Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation – kurz MIH – ist auf dem Vormarsch. Obwohl die Zahnerkrankung erst seit Ende der 1980er Jahre bekannt ist, geht die deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde von einem Anteil zwischen 10 bis 15 Prozent an erkrankten Kindern aus. Die 5. Deutsche Mundgesundheitsstudie geht noch weiter. Hier wird der Anteil bei 12-Jährigen mit knapp 30 Prozent beschrieben. Aber: Diese hohe Anzahl an Erkrankungen darf nicht mit einem akuten Behandlungsbedarf verwechselt werden. Letzterer ist nur in einem Bruchteil der Fälle nötig. Trotzdem ist ein frühes Erkennen von MIH für eine erfolgreiche Behandlung wichtig.
Hinsichtlich der Diagnose ist MIH (auch als Kreidezähne bekannt) für Zahnärzte auch ohne Röntgenuntersuchungen zu erkennen. Schwierig ist die Behandlung, da hinsichtlich der Ursache für Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation die Zahnheilkunde immer noch im Dunkeln tappt.
Plötzlich mit der wenig bekannten Diagnose Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation konfrontiert zu sein, löst bei Eltern Ängste aus. Im Hinblick auf die Ursachen ist das Geschehen nach wie vor ein Rätsel. Zahnärzte können nicht mit Sicherheit sagen, was für die Entstehung verantwortlich ist. Diskutiert werden unter anderem:
Sichtbar wird MIH durch Verfärbungen des Zahnschmelzes. Diese sogenannten Opazitäten können unterschiedlicher Farbe sein. Die Palette reicht von einem Cremeweiß bis zu gelb-braunen Flecken. Solche Flecken an den Sechsjahresmolaren (Backenzähne, die im Alter von etwa sechs Jahren durchbrechen) und/oder Schneidezähnen (Inzisiven) geben dem Zahnarzt erste Hinweise auf die Erkrankung.
Eine Zahnschmelzverfärbung ist nicht das einzige Anzeichen für MIH. Kreidezähne entstehen durch einen Zahnschmelzdefekt. Die Entwicklungsstörung setzt – so die Annahme – zwischen dem achten Schwangerschaftsmonat und dem vierten Lebensjahr ein.
Durch die Störung in der Mineralisation (Bildung des Mineralstoffs Hydroxylapatit) ist der Zahnschmelz deutlich anfälliger als bei Zahngesunden. Im Bereich der Zahnschmelzverfärbung ist die Zahnhartsubstanz poröser. In schwerwiegenden Fällen bestehen bereits dann Substanzverluste, wenn die Zähne zum Vorschein kommen – was ein klarer Hinweis auf MIH ist.
Ein dritter Punkt, welche für das Vorliegen einer Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation spricht, ist Hypersensibilität. Das heißt: Zähne sind für Temperaturreize und Berührungen besonders empfindlich. Dieser Punkt wirkt sich im Alltag nicht nur auf den Verzehr bestimmter Lebensmittel aus, sondern auch die tägliche Zahnhygiene und der Besuch beim Zahnarzt sind für kleine Patienten und deren Eltern aufgrund der Schmerzen eine enorme Herausforderung.
Anzeichen bei MIH im Überblick:
MIH wird nach dem Schweregrad eingeteilt. Die gängige Klassifikation nach Wetzel und Reckel (1991) kennt drei Grade:
Individuell kann das Erkrankungsbild sehr stark variieren. Betroffen können einzelne Zähne, mehrere Zähne oder alle Backen-/Schneidezähne sein.
Der seit 2016 geltende MIH Treatment Need Index (MIH-TNI) bringt Substanzverlust und Empfindlichkeit in einen Zusammenhang. Die Einteilung nach MIH Treatment Need Index (MIH-TNI) geschieht folgendermaßen:
Die Schweregrade mit Defekten am Zahnschmelz werden entsprechend der Ausdehnung der Substanzdefekte noch weiter unterteilt.
Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation ist nicht die einzige Erkrankung, bei welcher es zu einem Substanzdefekt des Zahnschmelzes kommt. Zahnärzte, die mit Kindern im Praxisalltag zu tun haben, müssen MIH von anderen Differenzialdiagnosen (Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen) unterscheiden können.
Dies ist eine Erkrankung, die mit Veränderungen des Zahnschmelzes einhergeht und alle Zähne im Gebiss von Betroffenen erfassen kann. Amelogenesis imperfecta ist eine Erkrankung mit genetischer Komponente. Ähnlich der Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation sind gelbe bis braune Verfärbungen ein Anzeichen für die Erkrankung. Auslöser ist eine Störung in der Mineralisation des Zahnschmelzes.
Benannt nach dem Erstbeschreiber J. G. Turner, handelt es sich um eine Entwicklungsstörung sowohl des Zahnschmelzes als auch der Zahnwurzel. Die Hypoplasie (Minderentwicklung) ist oft auf Defekte im Zusammenhang mit den Milchzähnen zurückzuführen – wie beispielsweise Entzündungen. Diese führen zur Bildung eines Eiterherds. Parallel besteht das Risiko, nach einer Zahnverletzung (etwa durch einen Unfall) einen Turner-Zahn zu entwickeln.
In der modernen Zahnheilkunde spielt Fluor in der Vorbeugung eine große Rolle. Neben der prophylaktischen Fluoridierung beim Zahnarztbesuch ist Fluor (in unterschiedlicher Konzentration) in Zahnpasta enthalten. Wird zu viel Fluor aufgenommen, entsteht eine sogenannte Dentalfluorose. Erkennbar ist diese unter anderem an Verfärbungen und Flecken im Zahnschmelz. Dieser kann zudem mechanisch weniger gut belastbar sein.
Zahnschmelz ist eines der härtesten organischen Materialien. Allerdings wird die Zahnhartsubstanz bei niedrigen pH-Werten anfällig, sie demineralisiert. Einige Mikroorganismen der Mundflora sind in der Lage, Kohlenhydrate zu organischen Säuren umzuwandeln. Das Ergebnis der Säureeinwirkung ist Zahnkaries. Anfängliche Stadien machen sich durch Verfärbungen am Zahn bemerkbar. Durch das Abtasten der betroffenen Areale kann der Zahnarzt die Konsistenz prüfen und so Unterschiede in der Porosität feststellen.
Daneben können weitere Erkrankungen zu Mineralisationsdefekten führen. Ein Beispiel sind Stoffwechselstörungen, die mit einer Mangelversorgung der so wichtigen Mineralstoffe einhergehen.
aktualisiert am 08.10.2018