Wer sich den Knöchel verstaucht hat, weiß, dass sich das Gangbild verändert. Betroffene treten fortan ganz vorsichtig oder nur auf bestimmten Stellen des Fußes auf. Ziel dieses veränderten Bewegungsmusters ist es, den verstauchten Fuß zu schonen. Daher ist von einem Schonverhalten die Rede. Die Schonhaltung funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip.
Bei der Schonhaltung handelt es sich um eine Haltung, in die der Körper als Reaktion auf einen Schmerzreiz verfällt. Hierbei ist hervorzuheben, dass es sich um eine unbewusste Reaktion handelt, um Schmerzen oder übermäßigen Belastungen aus dem Weg zu gehen. Die Schonhaltung stellt eine Schutzfunktion des Körpers dar. Dabei hat der Betroffene nur bedingt Kontrolle über diesen Mechanismus, der in seinem Körper abläuft.
Ziel der Schonhaltung ist es, eine Verschlimmerung des Leidens abzuwenden. Dies erreicht der Organismus durch Veränderungen auf der muskulären Ebene. Ausgelöst werden diese Veränderungen zunächst durch einen Reiz, der bei den sensiblen Nervenfasern ankommt. Sie schlagen Alarm und weisen den Organismus auf die Schmerzen oder eine übermäßige Belastung hin.
Diesen starken Reiz versucht der Körper zu minimieren, indem er der mechanischen Belastung, die für den Reiz verantwortlich ist, entgegenwirkt. Dies geschieht, indem der Körper an bestimmten Stellen den Muskeltonus erhöht oder ihn absenkt. Praktisch bedeutet dies, dass der Körper die Muskeln als Reizantwort entweder anspannt oder sie entspannt. Durch diese Muskelbewegungen wird der Körper in eine Entlastungsposition gebracht.
Ist diese Position gefunden, dann werden die Muskeln, welche dazu in der Lage sind, diese Position zu halten, erhöht aktiviert. Die Gegenspieler dieser Muskeln werden zeitgleich daran gehindert, ein Abweichen von dieser Position möglich zu machen. Dieses Muster erklärt die Funktionsweise des sogenannten Schonverhaltens. Dabei handelt es sich um ein physiologisch ungünstiges Bewegungsmuster, welches ebenfalls unter dem Namen Ausweichmuster bekannt ist. Dieser abnormale Bewegungsablauf wird gleichermaßen von einer unbewussten Muskelreaktion gesteuert.
Wie angesichts der bisherigen Ausführungen klar sein dürfte, dient die Schonhaltung dazu, den unangenehmen Reiz zu minimieren oder ihm komplett aus dem Weg zu gehen. Diese Reize können sich wie folgt gestalten:
Eine blutende Wunde wird dem Patienten selbstverständlich auch dann, wenn er die betroffene Stelle stillhält, noch Schmerzen bereiten. Allerdings ist es bei vielen Arten von Schmerzen so, dass mechanische Reize, Druck oder Zug sowie eine Kombination dieser Einwirkungen zu deutlich mehr Schmerzen führen können. Dem wirkt der Körper mit seiner Schonhaltung entgegen.
Die beschrieben Muskelaktivitäten sorgen dafür, dass die Gelenke, Muskeln, Knochen sowie diverse Strukturen des Bindegewebes in eine weniger schmerzhafte Position gebracht werden. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass der Körper die verletzten Gelenke leicht öffnet, damit weniger Druck auf dem Knorpel und den beiden Gelenkpartnern lastet. Bei einer offenen Wunde stellt der Körper die umliegenden Gewebe so ein, dass sie möglichst wenig Zug auf die Wunde ausüben.
Daher ist die Aufgabe der Schonhaltung erst dann vollendet, wenn die Ursache, die zu den Schmerzen oder unangenehmen Empfindungen geführt hat, aus der Welt geschafft wurde. Das kann bedeuten, dass der Heilungsprozess ausreichend weit abgeschlossen ist, sodass die Wunde nicht mehr schmerzt, oder die äußeren Umstände sich zum Positiven verändert haben. Letzteres ist zum Beispiel dann der Fall, wenn das unangenehme Gefühl auf den Druck durch einen Gegenstand von außen zurückzuführen war und dieser Gegenstand entfernt wurde, sodass kein Druck mehr zu verspüren ist.
Dabei informieren die Schmerzrezeptoren den Körper darüber, inwiefern eine Schonhaltung weiterhin erforderlich ist. Abhängig von der Stärke des Schmerzreizes passt der Organismus die Schonhaltung an. Wenn sich die Situation nach und nach verbessert, lässt die Schonhaltung ebenfalls allmählich nach.
Wenngleich eine Schonhaltung des Körpers in vielen Fällen sinnvoll ist, kann es durchaus zu Problemen kommen. Obwohl die Schonhaltung einen wichtigen Zweck erfüllt, kann sie über einen längeren Zeitraum hinweg selbst Schmerzen verursachen. Diese Schmerzen können auf Muskelverspannungen, welche die Schonhaltung ausgelöst hat, zurückzuführen sein. Der Muskel ist ständig angespannt und überanstrengt und wird schmerzhaft. Außerdem kann es aufgrund einer länger anhaltenden Schonhaltung zu Fehlbelastungen kommen.
Diese Problematik wird auch dadurch verstärkt, dass in vielen Fällen eine Kombination aus einer Schonhaltung und einem Schonverhalten aus den schmerzhaften Verletzungen resultiert. Ein gutes Beispiel dafür stellt ein Patient mit einem Bandscheibenvorfall dar. Sofern dieser nicht operativ behandelt werden muss, dauert es viele Wochen, bis der Bandscheibenvorfall von alleine zurückgeht.
Während dieser Zeit gewöhnen sich die Patienten häufig einen physiologisch ungünstigen Gang an. Zunächst lindert dieser Gang ihr Leiden. Im Laufe der Zeit führt dieses abgewandelte Gangbild jedoch zu extrem verspannten Muskeln im Bereich der Oberschenkel und Hüfte. Die Muskelverspannungen können ein so extremes Ausmaß annehmen, dass selbst eine Berührung des Oberschenkels mit dem bloßen Finger sehr schmerzhaft ist.
Wer sich schon einmal vor Bauchschmerzen gekrümmt hat, weiß, dass Bauchverletzungen oder Schmerzen in der Bauchregion häufig zu einer Schonhaltung führen. Gleiches gilt für die verschiedensten Arten von Knochenbrüchen und Bandscheibenvorfällen. Auch ein Hexenschuss geht mit einer Schonhaltung einher. Beim Hexenschuss kommt es zu einer Reaktion des Körpers, die den Rücken verkrampfen lässt, um dort schmerzhafte Bewegungen unmöglich zu machen. Auch bei diesen Krankheitsbildern und Beschwerden ist eine Schonhaltung an der Tagesordnung:
Eine Schonhaltung als Reaktion auf einen verspannten Nacken ist ein häufiges Phänomen. Umgekehrt führt die Schonhaltung zu weiteren Verspannungen in dem Bereich. Die Problematik kann sich damit selbst verstärken. An diesem Beispiel lässt sich gut erklären, warum eine Schonhaltung auf Dauer schädlich ist. Zudem legt der Körper ein Schmerzgedächtnis an, sofern es über einen längeren Zeitraum immer wieder zu Schmerzen in einer bestimmten Körperregion kommt. Dies ist bei einer länger anhaltenden Schonhaltung der Fall.
Wer bei seiner PC-Arbeit Nackenschmerzen verspürt und dann in eine Schonhaltung verfällt, riskiert auf Dauer noch mehr Schmerzen. Die Betroffenen können ein derartiges Schmerzgedächtnis und Schmerzempfinden entwickeln, dass jede Bewegung für sie mit Schmerzen verbunden ist. So sinnvoll eine Schonhaltung zunächst sein mag, sie sollte Anlass dazu sein, die Ursache des Schmerzreizes möglichst schnell zu beseitigen. Nur so lässt sich eine Chronifizierung der Schmerzen umgehen. Dies ist deshalb so wichtig, da chronische Schmerzen viel schwerer zu behandeln und managen sind als akute Schmerzen.
Demnach gilt es, eine Schonhaltung zu vermeiden, sofern keine akute Verletzung vorliegt. Um der Fehlhaltung entgegenzuwirken, können Dehn- sowie Entspannungsübungen genauso hilfreich sein wie Massagen und Wärme. Die zusätzliche Ursachenbekämpfung könnte beim Beispiel der Nackenschmerzen so aussehen, dass die Betroffenen ihren Arbeitsplatz ergonomischer auslegen oder mehr Bewegungspausen einlegen. Eventuell ist Krankengymnastik im Kampf gegen die Schonhaltung sinnvoll. Ebenso ist es wichtig, dass die Patienten sich (außer bei schweren Verletzungen) so normal wie möglich bewegen, selbst wenn dies mit Schmerzen verbunden sein sollte. Schmerzstillende Medikamente, die über einen kurzen Zeitraum zum Einsatz kommen, können normale Bewegungsmuster möglich machen, da sie die Schmerzen unterbinden.
aktualisiert am 21.05.2019