Prof. Preyer: Im Kopf-Hals-Bereich treten Krebserkrankungen am häufigsten in der Mundhöhle und im Rachenbereich auf. Der Kehlkopfkrebs rangiert an dritter Stelle; wobei Männer 7 mal häufiger betroffen sind als Frauen. Erfreulicherweise sehen wir seit 1991 einen jährlichen Rückgang der Anzahl von Menschen, die jedes Jahr durch die Diagnose Kehlkopfkrebs versterben, um ca. 3,3%.
...wobei Männer 7 mal häufiger betroffen sind als Frauen
Prof. Preyer: Rauchen und Alkoholkonsum gelten als wichtigste Risikofaktoren für die Entstehung von Kehlkopfkrebs. Männer erkranken häufiger als Frauen, da sie sowohl mehr rauchen als auch mehr Alkohol konsumieren. Chronischer Alkoholgenuss oder tägliches Rauchen erhöhen das Risiko an Kehlkopfkrebs zu erkranken um 6%. Wenn jemand raucht und täglich Alkohol zu sich nimmt, dann verfünffacht sich das Risiko auf 30%. Als weiterer Risikofaktor gilt beruflicher Kontakt zu Schadstoffen wie Asbest, schwefelsäurehaltigen Aerosolen, Chrom oder Nickel, oder wenn jemand radioaktiven Substanzen, z.B. Uran, ausgesetzt ist. Kann eine langdauernde berufliche Belastung mit den eben genannten Stoffen nachgewiesen werden, dann wird der Kehlkopfkrebs auch als Berufskrankheit anerkannt. Dies sind allerdings eher seltene Fälle.
Prof. Preyer: Im Vergleich zum Rachenkrebs, z.B. Mandelkrebs, spielt die Infektion mit Papillomviren beim Kehlkopfkrebs eine eher untergeordnete Rolle. Nur bei <5% der Kehlkopfkrebserkrankten konnte eine Virusassoziation im Tumorgewebe gesichert werden. Heute ist es möglich, durch eine Impfung im Jugendalter einer Infektion mit krebserzeugenden Papillomaviren vorzubeugen. Diese Impfung wird heute geschlechterübergreifend vom RKI empfohlen.
Prof. Preyer: Das heimtückische am Kehlkopfkrebs ist, dass die ersten Symptome zunächst den Beschwerden bei einem Infekt der oberen Atemwege gleichen: Schluckbeschwerden und Heiserkeit, manchmal können auch die Halslymphknoten geschwollen sein. Falls diese Symptome ohne ein begleitendes Krankheitsgefühl auftreten und länger als 4 Wochen andauern, sollte auch jeden Fall eine Kehlkopfuntersuchung beim Hals-Nasen-Ohren-Arzt durchgeführt werden. Diese erfolgt heutzutage in der Praxis, typischerweise mit einem Endoskop.
Prof. Preyer: In der Hals-Nasen-Ohren-Praxis wird im Rahmen der Sprechstunde eine Kehlkopfendoskopie über den Mund oder die Nase durchgeführt. Bei der Endoskopie können Veränderungen der Schleimhaut gut gesehen werden, welche typisch für Krebsvorstufen oder einen Kehlkopfkrebs sind. Gibt es Veränderungen an der Kehlkopfschleimhaut, dann wird eine Untersuchung in Vollnarkose angeschlossen. Bei dieser Narkoseuntersuchung wird aus der verdächtig aussehenden Stelle eine Gewebeprobe entnommen, welche der Pathologe dann untersucht. Dieser kann dann feststellen, ob es sich bei dem Gewebe um eine harmlose Veränderung, eine Krebsvorstufe oder bereits um einen Krebs handelt.
Bei der Endoskopie können Veränderungen der Schleimhaut gut gesehen werden, welche typisch für Krebsvorstufen oder einen Kehlkopfkrebs sind.
Prof. Preyer: Heutzutage wird die optimale Behandlung eines Kehlkopfkrebserkrankten in einer interdisziplinären Tumorkonferenz anhand der vorliegenden Befunde erarbeitet. Hier werden die individuelle Situation des Patienten, mögliche weitere Erkrankungen und die Besonderheiten des Krebses besprochen und eine Therapieempfehlung ausgesprochen. Die wichtigsten Behandlungsmodalitäten beim Kehlkopfkrebs sind eine Operation oder Bestrahlung. Bestrahlung und Operation haben in den frühen Tumorstadien I und II die gleiche Heilungsrate, nämlich 82-100%.
Prof. Preyer: In Abhängigkeit von der Ausdehnung und Lokalität des Kehlkopfkrebses kann man kleinere Tumore heutzutage sehr gut über den Mund mit dem Laser mikroskopisch oder endoskopisch entfernen. Hierfür ist kein äußerlicher Schnitt am Hals erforderlich. Diese Operation ist wenig belastend. Ist die Tumorerkrankung allerdings weiter fortgeschritten und hat der Betroffene z.B. bereits Probleme bei der Atmung, kann es notwendig werden, den Kehlkopf komplett zu entfernen. Nach der Operation atmet der Patient dann lebenslang über einen Luftröhrenschnitt. Durch Einlage eines Sprechventils zwischen Luftröhre und Speiseröhre kann Sprechen nach der Operation wieder möglich werden. Alternativ kann auch eine Kombination aus Bestrahlung und Chemotherapie bei der Behandlung von größeren Tumoren angewendet werden.
Prof. Preyer: Die Behandlung des sehr gut therapierbaren Kehlkopfkrebses basiert seit mehr als 10 Jahren auf den zwei Standbeinen Operation und Bestrahlung, ggf. auch einer Kombination von Bestrahlung und Chemotherapie. Diese Konzepte sind bereits sehr erfolgreich und haben sich in den letzten Jahren wenig geändert. In der modernen Radiotherapie gelingt es in den letzten Jahren immer besser, hohe Strahlendosen in das Tumorgewebe zu bringen und dabei angrenzendes gesundes Gewebe zu schonen. Neben der Chemotherapie gibt es aktuell international einige Studien zur Untersuchung der Wirksamkeit von Immuntherapeutika. Diese neueren Medikamente setzen sich langsam im klinischen Alltag durch, aber in klinischen Studien muss erst der Nachweis erbracht werden, dass diese neueren Substanzen genauso erfolgreich oder besser die Tumorerkrankung bekämpfen.
Die Behandlung des sehr gut therapierbaren Kehlkopfkrebses basiert seit mehr als 10 Jahren auf den zwei Standbeinen Operation und Bestrahlung...
Prof. Preyer: Diese Frage ist schwer zu beantworten, da die Behandlung in Abhängigkeit von der Ausgangsgröße des Tumors sehr unterschiedlich belastend ist. Bei der laserchirurgischen Entfernung eines kleinen Tumors über den Mund sind die Betroffenen in der Regel spätestens nach einer Woche wieder fit. Handelt es sich dagegen um eine fortgeschrittene Tumorerkrankung und ist möglichweise sogar eine Kehlkopfentfernung notwendig, dann sind längere Ausfallzeiten zu erwarten: Zunächst ein Krankenhausaufenthalt von ca. 2-3 Wochen. Anschließend muss häufig noch eine Bestrahlung angeschlossen werden, die sich über 6-7 Wochen hinzieht. Wir empfehlen im Anschluss eine krebsspezifische Reha von 3-4 Wochen. So beträgt die gesamte Ausfallzeit mindestens 3-4 Monate. Nach einer Kehlkopfentfernung wird die Einsatzfähigkeit im Beruf ganz entscheidend davon abhängen wie gut die Stimme nach der Behandlung ist, da in den meisten Berufen eine gute Kommunikationsfähigkeit gefordert wird.
Prof. Preyer: Aktuell wird in mehreren Richtungen geforscht: Erstens versucht man die chirurgische Technik noch zu verfeinern, indem verstärkt Endoskope und Roboter eingesetzt werden. Die Chirurgie soll dadurch weniger belastend und präziser werden. Zweitens wird geprüft, ob moderne bildgebende Verfahren die Diagnosestellung verbessern können, so dass z.B. eine operative Halslymphknoten Ausräumung überflüssig wird, um festzustellen, ob die Lymphbahnen vom Krebs befallen sind. Drittens werden uns die laufenden klinischen Studien helfen zu verstehen, ob die modernen Immuntherapeutika auch für die Behandlung des Kehlkopfkrebses geeignet sind und Betroffene weniger belasten als die herkömmlichen Chemotherapeutika. Und zuletzt gibt es für die Diagnosestellung von Kopf-Hals-Tumoren bislang noch keinen zuverlässigen Tumormarker. Die Hoffnung ist, dass wir in den nächsten Jahren bereits durch eine Blutprobe herausfinden können, ob ein Kopf-Hals-Tumor vorliegt. Es wäre dann auch möglich, Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren nach Ende der Behandlung mit Blutuntersuchungen im weiteren Verlauf zu kontrollieren.
Vielen Dank für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 27.09.2023.