Kielbrust (Pectus carinatum) und Trichterbrust (Pectus excavatum) sind Deformitäten der Brustwand. Dabei kommt es bei der Kielbrust oder Hühnerbrust zu einem Vorstehen und bei der Trichterbrust zu einer Einziehung des Brustbeines am Brustkorb. Bei beiden Fehlbildungen sind Jungen häufiger betroffen als Mädchen. Die Kielbrust kommt insgesamt wesentlich seltener vor als die Trichterbrust. Während sich die Kielbrust vorwiegend ab dem zehnten Lebensjahr und in der Pubertät ausbildet, ist eine beginnende Trichterbrust oft schon im Babyalter zu erkennen.
Sowohl für die Kielbrust als auch für die Trichterbrust sind die Ursachen noch nicht vollständig geklärt. Für beide wird eine genetische Komponente als wahrscheinlich angenommen, da sie in betroffenen Familien vermehrt auftreten. Eine Verbindung mit verschiedenen anderen Erkrankungen ist bekannt. So treten Kiel- und Trichterbrust bei Menschen mit Marfan-Syndrom (einer Bindegewebserkrankung) oder dem fetalen Alkoholsyndrom (Schädigung durch Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft) gehäuft auf. Verursacht werden beide Deformitäten durch ein gestörtes, meist vermehrtes, Wachstum des Rippenknorpels am Übergang zum Brustbein. Das führt bei der Kielbrust dazu, dass sich das Brustbein nach vorne aus der Brustwand hervorwölbt und bei der Trichterbrust nach innen zieht.
Der offensichtliche Unterschied besteht daher in der Vorwölbung des Brustbeins bei der Kielbrust und der Vertiefung bei der Trichterbrust. Die Formabweichung kann individuell unterschiedlich aussehen. In einzelnen Fällen können Trichter- und Kielbrust auch kombiniert miteinander vorkommen.
Mit beiden Brustwandveränderungen kann ein ausgeprägter psychischer Leidensdruck verbunden sein. Betroffene schämen sich oft für ihr von der Norm abweichendes Aussehen und meiden Situationen, bei denen ihr nackter Oberkörper zu sehen ist. Hierzu zählen Besuche im Schwimmbad oder das Umziehen beim Sport.
Körperliche Symptome sind bei der Kielbrust selten. Bei ausgeprägten Formen kann es zu Hautirritationen oder Scheuerstellen kommen. Auch Atemprobleme bei körperlicher Anstrengung sind möglich. Häufiger treten Probleme mit Herz oder Lunge unter Belastung allerdings bei der Trichterbrust auf. Eine Fehlhaltung mit vermehrtem Rundrücken, nach vorne hängenden Schultern und Hohlkreuzbildung ist bei beiden Fehlbildungen möglich. Bei der Trichterbrust ergibt sie sich oft als Folge der Einziehung des Brustbeines. Bei der Kielbrust dient sie dem Verstecken der Fehlbildung.
Leichte und mittlere Ausprägungen von Kiel- und Trichterbrust können mit Physiotherapie und Kräftigungsübungen behandelt werden. Zusätzlich kann bei der Kielbrust eine Bandage, Orthese oder ein Korsett zu einer Reduzierung der Vorwölbung des Brustbeines führen. Allerdings ist hier eine konsequente Therapie über mehrere Monate oder Jahre notwendig. Für Patienten mit einer Trichterbrust besteht die Möglichkeit einer Saugglockentherapie. Dabei wird unter einer Art Glocke, die auf dem Brustbein aufgesetzt wird, ein Unterdruck erzeugt. Dieser hebt das Brustbein und die Rippen an und kann bei längerfristiger Anwendung zu einer Korrektur der Trichterbruststellung führen.
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Bei Beeinträchtigungen der Atmung oder der Herzfunktion oder bei starker psychischer Belastung durch die Brustwanddeformität wird eine operative Korrektur in Erwägung gezogen. Für beide Fehlbildungen stehen zwei Methoden zur Wahl: eine minimalinvasive (Schlüssellochchirurgie) und eine offene Operation. Welches Verfahren geeignet und anwendbar ist, muss im Einzelfall sorgfältig abgewogen werden.
Bei der minimalinvasiven Technik wird ein individuell angepasster Metallbügel zur Korrektur der Brustbeinstellung eingesetzt. Dieser dient bei der Kielbrust dazu, das Brustbein nach „unten“ zu drücken (Operation nach Abramson oder „umgekehrte Nuss-OP“). Bei der Trichterbrust wird das Brustbein durch den Bügel nach vorne angehoben (Operation nach Nuss).
Bei der offenen Operation der Kielbrust oder der Trichterbrust werden die gleichen Ziele verfolgt wie bei dem minimalinvasiven Eingriff. Bei der offenen OP werden allerdings die knorpeligen Verbindungen zwischen dem Brustbein und den Rippen sowie das Brustbein selbst durchtrennt, um die Korrektur zu erreichen (Operation nach Ravitch). Anschließend werden Rippen und Brustbein mit Hilfe von Metallimplantaten stabil miteinander verbunden.
Bei beiden Operationsverfahren wird das Metall nach einem gewissen Zeitraum wieder entfernt: bei der offenen OP meist nach einem Jahr, bei den minimalinvasiven Verfahren oft erst nach zwei bis vier Jahren.
Universitätsklinikum Augsburg – Trichter- und Kielbrust: https://www.uk-augsburg.de/kliniken/kinderklinik-augsburg-mutter-kind-zentrum-schwaben/klinik-fuer-kinderchirurgie/trichter-und-kielbrust (online, letzter Abruf: 13.06.2022)
Evangelisches Klinikum Bethel – Trichterbrust und Kielbrust: https://evkb.de/fileadmin/evkb-content/thoraxchirurgie/dokumente/evkb-thoraxchirurgie-trichterbrust-kielbrust-flyer-201705.pdf (online, letzter Abruf: 13.06.2022)
Medizinische Hochschule Hannover – Kielbrust: https://www.mhh.de/klinik-fuer-kinderchirurgie/unser-leistungsspektrum/kielbrust (online, letzter Abruf: 13.06.2022)
Landesärztekammer Hessen, Dr. med. Sebastian Reineke; Dr. med. Andreas Strack; Dr. med. Christian Gernoth; Dr. med. Peter Illing – Die Trichterbrust bei Kindern und Jugendlichen - ein Überblick über die Therapieoptionen: https://www.laekh.de/heftarchiv/ausgabe/artikel/2020/juli-august-2020/die-trichterbrust-bei-kindern-und-jugendlichen-ein-ueberblick-ueber-die-therapieoptionen (online, letzter Abruf: 13.06.2022)
Springer Link, Anja Christina Weinhandl; Winfried Rebhandl – Therapie der angeborenen Thoraxfehlbildungen - Rückblick und Ausblick: https://link.springer.com/article/10.1007/s00608-020-00848-4 (online, letzter Abruf: 13.06.2022)
Deutsche Nationalbibliothek, Kim Berit Lewerenz-Kemper – Die operative Korrektur angeborener Brustwanddeformitäten im Erwachsenenalter: https://d-nb.info/990672921/34 (online, letzter Abruf: 13.06.2022)
aktualisiert am 13.06.2022