Prof. Croner: Man muss zwischen erblichen Formen und sporadischen Formen unterscheiden. Bei den erblichen Formen liegen vererbte Genveränderungen vor, welche die Wahrscheinlichkeit erhöht, an einem Dickdarmkrebs zu erkranken. Beispiele sind hierfür die familiäre andemomatöse Polyposis (FAP) oder das hereditäre nicht polypöse kolorektale Karzinom (HNPCC, Lynch Syndrom). Bei den sporadischen Formen sind es meist Umweltfaktoren, welche die Entstehung eines Dickdarmkrebses begünstigen. Hierzu gehören Bewegungsmangel oder die Fettleibigkeit. Auch Ernährungsgewohnheiten wie ein hoher Fleischanteil und wenig Ballaststoffe scheinen eine Rolle zu spielen.
Prof. Croner: Das häufigste Alarmsignal ist Blut im Stuhl. Sollte man dies bemerken ist ein Besuch beim Arzt angezeigt. Auch Stuhlunregelmäßigkeiten wie ein Wechsel zwischen festem Stuhl und Durchfall sowie Blähungen können als Symptome auftreten. Daneben gibt es noch allgemeine Symptome wie Gewichtsverlust und Nachtschweiß, welche auf eine Tumorerkrankung hinweisen können.
Das häufigste Alarmsignal ist Blut im Stuhl.
Prof. Croner: Aus chirurgischer Sicht ist die gute Nachricht, dass frühe Stadien von Darmkrebs durch eine Operation heilbar sind. Dem Operateur kommt dabei eine entscheidende Rolle zu, da er prognoserelevant für den Verlauf der Erkrankung ist, d.h. die Art und die Technik wie er operiert haben einen Einfluss auf den Fortgang der Erkrankung. Bei Dickdarmkarzinomen hat sich dabei die Technik der Complete Mesocolic Excision (CME) als besonders effizient erwiesen. Wann immer möglich sollte minimal invasiv operiert werden, da hierdurch die Komplikationsraten reduziert werden, der Kostaufbau und die Mobilisierung für den Patienten beschleunigt werden, was die Dauer des Krankenhausaufenthalts reduziert. In fortgeschrittenen Stadien mit Lymphknotenmetastasierung oder bei besonders risikobehafteten Fällen sollte die Operation durch eine Chemotherapie flankiert werden. In Abhängigkeit von der molekularen Konstellation des Tumors stehen hier unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung. Beim gleichzeitigen Vorliegen von Leber oder Lungenmetastasen muss das Vorgehen individuell entschieden werden. Prinzipiell sollte die Therapie immer in einem interdisziplinären Tumorboard festgelegt werden, in welchem Experten unterschiedlicher Disziplinen beteiligt sind und dabei die Therapieabfolge mit der besten Erfolgsaussicht festlegen. In zertifizierten Darmkrebszentren der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) ist dies gewährleistet.
Prof. Croner: Etwa ein Drittel der Patienten hat zum Zeitpunkt der Diagnose des Primärtumors im Darm bereits Lebermetastasen. Wieso hierbei vor allem die Leber betroffen ist, ist gegenwärtig Gegenstand aktueller Forschung. Das gesamte Blut aus dem Darm wird ja über die Pfortader über die Leber in das Herz drainiert. Man nimmt an, dass eine spezielle Gestaltung der Oberflächenmoleküle an den Tumorzellen, welche auf diesem Weg die Leber passieren können, zu einer Ansiedelung und damit Metastasierung in der Leber führt. Letztendlich geklärt ist dies aber bisher nicht.
Etwa ein Drittel der Patienten hat zum Zeitpunkt der Diagnose des Primärtumors im Darm bereits Lebermetastasen.
Prof. Croner: Die Operation ist die effizienteste Behandlung von Lebermetastasen und optimiert die Prognose der Patienten. Sie ist nach allem was wir heute wissen, die effektivste Therapie, um Lebermetastasen zu behandeln. Es ist unbedingt erforderlich, dass ein in der Leberchirurgie erfahrener Chirurg die operative Entfernbarkeit (Resektabilität) von Lebermetastasen beurteilt. Nur dieser kann definieren, ob eine technische Resektabilität gewährleistet ist. Dies ist abhängig von der Lage der Lebermetastasen innerhalb der Leber. Dabei spielt die Lagebeziehung zu den Blutgefäßen und Gallengängen eine besondere Rolle, da hierdurch die Menge an Lebergewebe bestimmt wird, welches entfernt werden muss. Es kann dabei nicht bei jedem Patienten gleich viel Lebergewebe entfernt werden. Dies hängt ab von der Leberfunktion. Hat die Leber Vorerkrankungen, wie Fibrose, Fettleber oder Leberzirrhose durch gewisse Lebensumstände oder ist die Leber durch eine Chemotherapie bereits in Mitleidenschaft gezogen, kann weniger Lebergewebe, als bei einer gesunden Leber entfernt werden. Darüber hinaus muss der generelle Gesundheitszustand des Patienten und die Nebenerkrankungen berücksichtigt werden. Leberoperationen sind oft große Eingriffe. Der Chirurg muss bei jedem Patienten individuelle entscheiden, ob ein Patient in der Lage ist, diese Operation gut zu überstehen. Hier hat sich allerdings auch bei den operativen Techniken vieles Entwickelt, was das operative Risiko reduziert.
Prof. Croner: Die Behandlung von Lebermetastasen ist individueller und effizienter geworden. Über molekulare Analysen des Tumorgewebes können sehr gut wirksame medikamentöse (Antikörper, Chemotherapien) Therapien definiert werden, welche zum Schrumpfen der Lebermetastasen führen können. Teilweise sind diese auch dann in der Kontrollbildgebung (CT, MRT) nicht mehr sichtbar. Auch können Lebermetastasen, wenn sie nicht chirurgisch entfernbar sind, mittels sogenannter interventioneller Verfahren verödet werden. Dies geschieht meist unter radiologischer Kontrolle. Dabei werden die Metastasen nach lokaler Betäubung der Haut unter Röntgenkontrolle (meist CT) mit einer Nadel punktiert und dann durch Hitze, Mikrowelle, Laser oder Kälte verödet. Auch eine lokale Bestrahlung (Brachytherapy) kann hier durchgeführt werden. Durch eine sehr präzise Bildgebung können die Nadeln in den Lebermetastasen sehr genau platziert werden. Eine Operation sollte immer bevorzugt werden, wenn Lebermetastasen operativ entfernt werden können, da hierdurch nach heutigem Kenntnisstand die Prognose der Patienten am optimalsten gestaltet werden kann. Auch die Chirurgie hat sich technisch sehr verändert. Wir können heute Lebermetastasen aus allen Teilen der Leber entfernen. Auch ist ein Gefäßersatz innerhalb der Leber oder an den die Leber umgebenden Blutgefäßen durch Spezialisten möglich. Durch spezifische Maßnahmen kann das zu verbleibende Restgewebe der Leber vor einer Operation zum Wachstum angeregt werden, was die Entfernung von größeren Teilbereichen der Leber ermöglicht. Aus Operationen mit offenem Bauchschnitt sind minimal invasive Operationen mittels Schlüssellochtechnik geworden. Über einen intraoperativen Ultraschall können dabei die Lebermetastasen sehr genau dargestellt werden. Auch werden fluoreszierende Farbstoffe verwendet (Indocyaningrün) über welche sich die Lebermetastasen intraoperativ gut darstellen lassen. Dies erhöht die Präzision und kann zur Detektion von Metastasen führen, welche in der präoperativen Bildgebung aufgrund der Größe nicht darstellbar waren. Diese können dann währen der Operation meist mit entfernt werden.
Prof. Croner: Die Prognose von Patienten mit Lebermetastasen hat sich aufgrund der zielgerichteten, individuellen medikamentösen Therapie, der Präzision von Interventionen und den neuen Techniken von Operationen deutlich verbessert. Liegt das 5-Jahres Überleben bei unbehandelten Lebermetastasen <5%, kann es bis über 50% bei einer optimalen interdisziplinären Behandlung gesteigert werden. Wichtig ist dabei die interdisziplinäre, situationsadaptierte Therapie. Diese wird von einem interdisziplinären Gremium von Spezialisten (Tumorboard) festgelegt. Wie bereits erwähnt sind solche Tumorboards ein essentieller Bestandteil von DKG zertifizierten Darmkrebszentren.
Prof. Croner: Entscheidend sind immer die Fragen, ob Lebermetastasen technisch resektabel sind, ob eine funktionelle Resektabilität vorliegt und ob die Schwere der Operation aufgrund der Vor- und Nebenerkrankungen des Patienten von diesem toleriert werden kann. Ein in der Leberchirurgie versierter Chirurg hat heute kaum technische Limitationen. Je nach Expertise können viele Eingriffe dabei auch minimal invasiv ausgeführt werden. Die funktionelle Resektablilität hängt von der Ausgangssituation der Leber ab. Die Leber ist ein sehr regenerationsfähiges Organ. Daher können von einer gesunden Leber im Rahmen einer Operation bis zu 70% entfernt werden. Entscheiden dabei ist, dass die Leberfunktion nach einer Operation ausreicht, um das Überleben des Körpers zu ermöglichen. Droht ein Leberfunktionsverlust, ist dies aufgrund der vielfältigen Funktionen der Leber mit dem Leben nicht vereinbar. Daher können bei Vorerkrankungen der Leber, z.B. Fibrose, Leberverfettung oder Leberzirrhose, welche bereits zu einem Teilfunktionsverlust der Leber geführt haben, nur weniger Lebergewebe entfernt werden, als bei einer gesunden Leber. Wieviel Lebergewebe entfernt werden kann, muss im Einzelfall entschieden werden. Gegebenenfalls kann durch interventionelle Maßnahmen (Pfortaderembolisierung) oder operative Verfahren (in Situ Splitting) eine Vergrößerung der zu verbleibenden Restleber vor einer Leberteilentferung erreicht werden. Dies ermöglicht dann die Entfernung von größeren Leberanteilen und reduziert das Risiko eines möglichen postoperativen Funktionsverlustes. Ganz entscheidend ist es letztendlich zu beurteilen, ob ein Patient der körperlichen Belastung einer Operation Stand halten kann. Dies hängt von vielen Faktoren wie Vorerkrankungen, Nebendiagnosen usw. ab. Daher ist eine präoperative ausführliche Evaluation der Patienten auf mögliche Risikofaktoren notwendig. Ein persönliches Gespräch mit dem Chirurgen ist unabdingbar, um eine persönliche Risikoabwägung zu treffen.
Prof. Croner: Technisch sind heute viele Operationen an der Leber minimalinvasiv oder roboterassistiert möglich. Um diese sicher ausführen zu können, bedarf es allerdings eines speziellen Trainings des Chirurgen. Beim minimalinvasiven Vorgehen profitieren die Patienten von geringeren postoperativen Schmerzen, früherer Mobilisierung und kürzerem Krankenhausaufenthalt als bei offenen Eingriffen. Auch ist die Rate der postoperativen Komplikationen geringer als bei offenen Operationen. Bei kolorektalen Lebermetastasen und beim primären Leberzellkrebs haben die Patienten nach heutiger Studienlage dabei keinen onkologischen Nachteil, verglichen mit den offenen Verfahren. Bei roboterassistierten Verfahren scheint dabei die postoperative Komplikationsrate im Vergleich zu den laparoskopischen Techniken etwas besser abzuschneiden. Auch zeichnen sich durch roboterassistierte Operationen aufgrund der technischen Vorteile des Roboters besonders bei sehr komplexen und größeren Lebereingriffen gewisse Vorteile ab.
Beim minimalinvasiven Vorgehen profitieren die Patienten von geringeren postoperativen Schmerzen, früherer Mobilisierung und kürzerem Krankenhausaufenthalt als bei offenen Eingriffen.
Prof. Croner: Vielleicht sind Lebermetastasen durch eine zielgerichtete medikamentöse Therapie irgendwann heilbar. Die Immuntherapie zeigt bei Subtypen von Mastdarmkrebs sehr vielversprechende Ergebnisse. Daher wird am Einsatz der Immuntherapie zur Behandlung von Dickdarmkrebs gegenwärtig umfangreich geforscht. Daneben wird die Therapie immer individueller und spezifischer. Durch molekulare Diagnostik versucht man die Therapieverfahren immer zielgerichteter und effizienter zu gestalten. In der operativen Behandlung arbeitet man daran, das chirurgische Trauma für den Patienten vor allem durch roboterassistierte Verfahren weiter zu reduzieren. Die Robotik bietet dabei hervorragende Voraussetzungen, um die Eingriffe mittels zusätzlicher im Operationsbereich eingespielter präoperativer Bildgebung (Augmented Reality) zu überlagern und dabei anatomische Strukturen für den Operateur darzustellen. Künstliche Intelligenz soll zukünftig helfen, intraoperativ kritische Strukturen frühzeitig zu identifizieren und dabei besser zu schonen. Durch die Färbung der Lebermetastasen durch spezifische Farbstoffe können intraoperativ möglicherweise in Zukunft auch sehr kleine Metastasen erkannt und dann das operative Vorgehen angepasst werden. Die Chirurgie wird damit noch präziser und schonender für die Patienten.
Vielen Dank für das Interview!
aktualisiert am 21.08.2023