Nicht jeder möchte bei Kopfschmerzen gleich zu Medikamenten greifen. Wer häufig unter Kopfschmerzen leidet, riskiert zudem mit der regelmäßigen Einnahme von Schmerztabletten, dass sich die Kopfschmerzen langfristig verschlimmern, es zum sogenannten Medikamentenkopfschmerz kommt. Akupunktur kann hier eine wirksame Alternative sein.
Die Akupunktur ist Teil der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Bei der Akupunktur werden Nadeln in sehr genau definierte Punkte des Körpers gesetzt, um Blockaden im Energiefluss zu lösen. Grundlage ist die Annahme, dass sogenanntes Qi (Lebensenergie) auf Meridianen durch den menschlichen Körper fließt. Krankheiten oder Schmerzen weisen auf Blockaden im Qi hin. Durch das Setzen von Akupunkturnadeln können diese Blockaden aufgelöst werden. Rund 350 Akupunkturpunkte kennt die TCM. Für eine Behandlung von Kopfschmerzen oder Migräne werden vier bis zehn der relevanten Punkte mit den sehr feinen Nadeln aktiviert. Die Behandlung wird von den Patienten als nur wenig schmerzhaft beschrieben.
Bereits im Oktober 2000 beschloss der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen, eine große Studie in Auftrag zu geben, die ermitteln sollte, ob Akupunktur bei Migräne und Kopfschmerzen wirksam sein kann. Die sogenannte GERAC-Studie (German Acupuncture Trials) war die erste von der gesetzlichen Krankenversicherung finanzierte Studie dieser Art und weltweit die größte Akupunkturstudie. In der Studie sollte die Wirksamkeit der Verum-Akupunktur (echten Akupunktur) abgeglichen werden mit der Wirksamkeit der Sham-Akupunktur (Scheinakupunktur) und der klassischen Standardtherapie mit Medikamenten. Bei der Verum-Akupunktur werden die Nadeln in die chinesischen Akupunkturpunkte gesetzt, bei der Sham-Akupunktur in andere Punkte. Der Erfolg der Behandlung wurde bei Therapieende sowie drei und sechs Monate nach der Behandlung erfasst. Das Ergebnis nach sechswöchiger Behandlung zeigte, dass Akupunktur langfristig wirksamer war als eine Behandlung mit Medikamenten.
Die Studien zeigten allerdings auch, dass das genaue Treffen der Akupunkturpunkte, die laut TCM für die Kopfschmerzen verantwortlich sind, offensichtlich kaum von Belang ist. Die Scheinakupunktur, bei der die Nadeln an anderen Stellen gesetzt wurden, zeigte nahezu die gleiche Wirksamkeit wie die Verum-Akupunktur. Bei Spannungskopfschmerzen konnte die Verum-Akupunktur die Anzahl der Kopfschmerztage von 16 auf sechs Tage senken. Die Sham-Akupunktur senkte die Anzahl der Kopfschmerztage von 16 auf acht Tage. Schmerzmittel konnten die Kopfschmerztage von 16 auf durchschnittlich 11 bis 15 Tage senken.
Bei akuten Kopfschmerzen oder inmitten einer Migräneattacke kann eine Akupunkturbehandlung nicht helfen. Vor allem langfristig hat sich Akupunktur bewährt. Die Anfallsprophylaxe mit Akupunktur wurde in sechs zum Teil sehr großen Studien mit Migränepatienten geprüft. Die Anzahl der Attacken konnte bei den Akupunkturprobanden um 50 Prozent gesenkt werden. Die Zahl der Migränetage reduzierte sich und die Attacken verliefen milder. Auch nach neun Monaten war dieser der Erfolg noch nachweisbar.
Die Akupunktur hat im Vergleich zu den teils starken Schmerzmitteln den Vorteil, dass sie sehr geringe Risiken hat und die Nebenwirkungen der Medikamente wegfallen. Vor allem die regelmäßige Einnahme von Schmerzmitteln hingegen kann die Lage für den Patienten langfristig noch verschärfen: Man vermutet, dass bei bis zu vierzig Prozent aller Patienten, die aufgrund chronischer Kopfschmerzen regelmäßig Schmerzmittel nehmen, die Kopfschmerzen durch die Schmerzmittel selbst ausgelöst werden. So entsteht ein Teufelskreis aus Schmerzen und Medikamenteneinnahme, der nur schwer wieder aufzulösen ist.
Sowohl Akupunktur als auch Medikamente als alleinige Therapie sind nicht so wirkungsvoll wie beide zusammen. Zur langfristigen Behandlung von Migräne und Spannungskopfschmerzen scheint die Kombination beider Methoden am erfolgversprechendsten: Medikamente können zur Eindämmung akuter Schmerzen während einer Migräneattacke eingesetzt werden oder dann, wenn die Spannungskopfschmerzen besonders stark sind. Begleitend dazu kann eine Akupunkturbehandlung durchgeführt werden, um die Anzahl der Kopfschmerztage und die Schmerzintensität auf Dauer zu verringern.
Deutsches Ärzteblatt, Albrecht Molsberger; Hans-Christoph Diener; Jürgen Krämer; Jörg Michaelis; Helmut Schäfer; Hans Joachim Trampisch; Michaela Zenz – GERAC-Akupunktur-Studien: Modellvorhaben zur Beurteilung der Wirksamkeit: https://www.aerzteblatt.de/archiv/32190/GERAC-Akupunktur-Studien-Modellvorhaben-zur-Beurteilung-der-Wirksamkeit (online, letzter Abruf: 29.10.2020)
ÄrzteZeitung, Thomas Müller – Akupunktur lindert tatsächlich Kopfschmerz: https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Akupunktur-lindert-tatsaechlich-Kopfschmerz-362726.html (online, letzter Abruf: 29.10.2020)
DÄGfa – Kopfschmerz und Akupunktur: https://www.daegfa.de/PatientenPortal/Anwendungsgebiete.Kopfschmerzen.aspx (online, letzter Abruf: 29.10.2020)
Deutsche Akupunkturgesellschaft, Norbert Schnorbach – Auch bei Kopfschmerzen hilft Akupunktur: https://deutsche-akupunktur-gesellschaft.de/auch-bei-kopfschmerzen-hilft-akupunktur/ (online, letzter Abruf: 29.10.2020)
Kopfschmerzen.de – Die Nadel im Körper - Kopfschmerzen mit Akupunktur einfach „wegpieksen“: https://www.kopfschmerzen.de/therapie/alternative-heilmethoden/kopfschmerzen-akupunktur (online, letzter Abruf: 29.10.2020)
PZ (Pharmazeutische Zeitung), Verena Arzbach – Akupunktur - Placebo oder mehr?: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-352013/placebo-oder-mehr/ (online, letzter Abruf: 29.10.2020)
aktualisiert am 29.10.2020