Seit 2001 ist die sogenannte Kapselendoskopie in Deutschland im Einsatz. Sie stellt eine Alternative zur endoskopischen Magen-Darmspiegelung dar, bei der ein Schlauch mit einer Kamera zum Einsatz kommt. Die Kapselendoskopie wird bislang nur bei spezifischen Indikationen angewandt.
Eine herkömmliche Magen-Darmspiegelung empfinden die meisten Menschen als unangenehm. Auch wenn der Patient heutzutage von der Untersuchung aufgrund einer leichten Narkose kaum etwas mitbekommt, erlebt er das Schlucken des Schlauches aktiv mit.
Wie verlockend erscheint da die Möglichkeit, sich diese ganze Prozedur zu ersparen, indem man einfach eine Videokapsel schluckt, die Aufnahmen vom Darminneren liefert. Doch auch in Zukunft wird die Masse der Patienten sich einer klassischen Magen-Darm-Endoskopie stellen müssen, denn die Kapselendoskopie ist nur für besondere Fälle vorgesehen. Sie bietet nämlich vor allem für die Analyse des fünf bis sieben Meter langen Dünndarms Vorteile. Dieser lässt sich mit den herkömmlichen Untersuchungsmethoden am schwersten erreichen: vom Mund aus kann man nur die obere Hälfte des Dünndarms spiegeln, vom After aus nur die untere Hälfte. Mit der Kamera lassen sich diese zwei Untersuchungen durch eine ersetzen.
Für die Vorsorgeuntersuchungen des Magen und Darms, die ab dem 55. Lebensjahr regelmäßig durchgeführt werden sollten, kommt die Kapselendoskopie normalerweise nicht zum Einsatz. Sie wird vor allem dann angewandt, wenn Krankheiten des Magen oder Darms bereits vorliegen und eine Darmspiegelung nicht möglich ist. Das können Blutungen im Magen-Darm-Trakt sein oder eine entzündliche Darmerkrankung wie Morbus Crohn. Zunehmend wird die Kapselendoskopie auch bei Gluten-Unverträglichkeit (Zöliakie) angewandt. Dann können sich die Darmzotten verändern (Zottenatrophie). Natürlich lassen sich mit der Kamera auch Polypen und Tumore aufspüren, die allerdings im Dünndarm selten vorkommen.
Für die Endoskopie muss der Patient lediglich eine kleine Videokapsel schlucken, die 26 mal 11 Millimeter groß ist und damit ungefähr im Umfang einer größeren Vitamintablette entspricht. Die Kapselendoskopie zählt zu den sogenannten bildgebenden Verfahren: In der Kapsel befinden sich eine Lichtquelle, die für die Beleuchtung der Darmschleimhaut sorgt, und eine hochauflösende Digitalkamera. Der Mechanismus der Kamera aktiviert sich nach dem Schlucken. Die Kapsel enthält außerdem einen kleinen Sender, der die Daten der Aufnahmen an einen Datenrekorder schickt, den der Patient an einem Gürtel mit sich führt. Die Kapsel durchwandert in der Geschwindigkeit der natürlichen Peristaltik (Darmbewegung) den kompletten Verdauungstrakt und wird anschließend auf natürlichem Weg wieder ausgeschieden. Sie liefert während ihrer Magen-Darm-Passage rund 50.000 Aufnahmen. Die Videokapseln der aktuellen Generation können sich der Geschwindigkeit der Peristaltik automatisch anpassen. Bei einer schnellen Passage werden sechs Bilder pro Sekunde gemacht, bei einer langsamen nur zwei. Der Aufnahmewinkel beträgt etwas mehr als 150 Grad. Die Daten des Rekorders werden auf den Computer übertragen und können dann vom Arzt mit einer entsprechenden Software wie ein Film ausgelesen werden.
Zunächst muss geprüft werden, ob eine Kapselendoskopie überhaupt durchgeführt werden kann. Bei Patienten mit einer Dünndarmverengung zum Beispiel könnte die Videokapsel steckenbleiben und Komplikationen verursachen. Liegt der Verdacht auf eine derartige Verengung vor, erhält der Patient vorab eine Kapsel gleicher Größe, die sich aber nach rund dreißig Stunden vollständig auflöst. Um die Durchgängigkeit des Darms zu erfassen, enthält diese Kapsel eine Radiofrequenzspule, die außerhalb des Körpers von einem Scanner erfasst werden kann. Wird die Kapsel auf normalem Weg ausgeschieden, steht einer Kapselendoskopie nichts mehr im Weg.
Für die Untersuchung von Speiseröhre, Dick- oder Dünndarm stehen unterschiedliche Videokapseln zur Verfügung und auch die Vorbereitungen unterscheiden sich, je nachdem welcher Teil des Verdauungstraktes untersucht werden soll:
Damit die Videokapsel aussagekräftige Aufnahmen vom Dünndarm liefern kann, muss der Patient den Darm mithilfe von Abführmitteln reinigen und darf bis zum Zeitpunkt der Untersuchung nichts mehr essen. Je sauberer der Darm ist, desto besser kann der Arzt anschließend auch kleine Gewebeveränderungen an der Darmwand erkennen. Schon einige Tage vorher sollten daher keine Vollkornprodukte oder ballastreichen Nahrungsmittel mehr verzehrt werden. Gegebenenfalls wird zusätzlich ein entschäumendes Medikament verabreicht, um die Sicht im Dünndarm noch zu verbessern.
Dann wird dem Patienten der Gürtel mit dem Datenrekorder angelegt und er bekommt die Videokapsel verabreicht, die er mit etwas Wasser einnimmt. Der Patient kann die Praxis verlassen. Nach rund einer Stunde wird kontrolliert, wo sich die Kapsel befindet. Wenn sie ordnungsgemäß weitertransportiert wird, sollte sie zu diesem Zeitpunkt bereits durch den Magen gewandert sein. Verläuft der "Transport" der Kamera wie vorgesehen, muss der Patient erst neun Stunden nach Einnahme der Kapsel wieder in die Praxis kommen. Während der ersten beiden Stunden darf nur stilles Wasser oder Tee getrunken werden - keine Milch, Obstsäfte oder roten Getränke. Nach vier Stunden kann etwas Brühe und Brot gegessen werden. Auch Tabletten – falls notwendig – können dann eingenommen werden. Bis der Patient wieder zurück in die Praxis kommt und die Aufnahmen auf den Computer übertragen werden, sollten keine weiteren Mahlzeiten erfolgen.
Für die Kapselendoskopie des Dickdarms muss der Darm ebenfalls komplett entleert sein. Die Kapsel, die für die Untersuchung des Dickdarms verwendet wird, enthält zwei Kameras, sodass sie an beiden Enden Bilder erstellen kann und damit fast eine Rundumsicht ermöglicht. Damit die Videokapsel den Dickdarm möglichst schnell erreicht, muss der Patient zwischendurch eine spezielle Flüssigkeit trinken.
Drei Tage vor der Untersuchung sollten unter anderem folgende Lebensmittel, die besonders langsam ausgeschieden werden, vermieden werden:
Am Vortag der Untersuchung wird die Darmreinigung eingeleitet. Die Darmreinigung gelingt umso besser, je mehr der Patient am Tag der Voruntersuchung trinkt. Erlaubt sind Wasser und klare Flüssigkeiten wie Früchtetee, Kräutertee und verdünnte Fruchtsäfte. Morgens dürfen Patienten noch eine Kleinigkeit essen. Erlaubt ist etwas Weißbrot mit einer Tasse Kaffee. Nach dem Frühstück findet die erste Phase der Darmreinigung statt. Die Darmreinigung wird häufig mit einem Präparat, das den Wirkstoff Polyethylenglycol (PEG) / Macrogol enthält durchgeführt. Ein bekanntes Präparat, was häufig verschrieben wird, ist Moviprep® A und B. Der Patient bekommt vor der Darmreinigung je zwei Beutel Moviprep® A und B. Am Vortag der Untersuchung werden je ein Beutel A und B mit einem Liter Wasser vermischt. Das Gemisch aus einem Liter Wasser Moviprep® A und B sollte innerhalb von ein bis zwei Stunden eingenommen werden. Zusätzlich zum Gemisch aus Wasser und Moviprep® A und B sollte der Patient noch einen halben Liter einer anderen Flüssigkeit (Wasser, Kräuter- oder Früchtetee) zu sich nehmen.
Nach dem ersten Schluck von Moviprep® darf bis zur Untersuchung keine feste Nahrung mehr eingenommen werden. Klare Flüssigkeit ist weiterhin erlaubt. Am Tag der Untersuchung müssen die Patienten den zweiten Liter anrühren und trinken. Auch diesmal wird Moviprep® A und B gemeinsam mit einem Liter Wasser vermischt. Ebenso soll ein halber Liter einer anderen, klaren Flüssigkeit danach noch getrunken werden. Spätestens drei Stunden vor der Untersuchung sollten der Patienten damit anfangen.
Vier Stunden nach der Untersuchung kann man wieder leichte Kost zu sich nehmen.
Soll speziell die Speiseröhre untersucht werden, bleibt dem Patienten das Abführen erspart. Er muss vor Einnahme der Kapsel lediglich eine Flüssigkeit einnehmen, die die Speiseröhre reinigt. Damit die Kapsel die Speiseröhre nicht zu schnell passiert, bleibt der Patient nach Schlucken der Kamera zunächst liegen und trinkt einige Schlucke Wasser. Nach circa einer halben Stunde ist die Aufzeichnung der Bilder von der Speiseröhre abgeschlossen.
Der Vorteil der Kapselendoskopie liegt darin, dass keine Strahlenbelastung entsteht und der Patient keinen Schlauch schlucken muss. Bei Dünndarmerkrankungen kann die Kapselendoskopie Diagnosen liefern, die mit der klassischen Darmspiegelung nicht möglich sind. Bei der Diagnose des Dickdarms hat derzeit die herkömmliche Koloskopie noch die Nase vorn. Zudem werden im Rahmen einer Kolopskopie Polypen entfernt und auffälliges Gewebe kann entnommen und untersucht werden. Würde man bei einer Kapselendoskopie des Dickdarms Auffälligkeiten feststellen, müsste im Anschluss dann trotzdem eine Koloskopie erfolgen.
Für die Kapselendoskopie des Dünn- wie des Dickdarms ist eine komplette Entleerung des Darms notwendig. Da viele Patienten vor allem die Vorbereitung auf die Koloskopie als unangenehm empfinden, bietet die Kapselendoskopie diesbezüglich keine Erleichterung.
Die Untersuchung der Speiseröhre hingegen bietet für den Patienten klare Vorteile: Anders als bei einer Magenspiegelung, muss der Patient keine Abführmittel nehmen und auch keinen Schlauch schlucken. Es ist keine Vorbereitung auf die Untersuchung notwendig. Zudem dauert die Kapselendoskopie der Speiseröhre nicht länger als eine halbe Stunde. Da anders als bei einer Magenspiegelung keine Sedierung stattfindet, kann der Patient die Praxis sofort wieder verlassen und seiner gewohnten Tätigkeit nachgehen.
Komplikationen bei einer Kapselendoskopie sind selten. Ein Risiko bilden Engstellen im Darm. Bleibt die Kapsel stecken, hilft nur noch eine Operation. Da die Durchgängigkeit des Darms vorher mit einer Probekapsel getestet wird, kommt es sehr selten zu unerwarteten Schwierigkeiten. Weniger als ein Prozent der Kapselendoskopien führen zu Komplikationen. Auch Nebenwirkungen sind keine verzeichnet. Bei Patienten mit Schluckstörungen kann das Schlucken der Kapsel problematisch sein.
Aufgrund noch fehlender Daten wird die Kapselendoskopie derzeit noch nicht bei Schwangeren eingesetzt. Zeitgleich mit einer Kapselendoskopie sollte keine Kernspintomografie durchgeführt werden.
Bisher ist die Kapselendoskopie die einzige Methode, um den kompletten Darm auf nicht invasive Weise von innen zu betrachten. Eine Kapselendoskopie wird normalerweise erst dann in Erwägung gezogen, wenn eine herkömmliche Koloskopie nicht durchführbar ist oder keine aufschlussreichen Ergebnisse liefern konnte. Stuhltests können ebenfalls Vorstufen von Tumoren oder andere Darmerkrankungen aufdecken. Mit dem klassischen Stuhltest lassen sich Blutungen im Darm schnell und zuverlässig feststellen. Blut im Stuhl muss noch kein Zeichen von Darmkrebs sein, da es aus kleineren Verletzungen im Darm, aus Hämorrhoiden oder gutartigen Polypen im Darm stammen kann. Selbst Zahnfleischbluten kann für den Nachweis von Blut im Stuhl verantwortlich sein. Entscheidend ist daher auch die Menge von Blut, die im Stuhl nachgewiesen werden kann. Neben dem klassischen Blut-im-Stuhl-Test gibt es seit einiger Zeit verbesserte, immunologische Verfahren, mit denen sich Polypen und Geschwulste mit größerer Sicherheit nachweisen lassen. Auch wenn die Früherkennungsquote nicht so hoch ist wie bei der Koloskopie, haben jährlich durchgeführte Stuhltests eine gute Chance, Darmkrebs zu verhindern.
Da jede Videokapsel nur einmal verwendet werden kann, sind die Kosten entsprechend hoch. Wer eine Kapselendoskopie selbst zahlt, muss mit rund 1.200 Euro (Stand 2018) rechnen. In einigen Fällen können die Kosten von der Krankenkasse übernommen werden. Liegen unklare Blutungen im Darm vor, ist eine Kostenübernahme gewährleistet. In allen anderen Fällen sollte vorab mit der Krankenkasse geklärt werden, wer die Kosten trägt. Gesetzliche Krankenkassen zahlen die Untersuchung nur in wenigen begründeten Einzelfällen. Die Kosten für einen stationären Aufenthalt, sofern notwendig, werden nicht übernommen.
Seit 2002 sind Darmspiegelungen Teil eines nationalen Screening-Programms. Ab dem 55. Lebensjahr übernehmen die Krankenkassen die Kosten einer Koloskopie – auch ohne, dass eine ärztliche Überweisung oder eine genetische Veranlagung vorliegen muss. Bei der Darmkrebsvorsorge handelt es sich um eine klassische Koloskopie, eine Kapselendoskopie ist hier nicht vorgesehen. Auch wenn eine 2009 durchgeführte Studie gezeigt hat, dass wesentlich mehr Menschen eine Vorsorgeuntersuchung des Darms in Anspruch nehmen würden, wenn diese so schmerzfrei und komplikationslos durchgeführt werden könnte wie eine Kapselendoskopie.
Da Darmkrebs sich meist erst in einem sehr fortgeschrittenen Stadium bemerkbar macht und dann die Heilungschancen schlecht stehen, sollte der Vorsorgetermin – auch, wenn er vielleicht kurzfristig eine Belastung darstellt – wahrgenommen werden. Weniger als ein Viertel der Bevölkerung nutzt die Möglichkeit der Darmspiegelung, obwohl Darmkrebs die dritthäufigste Krebsart in Deutschland ist. Rund 25.000 Menschen sterben jedes Jahr daran. Anders als andere Vorsorgeuntersuchungen bietet eine Darmspiegelung die Möglichkeit, potenzielle Gefahrenherde wie Polypen sofort mit zu entfernen. Da harmlose Polypen sich im Lauf der Zeit zu bösartigen Tumoren entwickeln können, kann eine Koloskopie Darmkrebs nicht nur frühzeitig erkennen, sondern aktiv verhindern. Man hat errechnet, dass auf 28 durchgeführte Koloskopien eine verhinderte Darmkrebserkrankung kommt.
Vorbereitung auf die Kapselendoskopie:
https://www.youtube.com/watch?v=K9nLwun4VOI
Vor- und Nachteile Kapselendoskopie:
https://www.youtube.com/watch?v=LEFTT295xm8
aktualisiert am 02.05.2023