Der Leistenkanal ist eine Öffnung zwischen der Bauchmuskulatur und dem Leistenband. Bei Jungen verläuft der Samenstrang mit den Hodengefäßen, bei Mädchen ein Aufhängeband für die Gebärmutter durch den Leistenkanal. Leistenbruch, Hodenbruch und kindlicher Wasserbruch sind allesamt Brüche (Hernien), bei denen Inhalt aus dem Bauchraum in den Leistenkanal (als Bruchpforte) und manchmal noch weiter bis in den Hodensack gerät.
Leistenbrüche im Kindesalter sind in aller Regel angeboren. Der Leistenkanal ist von innen mit Bauchfell (Peritoneum) ausgekleidet, der inneren glatten Haut, die sich im Bauchraum um die Organe herum und innerhalb der Bauchwand befindet.
Die Ausstülpung, die bis um den Hoden herum verläuft, heißt Processus vaginalis und verschließt sich normalerweise in der kindlichen Entwicklung von selbst.
Bei einem Bruch verlagert sich jedoch Bauchinhalt in den Leistenkanal hinein, weil die Öffnung sich nicht ordnungsgemäß zugesetzt hat oder wieder aufgegangen ist. Die Ausstülpung von Bauchfell wird allgemein als Bruchsack bezeichnet.
Bei einem Leistenbruch beim Kind geraten Bauchorgane in den Leistenkanal. Dies kann beispielsweise Darmbereiche oder auch den Eierstock betreffen. Geht der Bruch bis in den Hodensack hinein, so wird dies als Hodenbruch (Skrotalhernie) bezeichnet. Bei Mädchen kann sich der Bruch bis innerhalb der großen Schamlippe ausbilden.
Falls in den Bruchsack lediglich Flüssigkeit aus dem Bauchraum, aber keine Organe hineingeraten, wird dies als Wasserbruch (Hydrozele) bezeichnet. Dieser kann Samenstrang und Hoden betreffen und sich kammerartig stark erweitern. Eine nur in wenigen Fällen vorkommende Sonderform ist ein Wasserbruch bei Mädchen, der zwischen der Leistengegend und der großen Schamlippe zu ertasten ist und Nuck'sche Zyste genannt wird.
Alle diese Brüche können ein- oder beidseitig bestehen. Bei Jungen kann zusätzlich ein Hodenhochstand vorliegen, bei dem der Leistenbruch den normalen allmählichen Hodenabstieg aus dem Bauchraum in Richtung Hodensack behindert.
Leisten- und Hodenbrüche entwickeln sich besonders häufig innerhalb eines Jahres nach Geburt. Eine Verdickung im Leisten- oder Hodensack besteht meistens. Oftmals sind die Brüche schmerzhaft und bedingen ein störendes Gefühl, sie können aber auch symptomlos bleiben.
Wird die jeweilige Hernie nicht behandelt, so setzt sich die Bruchpforte normalerweise nicht wieder von alleine zu, sondern bleibt offen und kann sogar nach und nach noch weiter werden.
Durch den Bruch können Eingeweide, z. B. Darm, eingeklemmt werden. Ein Darmverschluss (Ileus) kann sich ergeben. Ebenfalls kann es zur Mangeldurchblutung kommen. Bei beiden Geschehnissen kann der Darm undicht werden (Perforation), und es kann zu einer lebensgefährlichen Bauchfellentzündung kommen. Auch der Hoden kann unter anderem durch Blutflussbehinderung geschädigt werden und sich zurückbilden (Atrophie). Eine spätere Unfruchtbarkeit des Mannes ist möglich. Bei Mädchen können sich Schäden am Eierstock entwickeln.
Die Diagnose wird meist durch die Schilderung der Eltern oder auch des Kindes (Anamnese) sowie durch den Anblick gestellt. Bei der Bauchpresse und beim Husten lässt sich unter anderem auch beim Abtasten mit dem Finger feststellen, dass die Schwellung sich verstärkt.
Die verschiedenen Bruchformen müssen voneinander unterschieden werden. Des Weiteren können manchmal Tumoren oder auch Lymphknotenschwellungen ähnliche Vorwölbungen an den jeweiligen Stellen bewirken.
Liegt lediglich ein Wasserbruch vor, so ist zumindest im ersten Jahr nach der Geburt kein Eingriff notwendig, es sei denn, die Verdickung ist so massiv, dass andere Strukturen wie beispielsweise der Hoden geschädigt werden können, Beschwerden bestehen oder ein „echter“ Leistenbruch mit Einklemmung nicht auszuschließen ist. Das Anstechen (Punktion) und Abziehen der Flüssigkeit ist nicht von dauerhaftem Erfolg, da bald weiteres Wasser in den Bruch hineinströmen kann. Ebenfalls können Infektionen und Verletzungen (z. B. des Samenstrangs) hervorgerufen werden.
Eine dauerhafte Beseitigung der Brüche ist lediglich durch eine Operation möglich. Daher ist ein baldiger Eingriff (außer manchmal beim Wasserbruch) bei den genannten Formen immer angezeigt, um ernste Folgen zu verhindern. Eine ambulante Operation ist möglich, wenn keine größeren Risiken vorhanden sind. Bei Brucheinklemmungen muss eine sofortige Notfalloperation erfolgen, damit es zu keinen weiteren Schäden an den Organen kommt.
Die Operation erfolgt oft in Vollnarkose, kann aber auch in Regionalanästhesie vorgenommen werden, bei der ein größerer Körperbereich betäubt wird.
Bei einem Leistenbruch oder einem Hodenbruch, der eigentlich eine Sonderform des Leistenbruches darstellt, wird die Haut an der Leiste aufgeschnitten und ein Zugang zum Leistenkanal geschaffen. Die dort eingestülpten Organe werden wieder in die Bauchhöhle befördert.
Bei männlichen Patienten wird der Bruchsack vom Samenstrang abgetrennt, in Bauchraumnähe auseinandergeschnitten oder komplett entfernt. Daraufhin wird der Bruchsack wieder zusammengenäht. Der Leistenkanal selbst wird lediglich so zusammengenäht, dass keine Einengung des Samenstrangs besteht.
Bei Mädchen kann der Leistenkanal komplett zugenäht werden. Das darin verlaufende Band zur Aufhängung der Gebärmutter wird fixiert.
Bei einem Hodenhochstand, der zusätzlich zum Leistenbruch besteht, wird, nach Durchführung ähnlicher Maßnahmen wie bei der Leistenbruchoperation, der Hoden nach unten in den Hodensack gezogen. Der Hoden wird dort angenäht, meist muss dafür ein weiterer Einschnitt am Hodensack vorgenommen werden. Falls der Samenstrang nicht lang genug ist, muss eine spätere Zweitoperation erfolgen.
Besteht ein eingeklemmter Leistenbruch, muss oftmals neben dem Leistenschnitt ein Bauchschnitt erfolgen. Bei bereits fortgeschrittenen Schäden eines Darmanteils muss dieser herausgeschnitten werden und der Darm an den Endstücken wieder zusammengenäht werden.
Ein Wasserbruch (Hydrozele) wird ebenso durch Durchtrennung des „Bruchsackes“ zwischen Bruchkammer und Bauchraum behandelt. Die Verbindung wird zugenäht. Bei erwachsenen Patienten kann die Operation nur über einen Einschnitt des Hodensackes erfolgen, bei Kindern ist dies jedoch nicht möglich.
Bestimmte Gegebenheiten, Probleme oder Komplikationen können es erforderlich machen, das Operationsverfahren zu verändern.
Kinder mit starker Blutarmut (Anämie) sollten vor dem Eingriff eine Bluttransfusion bekommen, um das erhöhte Operationsrisiko abzumildern.
Es besteht die Möglichkeit, dass Organe in der Nähe des Operationsbereiches in Mitleidenschaft gezogen werden. Dies gilt besonders dann, wenn sie durch die Bruchpforte vorgefallen sind. Im schlimmsten Fall wird der Darm verletzt, wodurch Darminhalt durch die Öffnung in die Bauchhöhle treten und eine lebensbedrohliche Bauchfellentzündung hervorrufen kann. Bei männlichen Patienten kann zusätzlich der Hoden in Mitleidenschaft gezogen werden.
Wird die Bruchpforte zu eng gezogen, werden möglicherweise Blutgefäße unterbunden, die den Hoden versorgen, und dieser kann geschädigt werden. Bei beidseitigen Hodenschäden kann eine Unfruchtbarkeit bestehen. Der Hoden verschiebt sich manchmal nach der Operation in Richtung Leistenkanal (sekundärer Hodenhochstand).
Des Weiteren kann es durch die Operation zu Blutungen, Nachblutungen, Infektionen, Wundheilungsstörungen und überschießender Narbenbildung mit funktionellen und ästhetischen Nachteilen kommen. Nervenverletzungen können ein meist vorübergehendes, selten auch dauerhaftes Taubheitsgefühl bedingen. Blutergüsse verschwinden ebenfalls meist nach einigen Wochen. Schmerzen können auftreten. Allergische Reaktionen unterschiedlichen Schweregrades sind möglich. Später kann ein erneuter Leistenbruch auftreten (Rezidiv).
Hinweis: Dieser Abschnitt kann nur einen kurzen Abriss über die gängigsten Risiken, Nebenwirkungen und Komplikationen geben und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Das Gespräch mit dem Arzt kann hierdurch nicht ersetzt werden.
In der Regel gelingt die Operation gut, und in vielen Fällen kommt es zur dauerhaften Unterbindung des Bruches. Allerdings besteht immer die Gefahr eines Wiederauftretens (Rezidiv), insbesondere nach einer Notoperation.
Gegebenheiten, die ein Operationsrisiko darstellen können, müssen dem Arzt bekanntgegeben werden. Dazu können unter anderem Geburtsprobleme, Allergien, Fehlbildungen z, B. des Herzens, verstärktes Bluten, aber auch kurz zuvor bestehende Infektionen gehören.
Gegebenenfalls müssen auch gerinnungshemmende Medikamente wie Aspirin® oder Marcumar® abgesetzt werden. Dies erfolgt in Absprache mit dem Arzt.
Falls die Operation unter ambulanten Bedingungen stattfindet, darf der Patient beziehungsweise das Kind für 24 Stunden nicht selbst im Straßenverkehr aktiv sein.
Die Klammern- oder Fadenentfernung erfolgt nach ungefähr acht Tagen. Daraufhin darf der Patient wieder duschen.
In der ersten Zeit nach der Operation sollte auf eine körperliche Schonung geachtet werden. Sport sollte beispielsweise erst wieder nach sechs Wochen ausgeübt werden. Das operierte Kind kann nach zwei Wochen wieder in den Kindergarten oder in die Schule gehen. Das dortige Personal sollte über die zurückliegende Operation informiert werden.
Bei auftretenden Problemen, die auf eine Komplikation hinweisen könnten, sollte in kurzer Zeit der Arzt benachrichtigt werden.
aktualisiert am 16.11.2023