erkrankung nach der Pubertät erneut auf.
Frühzeitig erkannt und behandelt, sind gute Ergebnisse bei Lichen sclerosus möglich. Der Juckreiz, das Brennen und die Entzündungszeichen können mit Hilfe des Cortisons meist gut behandelt werden. Auch eine Narbenbildung kann dadurch oft reduziert oder vermieden werden. Schon entstandene Narben bilden sich allerdings nicht wieder zurück. Durch eine konsequente Therapie lässt sich auch das Krebsrisiko senken.
Bei Männern kann eine dreimonatige Cortisonbehandlung mit oder ohne Zirkumzision (Entfernung der Vorhaut) häufig zu einem dauerhaften Stillstand der Erkrankung führen.
Lichen sclerosus wirkt sich bei vielen Betroffenen stark auf die Psyche und die Lebensqualität aus. Die Symptome wie Jucken und Brennen im Intimbereich sind belastend. Schamgefühle, Beeinträchtigungen beim Wasserlassen oder beim Geschlechtsverkehr können sich negativ auf das seelische Befinden und auf soziale und partnerschaftliche Beziehungen auswirken. Auf bestimmte Sportarten wie Fahrradfahren oder Reiten muss aufgrund der Reizung des betroffenen Körperbereiches oft verzichtet werden. Manche Betroffene entwickeln Ängste vor einer Krebserkrankung als Folge des Lichen sclerosus. Dies kann ebenfalls sehr belastend für die Person selbst und ihr soziales Umfeld sein.
Kantonspital Winterthur – Lichen sclerosus bei der Frau: https://www.ksw.ch/gesundheitsthemen/haut/lichen-sclerosus-bei-der-frau/ (online, letzter Abruf: 13.09.2022)
Frauenärzte im Netz – Lichen sclerosus - Eine chronische Hauterkrankung im Genitalbereich: https://www.frauenaerzte-im-netz.de/aktuelles/meldung/lichen-sclerosus-eine-chronische-hauterkrankung-im-genitalbereich/ (online, letzter Abruf: 13.09.2022)
Deutsches Ärzteblatt, Gudula Kirtschig – Lichen sclerosus - Beratungsanlass, Diagnose und therapeutisches Procedere: https://www.aerzteblatt.de/archiv/178786/Lichen-sclerosus-Beratungsanlass-Diagnose-und-therapeutisches-Procedere (online, letzter Abruf: 13.09.2022)
AWMF online, Gudula Kirtschig – Lichen sclerosus: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/anmeldung/1/ll/013-105.html (online, letzter Abruf: 13.09.2022)
Verein Lichen Sclerosus – Lichen sclerosus - was ist das?: https://www.lichensclerosus.ch/de/was_ist_lichen_sclerosus_(ls) (online, letzter Abruf: 13.09.2022)
aktualisiert am 17.10.2022