Prof. Unglaub: Das Kubitalunnelsyndrom, auch „Ulnaris-Neuropathie am Ellbogen“ oder „Ellenbogenrinnen-Syndrom“ genannt, gehört zu den peripheren Nervenkompressionssyndromen. Durch eine chronische Druckerhöhung auf den Nervus ulnaris im Bereich des Ellbogens kann es zu einer Reizung des Nervs mit motorischen und sensorischen Ausfallerscheinungen kommen.
Prof. Unglaub: Das Kubitaltunnelsyndrom beschreibt eine Neuropathie des Nervus ulnaris im Bereich des Ellbogens während das Karpaltunnelsyndrom eine Neuropathie des Nervus medianus im Bereich des Karpaltunnels auf Höhe des Handgelenks beschreibt.
Prof. Unglaub: Die zwei häufigsten Symptome des Kubitaltunnelsyndroms sind die Parästhesien im entsprechenden Dermatom und die muskuläre Schwäche im Bereich der Hand. Während die Parästhesien, also „Kribbelgefühle“ und „Pelzigkeit“ im Bereich des Ring- und Kleinfingers die häufigste Erstmanifestation ist, klagen die Patienten auch regelmäßig über Schmerzen im Bereich der epikondyläre Furche des medialen Ellbogens, also der Innenseite des Ellenbogens. Im Falle einer anhaltenden Kompression mit Schädigung des Nervens kommt es zu einer intrinsischen Muskelschwäche, also Schwäche der Handmuskeln, mit verminderter Greifkraft sowie Ungeschicklichkeit der Hand mit Problemen bei feinmotorischen Aufgaben, wie dem Öffnen von Flaschen, dem Halten von Stiften oder dem Aufschließen von Türen.
Im Gegensatz hierzu kommt es beim Karpaltunnelsyndrom zu Parästhesien der radialen drei Finger, also des Daumens, des Zeigefingers und des Mittelfingers und vor allem zu nächtlichen Schmerzen, welche durch Ausschütteln der Hand besser werden können.
Die zwei häufigsten Symptome des Kubitaltunnelsyndroms sind die Parästhesien im entsprechenden Dermatom und die muskuläre Schwäche im Bereich der Hand.
Prof. Unglaub: Unterschieden wird ein primäres bzw. idiopathisches von einem sekundären Kubitaltunnelsyndrom. Die Ursache für ein Kubitaltunnelsyndrom ist am ehesten ein multifaktorielles Geschehen, hier spielen anatomische Gegebenheiten sowie die mechanische Belastung eine Rolle. Wenn keine begleitenden Grundleiden oder knöcherne oder auch tumoröse Veränderungen vorliegen, wird von einem primären oder idiopathischen Kubitaltunnelsyndrom gesprochen. Tritt das Kubitaltunnelsyndrom nach z.B. einem Bruch im Bereich des Ellenbogens oder aufgrund einer tumorösen Raumforderung im Bereich des Ellbogens auf, spricht man vom sekundären Kubitaltunnelsyndrom.
Prof. Unglaub: Ein Kubitaltunnelsyndrom kann durchaus konservativ behandelt werden. Die konservative Therapie beinhaltet die bedarfsgerechte Analgesie und die Vermeidung von Haltungen und Tätigkeiten, die mit einer starken Ellbogenflexion einhergehen und damit den Druck auf den Nervus ulnaris erhöhen. Zudem können auch Schienen für den Ellbogen angefertigt werden, welche den Arm auf einen Bewegungsradius von ca. 30-35 Grad Flexion im Ellbogen und 10-20 Grad Pronation im Unterarm beschränken, da hier der Druck auf den Nervus ulnaris am geringsten ist. Der Einsatz dieser Schienen sollte bevorzugt nächtlich für eine Dauer von 6 Monaten erfolgen. Diese Schienen werden von den Patienten erfahrungsgemäß aufgrund einer eingeschränkten Toleranz aber häufig ungern getragen.
Der Einsatz dieser Schienen sollte bevorzugt nächtlich für eine Dauer von 6 Monaten erfolgen.
Prof. Unglaub: Übungen im Rahmen einer manuellen Therapie, welche Effekte auf die Nervenleit-Eigenschaften haben sollen, werden aktuell kontrovers diskutiert. Ob diese Übungen tatsächlich zu einer Heilung eines Kubitaltunnelsyndroms führen können, muss in der Zukunft weiter erforscht werden.
Prof. Unglaub: Kommt es trotz konservativer Therapie nicht zu einer Besserung, liegen bereits Muskelatrophien vor. Beklagt der Patient sensomotorische Ausfallerscheinungen sowie eine über mehrere Wochen bestehende pathologische Veränderung der Nervenleitgeschwindigkeit, ist die Indikation zur operativen Therapie ebenfalls gegeben. Wird die operative Therapie zu lange hinausgezögert, kann es zur irreversiblen Schädigung des Nerven bzw. der vom Nervus ulnaris innervierten Muskulatur an der Hand kommen.
Prof. Unglaub: Das operative Verfahren der Wahl für Primäreingriffe ist die In-situ-Dekompression des Nervus ulnaris. Diese kann entweder offen oder endoskopisch-assistiert, also video-kontrolliert, erfolgen. Dabei wird im Bereich der medialen epikondyläre Furche des Ellenbogens ein Hautschnitt durchgeführt und schrittweise in die Tiefe präpariert, bis der Nervus ulnaris aufgefunden ist. Anschließend wird der Nerv in Richtung des Oberarmes, wie auch in Richtung des Unterarmes freigelegt und potentielle Engstellen dekomprimiert.
Die offene Vorgehensweise erfordert einen großen Hautschnitt, mit bis zu 20 cm, um den Nerven auf der gesamten relevanten Strecke freizulegen. Durch die endoskopisch unterstützte Technik kann der Nerv im Bereich des Ellbogens über wenige Zentimeter dargestellt werden und dann mit dem Endoskop und dem entsprechenden Instrumentarium körpernah und körperfern unter der Haut verfolgt werden.
Bei der Operation ist darauf zu achten, dass der Nerv in seinem natürlichen Gleitlager belassen wird und die Freilegung nicht komplett um den gesamten Nerv herum durchgeführt wird, da dies die Durchblutung des Nervs einschränken kann. Anschließend erfolgt die Hautnaht und es wird in unserem Vorgehen ein Verband mit Watte und elastokompressiver Wickelung angebracht.
Das operative Verfahren der Wahl für Primäreingriffe ist die In-situ-Dekompression des Nervus ulnaris.
Prof. Unglaub: Bezüglich der Risiken gelten hier die allgemeinen chirurgischen Risiken einer operativen Therapie im Sinne von Infektion, Wundheilungsstörung, Narbenbildung. Spezielle Risiken dieser Operation sind die Verletzung des Nervus ulnaris sowie Verletzung der am Ellbogen gelegenen Hautnerven und ein gewisses Revisionsrisiko bei unvollständigem Operationserfolg. Allerdings wird die Operation unter Lupenbrillenvergrößerung durchgeführt, somit sind Nervenverletzungen, bei einem erfahrenen Handchirurgen, sehr selten.
Prof. Unglaub: Die operative Therapie kann meist ambulant durchgeführt werden, ein stationärer Aufenthalt ist in der Regel nicht notwendig, selten bei Reoperationen. Wir empfehlen im eigenen Vorgehen keine Ruhigstellung der betroffenen Extremität, sondern lediglich die elastokompressive Wickelung mit einem Watteverband für 3 Wochen um eine volle Beugung des Ellenbogens zu vermeiden. Nach abgeschlossener Wundheilung, nach circa 2-3 Wochen, kann die Hand und der Ellenbogen nahezu normal eingesetzt werden. Maximalbelastungen sollten in den ersten Wochen noch vermieden werden.
Nach abgeschlossener Wundheilung, nach circa 2-3 Wochen, kann die Hand und der Ellenbogen nahezu normal eingesetzt werden.
Prof. Unglaub: Im Falle einer ausbleibenden Therapie ist von einer Progredienz, also einem Fortschreiten der Erkrankung, auszugehen. In der Regel nehmen die Beschwerden weiter zu und es kommt früher oder später zu einem irreversiblen Nervenschaden mit Ausfällen der sensiblen Nervenanteile im Bereich der Hand sowie einer Atrophie der Handmuskulatur.
Prof. Unglaub: Tätigkeiten mit maximaler Beugung im Bereich des Ellbogengelenkes, wie z.B. Telefonieren, können vermieden werden, um einem Kubitaltunnelsyndrom vorzubeugen.
Prof. Unglaub: Seit einigen Jahren steht bereits die Möglichkeit der endoskopisch-assistierten Therapie zur Verfügung. Diese bietet den Vorteil, dass der für die Entlastung notwendige Hautschnitt deutlich kleiner ausfällt und damit die Wundheilung sowie auch die postoperativen Schmerzen reduziert werden. Im langfristigen Verlauf zeigt sich bezüglich der Funktion und des Wiederauftretens der Erkrankung allerdings kein Unterschied zum langstreckig offenen Verfahren.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 26.06.2024.