Prof. Lange: Eine Lebertransplantation ist immer dann notwendig, wenn eine schwere, irreversible Lebererkrankung vorliegt, die entweder lebensbedrohlich ist oder die zu einer hochgradigen Einschränkung der Lebensqualität führt (letzteres kommt selten als alleiniges Kriterium vor) und die erfolgreich mit einer Lebertransplantation behandelt werden kann. Der Nutzen einer Lebertransplantation muss hierbei die Risiken der Transplantation überwiegen.
Prof. Lange: Eine Lebertransplantation ist immer dann nicht möglich, wenn Umstände vorliegen, die zu einem besonders hohen Operationsrisiko führen oder die die längerfristigen Erfolgsaussichten der Lebertransplantation gefährden. Hierfür gibt es viele Gründe. Beispielsweise ist eine Lebertransplantation im Falle eines Leberkrebses (Hepatozelluläres Karzinom), bei dem es bereits zu Absiedelungen außerhalb der Leber (Metastasen) gekommen ist, nicht sinnvoll, weil das Tumorleiden nicht durch die Transplantation geheilt werden kann. Ein anderes Beispiel sind unkontrollierte Infektionserkrankungen, die im Falle einer notwendigen Immunsuppression nach Lebertransplantation nicht ausheilen können. Weiterhin können auch anatomische Befunde vorliegen, die die Operation technisch unmöglich machen.
Prof. Lange: Ein essentielles (wenn auch nicht absolutes) Kriterium ist die sogenannte Blutgruppenkompatibilität, also die Übereinstimmung wichtiger Merkmale des Empfänger- und Spenderblutes, die auch eine Bluttransfusion ermöglichen würden. Wenn keine Blutgruppenkompatibilität gegeben ist, steigt das Abstoßungsrisiko nach Lebertransplantation stark an. Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die Größe des Organs, die meist von der Größe und dem Gewicht des Spenders abhängt – eine sehr große Leber findet beispielsweise in einem kleineren Patienten keinen ausreichenden Platz, um risikoarm transplantiert werden zu können. Schließlich können Spenderorgane sich in ihrer Qualität unterscheiden. Faktoren, die zu einer eingeschränkten Organqualität führen können, sind beispielsweise eine starke Verfettung der Leber oder ein sehr hohes Alter der Spender. Nach Möglichkeit würde man z.B. vermeiden, eine solche Leber einem kindlichen Empfänger zu transplantieren.
Ein essentielles (...) Kriterium ist die sogenannte Blutgruppenkompatibilität, also die Übereinstimmung wichtiger Merkmale des Empfänger- und Spenderblutes...
Prof. Lange: Nach Entnahme der Leber wird die Leber konserviert (durch Spülung mit bestimmten Lösungen und durch Kühlung) und in die Klinik, in der die Organtransplantation stattfindet, transportiert. Dort wird die Leber präpariert, das heißt chirurgisch-anatomisch für die Implantation in den Empfänger vorbereitet. Gleichzeitig oder parallel hierzu wird dem Empfänger die kranke Leber entfernt und anschließend die Spenderleber - in der Regel an gleicher Stelle - eingesetzt. Hierbei müssen verschiedene Blutgefäße (Leberarterie, Pfortader, Lebervenen) und die Gallengänge von Spender und Empfänger miteinander vernäht werden. Manchmal wird die Spenderleber auch geteilt und kann auf zwei Spender aufgeteilt werden, z.B. wenn es sich bei einem der Empfänger um ein Kind handelt. Eine Lebertransplantation dauert in der Regel 4-5 Stunden, bei technisch schwierigen Fällen länger.
Prof. Lange: Unmittelbar nach einer Lebertransplantation kann es zu sogenannten chirurgischen Komplikationen wie Blutungen oder Wundinfektionen kommen. Gelegentlich können solche Komplikationen tödlich verlaufen, weswegen eine Lebertransplantation nur für Patienten in Betracht kommt, die ohne Transplantation ein relevantes Risiko hätten zu versterben (oder eine sehr schlechte Lebensqualität haben). Nach Abheilung der Wunden stehen Komplikationen durch die Immunsuppressiva im Vordergrund. Die Einnahme von Immunsuppressive erhöht das Risiko von Infektionen sowie langfristig gesehen auch Krebserkrankungen und Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder Bluthochdruck. Da bei den meisten Patienten nach Lebertransplantation zumindest im mittel- bis langfristigen Verlauf relativ niedrige Dosierungen der Immunsuppressiva ausreichen, sind diese Risiken letztlich gut vertretbar.
Prof. Lange: In den ersten Tagen nach einer Lebertransplantation ist ein Aufenthalt auf einer Intensivstation erforderlich, da die Operation eine große Belastung darstellt. Bei komplikationslosem Verlauf können die Patienten innerhalb von 2-3 Wochen nach der Transplantation aus dem Krankenhaus entlassen werden. Im Anschluss ist eine Rehabilitation sinnvoll. In der ersten Phase nach Lebertransplantation werden relativ viele Medikamente und häufige ärztliche Kontrollen benötigt, dies kann aber bereits nach wenigen Monaten in vielen Fällen erheblich vereinfacht werden. Immunsuppressiva müssen aber (in aller Regel) lebenslang eingenommen werden. In der Regel haben Patienten nach einer Lebertransplantation eine sehr gute Lebensqualität.
Bei komplikationslosem Verlauf können die Patienten innerhalb von 2-3 Wochen nach der Transplantation aus dem Krankenhaus entlassen werden.
Prof. Lange: Da die Leber ein hohes Regenerationspotenzial aufweist und sich Leberzellen gut erneuern können, gibt es da keine Obergrenze. Viele Patienten leben jahrzehntelang sehr gut mit ihrer transplantierten Leber. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigten auch, dass die transplantierte Leber im Laufe der Zeit mit körpereigenen Zellen besiedelt wird und sich in gewisser Weise wieder an den Körper des Empfängers angleicht. Das mag eine Rolle bei der relativ geringen Rate an Abstoßungen im langfristigen Verlauf spielen.
Prof. Lange: Gerade in den ersten Monaten nach einer Lebertransplantation ist das Risiko einer sogenannten akuten Abstoßung der Leber relativ hoch. De facto erleiden viele Patienten in der frühen Phase eine Abstoßung. Wichtig ist jedoch zu wissen, dass es heutzutage sehr gute Behandlungsmöglichkeiten der akuten Abstoßung gibt, sodass die Abstoßung in fast allen Fällen folgenlos abheilt. Insofern hat die Abstoßung zumindest bei der Lebertransplantation ihren Schrecken verloren. Wichtig ist jedoch, die Abstoßung rechtzeitig zu erkennen. Da Abstoßungen wenige bis keine Symptome verursachen, sind regelmäßige Kontrollen der Leberwerte erforderlich.
Prof. Lange: Wichtig ist die Einnahme der immunsuppressiven Medikamente und regelmäßige Kontrollen der Leberwerte sowie der Blutspiegel dieser Medikamente, um Abstoßungen, aber auch eine Übertherapie mit diesen Medikamenten zu vermeiden. Wichtig ist natürlich auch eine gesunde Lebensweise inklusive einer gesunden Ernährung, was den vollständigen Verzicht auf Alkohol beinhaltet. Gerade am Anfang nach einer Lebertransplantation sollten Infektionsrisiken minimiert werden (z.B. meiden bzw. Maskentragen in öffentlichen Verkehrsmitteln, ggf. meiden bestimmter Tätigkeiten oder bestimmter Haustiere). Insgesamt können die meisten Patienten nach einer Lebertransplantation, die die erste Phase nach der Transplantation überstanden haben, ein weitgehend normales und unbeschwertes Leben führen!
Gerade am Anfang nach einer Lebertransplantation sollten Infektionsrisiken minimiert werden...
Prof. Lange: Das ist sehr unterschiedlich. Wichtig für das Verständnis ist die Tatsache, dass Spenderlebern nicht nach der Dauer der Wartezeit sondern nach der Dringlichkeit der Transplantation als lebensrettende Maßnahme zugeteilt werden. Es gibt also Fälle, vor allem beim sogenannte akuten Leberversagen, bei denen betroffene Patienten einen sogenannten „high urgency status“ auf der Warteliste zuerkannt bekommen und nur wenige Stunden bis Tage auf ein Organangebot warten müssen.
Ohne die Transplantation würde das Krankheitsbild in diesen Fällen innerhalb kurzer Zeit zum Tode führen. Umgekehrt müssen Patienten mit noch relativ guter Leberfunktion oft relativ lange (teils deutlich länger als 1 Jahr) auf eine Lebertransplantation warten. Für die meisten Lebererkrankungen kommt der sogenannte MELD-Score, der aus wichtigen Laborparametern besteht, zur Beurteilung der Dringlichkeit und Position auf der Warteliste zum Einsatz. Leider kann aufgrund des Mangels an Spenderlebern nicht immer rechtzeitig eine Lebertransplantation erfolgen, sodass nach wie vor etliche (auch junge) Patienten auf der Warteliste zur Transplantation versterben.
Prof. Lange: Ein Teil der Patienten mit schwersten Verläufen (z.B. beim akuten Leberversagen) müssen die Zeit bis zur Organtransplantation im Krankenhaus verbringen, da eine kontinuierliche stationäre Therapie erforderlich ist. Die meisten Patienten können die Zeit zu Hause überbrücken, oft unterbrochen von Krankenhausaufenthalten zur Behandlung akuter Probleme der Lebererkrankung. Insbesondere bei längeren Wartezeiten sind eine gute Ernährungs- und Bewegungstherapie wichtig, um den Abbau der Muskulatur, der durch chronische Lebererkrankungen verursacht wird, möglichst zu stoppen und einen möglichst guten körperlichen Zustand bis zum Zeitpunkt der Transplantation zu erhalten.
Wichtig ist auch eine schnelle Bekämpfung von Infektionen, da diese bei chronischen Lebererkrankungen häufig und oft lebensgefährlich sind. Für manche Patienten kommt überbrückend (oder als Alternative zur Transplantation) auch ein sogenannter TIPS (Transjugulärer Intrahepatischer Portosystemischer Shunt) in Betracht, der einen Teil der Komplikationen einer Leberzirrhose (insbesondere Bauchwasser oder Bildung von Krampfadern in der Speiseröhre) oft gut behandeln kann. Eine weitere Option, die für manchen Patienten realisiert werden kann, ist die Leberlebendspende, bei der ein Teil einer Leber eines gesunden Spenders transplantiert wird.
Insbesondere bei längeren Wartezeiten sind eine gute Ernährungs- und Bewegungstherapie wichtig...
Prof. Lange: Insgesamt sind die chirurgischen, anästhesiologischen und intensivmedizinischen Techniken und Verfahren in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert worden, sodass die Lebertransplantation in gewisser Weise zu einem Standardverfahren geworden ist. Der medizinische Fortschritt ermöglicht heutzutage beispielsweise auch in ausgewählten Fällen die Transplantation von Spenderorganen, die mit Hepatitisviren (Hepatitis B oder C) infiziert sind, da diese nach Transplantation gut behandelt werden können. Ein weiterer erheblicher, aktueller Fortschritt liegt in der Einführung der sogenannten Maschinenperfusion als Verfahren zur Konservierung der Spenderorgane. Hierbei werden die Spenderlebern nicht mehr einfach „auf Eis“ gekühlt, sondern an einen maschinellen Kreislauf angeschlossen und mit bestimmten Nährlösungen (oder Blut) durchspült, wodurch die Qualität der Spenderorgane verbessert und das Risiko von bestimmten Komplikationen reduziert werden kann.
Prof. Lange: Die oben erwähnte Maschinenperfusion bietet erstmals die Chance, Spenderlebern außerhalb des Körpers an einem künstlichen Kreislauf mit Medikamenten und anderen Wirkstoffen zu behandeln. Dies könnte dazu führen, dass Spenderlebern mit bestimmten Defekten, wie beispielsweise einer Leberverfettung oder einer Infektion mit bestimmten Viren, am Maschinenkreislauf behandelt und die Defekte korrigiert werden könnten. Dies könnte zu einer größeren Verfügbarkeit von Spenderorganen führen, da ein Teil der Spenderorgane aufgrund von qualitativen Einschränkungen derzeit gar nicht transplantiert werden kann. An diesen Verfahren wird derzeit – auch von uns in Großhadern – intensiv geforscht und wir erhoffen und große Fortschritte für die Organtransplantation in den kommenden Jahren.
Vielen Dank für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 18.01.2024.