Medikamentenkopfschmerz (medikamenteninduzierter Kopfschmerz, auch: MOH, von Medication Overuse Headache) zählt zu den sekundären Kopfschmerzarten, weil er auf eine bestimmte Ursache zurückzuführen ist: auf die übermäßige Einnahme von Schmerzmitteln.
Es klingt paradox, aber Kopfschmerzmittel, die eigentlich das Leiden lindern sollen, können zu Dauerkopfschmerzen führen. Das Leben der meisten Menschen ist gut durchorganisiert mit Arbeit und anderen Verpflichtungen. Kopfschmerzen haben da keinen Platz – vor allem, wenn sie häufig auftreten. Wer kann es sich schon leisten, an zehn Tagen im Monat der Arbeit fernzubleiben, um zu Hause den Kopfschmerz auszukurieren. Der Griff zur Kopfschmerztablette ist da einfach und effektiv, aber gefährlich – denn bei einem Übergebrauch von Schmerzmitteln tritt man ein in einen Teufelskreis aus Kopfschmerz und Medikamentenkopfschmerz, der schließlich im Dauerschmerz endet. MOH ist dadurch definiert, dass er an mindestens fünfzehn Tagen im Monat auftritt und meistens von morgens bis abends präsent ist.
Gerade wer häufig Schmerztabletten nimmt, muss irgendwann die Dosierung erhöhen, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Häufig werden die Tabletten auch prophylaktisch eingenommen, um zu verhindern, dass Schmerzattacken auftreten.
Frei verkäufliche Schmerzmittel wie ASS, Paracetamol oder Ibuprofen sollten an höchstens zehn Tagen im Monat und nicht länger als an drei Tagen hintereinander eingenommen werden. Bei mehr als fünfzehn Tagen im Monat entsteht das Risiko, dass die Häufigkeit und die Stärke der Kopfschmerzattacken trotz der Schmerzmittel zunimmt. Bei Triptanen, wie sie gegen Migräne genommen werden, oder sogenannten Mischanalgetika (zum Beispiel Paracetamol mit Koffein) besteht dieses Risiko bereits bei einer Einnahme von zehn Tagen im Monat. Abgesehen vom drohenden medikamenteninduzierten Kopfschmerz haben Schmerzmittel noch eine Reihe von anderen Nebenwirkungen und können bei häufiger Einnahme Organe wie Nieren oder Magen schädigen.
Es sollte stets sorgfältig abgewogen werden, ob ein Schmerzmittel notwendig ist, oder sich der Schmerz mit Hausmitteln lindern lässt.
Neurologisch ist nicht ganz klar, wie dieser medikamenteninduzierte Kopfschmerz entsteht. Mit der Gewöhnung an die Wirkstoffe kommt es zu Veränderungen im Gehirnstoffwechsel. Schmerzreize treten früher ein, das heißt, was vorher als nicht schmerzhaft bewertet wurde, wird nun als Schmerz wahrgenommen. In eine körperliche Abhängigkeit, wie zum Beispiel bei Drogen, führt der Übergebrauch an Schmerzmitteln nicht (außer bei Opioiden, die erst bei sonst nicht zu bessernden Schmerzen eingesetzt werden).
Genaue Zahlen zum Medikamentenkopfschmerz gibt es nicht. Man geht davon aus, dass in Deutschland fast die Hälfte aller Patienten mit chronischen Schmerzen zusätzlich unter Medikamentenkopfschmerzen leidet. Frauen sind häufiger betroffen als Männer.
Bei Migräne-Patienten tritt häufig eine Veränderung der Symptomatik ein. An die Stelle der deutlich abgrenzbaren Migräne-Attacken mit einseitig-pochenden Schmerzen tritt nun ein dauerhafter Kopfschmerz. Dieser ist meist weniger stark als die Migräne, ist häufig beidseitig und fühlt sich eher drückend an. Die migräneüblichen Begleitsymptome wie Licht- und Geräuschempfindlichkeit, Übelkeit und Erbrechen sind weniger stark ausgeprägt. Insgesamt verschiebt sich die Symptomatik mehr in die Richtung chronischer Spannungskopfschmerzen. Es können trotzdem noch zusätzlich klassische Migräne-Attacken auftreten.
Ein vollkommenes Absetzen der Medikamente ist meist unumgänglich, um den Teufelskreis aus Kopfschmerz und Medikamentenschmerz zu durchbrechen. In der Folge werden die Kopfschmerzen zunächst stärker und nehmen an Häufigkeit zu. Als weitere Entzugssymptome können Übelkeit und Abgeschlagenheit, Schlafstörungen, Unruhe und Ängste auftreten. Sollten die Schmerzen zu stark sein, kann kurzfristig Cortison gegeben werden.
Während der Medikamentenpause kann bereits begonnen werden, den chronischen Kopfschmerz prophylaktisch zu behandeln. Als wirkungsvoll haben sich zum Beispiel die Wirkstoffe Amitriptylin und Topiramat erwiesen. Bei 80 Prozent der Patienten, die der Medikamentenspirale entkommen, bessern sich die Kopfschmerzen langfristig. Aus dem Dauerschmerz werden dann einzelne Kopfschmerzattacken, die sich gut behandeln lassen.
Ein Medikamentenentzug lässt sich ambulant zu Hause oder in einer Schmerzklinik durchführen. Auch wenn keine klassischen schweren Entzugssymptome, wie zum Beispiel bei Drogen, auftreten, erfordert die Medikamentenpause sehr viel Selbstdisziplin und einen starken Willen. In vielen Fällen kann es einfacher sein, den Entzug stationär in ärztlicher Begleitung durchzuführen, zumal dort auch nichtmedikamentöse Strategien gegen den Schmerz erlernt werden.
Rund einer von drei Patienten wird rückfällig und fällt in die alten Gewohnheiten des Übergebrauchs zurück. Deshalb ist es notwendig, die Kopfschmerzen nicht nur mit Medikamenten zu bekämpfen. Um chronische Kopfschmerzen langfristig in Schach zu halten, sollte man den eigenen Lebensstil überdenken: Stressreduzierung gehört ebenso dazu wie ausreichender und regelmäßiger Schlaf. Man sollte sich Pausen gönnen und eine Entspannungstechnik erlernen. Regelmäßiger Ausdauersport kann Kopfschmerzen ebenfalls minimieren. Besonders geeignet sind Sportarten an der frischen Luft wie Joggen, Walken oder Radfahren.
Um einen Überblick über die Kopfschmerzen zu behalten, empfiehlt sich das Führen eines Kopfschmerz-Tagebuchs, in dem man nicht nur Dauer und Intensität der Kopfschmerzen festhält, sondern auch die Lebensumstände.
American migraine foundation, Maria-Carmen Wilson; Rebecca Jimenez-Sanders – Medication Overuse Headache: https://americanmigrainefoundation.org/resource-library/medication-overuse/ (online, letzter Abruf: 01.09.2020)
Gesundheit.gv.at, Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs – Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- & Migränemitteln: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/gehirn-nerven/kopfschmerzen/ursachen (online, letzter Abruf: 01.09.2020)
Gesundheitgv..at – Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs – Schmerzmittel (Mischanalgetika, Opiate & Opioide): https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/sucht/medikamentensucht/schmerzmittel-mischanalgetika-opiate-opioide (online, letzter Abruf: 01.09.2020)
Migräne- und Kopfschmerzklinik Königstein – Wann entsteht Kopfschmerz durch Medikamentenübergebrauch?: https://www.migraene-klinik.de/kopfschmerzarten/kopfschmerz-durch-medikamenten%C3%BCbergebrauch.html (online, letzter Abruf: 01.09.2020)
netdoktor.de, Sophie Matzik – Medikamenteninduzierter Kopfschmerz: https://www.netdoktor.de/krankheiten/medikamenteninduzierter-kopfschmerz/ (online, letzter Abruf: 01.09.2020)
TK - Die Techniker, Stefanie Krinninger – Die häufigsten Kopfschmerzarten – ein Überblick: https://www.tk.de/techniker/gesundheit-und-medizin/behandlungen-und-medizin/kopfschmerzen-und-migraene/die-haeufigsten-kopfschmerzarten-ein-ueberblick-2016920 (online, letzter Abruf: 01.09.2020)
aktualisiert am 01.09.2020