Die weißen Blutkörperchen (Leukozyten) haben eine wichtige Funktion in der Abwehr von Krankheitserregern. Sie gehören damit zum Immunsystem. Nach Funktion und Gestalt werden sie in Monozyten, Lymphozyten und Granulozyten eingeteilt.
Granulozyten (lat. granulum = Körnchen und griech. cytos = Zelle) sind mit einem Anteil von 45 bis 70 Prozent die größte Gruppe der Leukozyten. Ihre Aufgabe ist besonders die direkte Bekämpfung von Krankheitserregern (Parasiten, Bakterien, Pilzen). Genauer unterschieden werden
Sie führen unterschiedliche Funktionen aus. Die Einteilung erfolgt anhand der Färbbarkeit der Körnchen (Granula) innerhalb der Zellen im Blutausstrich.
Eosinophile Granulozyten spielen bei der Antwort auf Allergien, Asthma oder Infektionen mit Parasiten eine wichtige Rolle. Eosinophilie ist die Erhöhung der Eosinophilen, wenn zum Beispiel ihr Bedarf bei Immunreaktionen erhöht ist. Kommt es ohne ersichtlichen Grund über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten zu einer deutlichen Erhöhung der Eosinophilen in Blut und Knochenmark, wird dies als Hypereosinophilie-Syndrom bezeichnet. Die dauerhafte Erhöhung der Eosinophilen schädigt verschiedene Organe. Die Erkrankung kann mit sehr unterschiedlichen Symptomen einhergehen.
Die Ursachen für das Hypereosinophilie-Syndrom sind nicht endgültig geklärt. Eine genetische Störung oder eine vorausgegangene Erkrankung können beteiligt sein. In einigen Fällen kann keine Ursache gefunden werden (idiopathisch). Organschäden entstehen durch die Freisetzung giftiger Stoffe aus den Eosinophilen, die normalerweise zur Bekämpfung von Krankheitserregern beziehungsweise Fremdkörpern eingesetzt werden. Durch diese Substanzen wird die Bildung von Blutgerinnseln (Thromben) gefördert. Außerdem kommt es zu vermehrter Einlagerung von Bindegewebe in Organe und Gewebe und damit zu ihrer Verhärtung (Fibrosen). Beides führt zu einer Minderdurchblutung der entsprechenden Bereiche. Durch Thromben kann schließlich ein kompletter Gefäßverschluss (Organinfarkt) entstehen.
Das Hypereosinophilie-Syndrom ist eine sehr seltene Blutkrankheit. Betroffen sind meist Patienten zwischen 20 und 50 Jahren. Männer erkranken häufiger als Frauen.
Unterschieden werden fünf Varianten des hypereosinophilen Syndroms:
Bei allen Varianten handelt es sich um die gleiche Erkrankung, die in unterschiedlichen Formen erscheint und verschiedene Ursachen hat.
Die Symptome können stark variieren. Bei einigen Patienten verläuft die Erkrankung völlig symptomlos. Häufig kommt es zu unspezifischen Störungen des Allgemeinbefindens mit
Im weiteren Verlauf kann grundsätzlich jedes Organ von der Erkrankung betroffen sein. Häufig sind es Herz, Haut, Lunge, Milz und Nervensystem. Je nach Organbeteiligung kommt es beispielsweise zu
In der Regel sind die entstandenen Organschäden irreparabel und führen bei schweren Verlauf zum Tod des Patienten (besonders bei Herzbeteiligung).
Durch die vielfältigen Symptome ist die Diagnose Hypereosinophilie-Syndrom letztendlich eine Ausschlussdiagnose (andere Ursachen für erhöhte Eosinophilen-Werte werden ausgeschlossen). In Krankengeschichte und klinischer Untersuchung wird der Arzt alle Symptome erfassen. Es folgt eine Blutuntersuchung. Die Leukozyten werden im kleinen Blutbild untersucht. Liegt eine Veränderung des Wertes vor, folgt in der Regel ein Differentialblutbild, das die einzelnen Unterarten der Leukozyten aufschlüsselt. Der Normalwert für Eosinophile liegt bei 50 bis 250 Zellen pro Mikroliter (µl) Blut. Bezogen auf die Gesamtleukozytenzahl sind das ein bis vier Prozent.
Eine Übersicht über das Differentialblutbild mit allen Normwerten gibt folgende Tabelle:
Zellen | in Prozent | pro µl Blut | weitere Infos |
---|---|---|---|
Alle weißen Blutkörperchen (Leukozyten) | 100 % | 4.000-10.000 | Leukozyten zu hoch Leukozyten zu niedrig |
Neutrophile Granulozyten (segmentkernig) | 50-70 % | 3.000-5.800 | Neutrophile zu hoch Neutrophile zu niedrig |
Neutrophile Granulozyten (stabkernig) | 3-5 % | 150-400 | |
Basophile Granulozyten | 0-1 % | 15-40 | Basophile zu hoch Basophile zu niedrig |
Eosinophile Granulozyten | 1-4 % | 50-250 | Eosinophile zu hoch Eosinophile zu niedrig |
Monozyten | 3-7 % | 285-500 | Monozyten zu hoch Monozyten zu niedrig |
Lymphozyten | 25-45 % | 1.500-3.000 | Lymphozyten zu hoch Lymphozyten zu niedrig |
Die Erhöhung der Eosinophilen im Blut wird auch als Eosinophilie bezeichnet. Häufigste Ursachen sind Allergien, bestimmte Krebsarten oder Infektionen mit Parasiten.
Bei einer Hypereosinophilie sind die Werte der Eosinophilen über einen längeren Zeitraum erhöht. Vom Hypereosinophilie-Syndrom spricht man, wenn die Eosinophilen mehr als sechs Monate auf über 1500 Zellen pro µl erhöht sind.
Kann in der Untersuchung ausgeschlossen werden, dass die Eosinophilie durch eine allergische Reaktion, Infektion mit Parasiten oder eine andere Erkrankung ausgelöst wurde, besteht die Verdachtsdiagnose Hypereosinophilie-Syndrom. Voraussetzung ist, dass in wiederholten Bluttests anhaltend erhöhte Eosinophilen-Werte gemessen werden.
Bei Unsicherheiten wird eine Gewebeprobe (Biopsie) aus Organen entnommen. Dort können Eosinophile nachgewiesen werden. Zur Abschätzung der Organbeteiligung werden in Blutuntersuchungen die Organwerte (auch Leber- und Nierenwerte) kontrolliert. Bei Verdacht auf Organbeteiligung beziehungsweise um diese auszuschließen, werden EKG (Elektrokardiogramm zur Testung der Herzfunktion), Lungenfunktionstest und CT-Aufnahmen (Computertomographie) von Brustkorb und Bauchraum durchgeführt.
Ob ein genetischer Defekt das Hypereosinophilie-Syndrom verursacht hat, wird in einer Untersuchung des Knochenmarks herausgefunden.
Die Therapie des Hypereosinophilie-Syndroms richtet sich nach der Schwere der Erkrankung und dem Ausmaß der Organbeteiligung. Betroffene erhalten in der Regel Cortison. In schweren Fällen wird das Syndrom mit Chemotherapeutika (Medikamenten zur Chemotherapie wie ansonsten bei Blutkrebs) therapiert. Bei speziellen Fällen mit genetischer Ursache kann das Mittel Imanitib eingesetzt werden. Vereinzelt werden Medikamente zur Reduktion der Eosinophilen-Zahl (zum Beispiel Hydroxyharnstoff) verordnet. Patienten mit sehr schwerer Eosinophilie werden stationär aufgenommen und mit intravenösem (über die Vene verabreichten) Cortison behandelt. Bei unzureichender Wirkung kommen Medikamente zur Reduzierung der Eosinophilen-Zahl zum Einsatz. Wenn sich die Blutwerte stabilisiert haben erfolgt gegebenenfalls die Chemotherapie. Die weitere Behandlung richtet sich gegen auftretende Symptome.
Bei Patienten, die keine Symptome zeigen oder bei denen keine Organschäden vorliegen, erfolgt eine strenge Überwachung über einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten. Diese erfolgt, um Komplikationen frühzeitig zu erkennen.
Wichtig ist es, alle Erkrankungen, die zu einer Eosinophilie (Erhöhung der eosinophilen Granulozyten) führen, auszuschließen. Dies sind allergische Erkrankungen, Infektionen mit Parasiten, chronische Hauterkrankungen oder eine erhöhte Eosinophilen-Anzahl während der Heilungsphase bei schweren bakteriellen Infektionen.
Die Eosinophilen-Zahl kann im Rahmen einer Blutkrebserkrankung ebenfalls dauerhaft erhöht sein (Eosinophilen-Leukämie). Bei Verdacht erfolgt eine eindeutige Unterscheidung in der Untersuchung des Knochenmarks.
Die Heilungsaussichten hängen von der Schwere der Erkrankung ab. Bei Symptomfreiheit ist es wichtig, regelmäßige Kontrolluntersuchungen einzuhalten, um Komplikationen vorzubeugen.
Bei symptomatischen Patienten mit Organbeteiligung sterben ohne Behandlung etwa 80 Prozent der Betroffenen innerhalb von zwei Jahren. Die häufigste Todesursache sind Herzschäden. Die Lebenserwartung kann mit intensiver Therapie deutlich erhöht werden. Etwa 80 Prozent der Patienten überleben, wenn die Therapie anspricht.
Unter Behandlung ist die Lebensqualität der Patienten allerdings durch starke Nebenwirkungen der Therapie und gleichzeitiges Vorliegen schwerer Symptome bei Organbeteiligung deutlich reduziert.
Einem Hypereosinophilie-Syndrom selbst lässt sich nicht vorbeugen. Vorbeugende Maßnahmen sollen jedoch bei gefährdeten Patienten schwerwiegende Komplikationen verhindern. Dies ist besonders der Fall, wenn das Herz betroffen ist. Eine Thrombenbildung (Gerinnselbildung) kann lebensbedrohlich werden und gilt als häufigste Todesursache im Zusammenhang mit dem Hypereosinophilie-Syndrom. Betroffene erhalten Medikamente, die das Verklumpen der Blutplättchen verhindern und damit eine Entstehung von Thromben verhindern. Eingesetzt werden sogenannte Thrombozytenaggregationshemmer mit den Wirkstoffen Acetylsalicylsäure oder Clopridogrel.
Bei Appetitlosigkeit ist auf eine ausreichende Zufuhr lebenswichtiger Nahrungsbestandteile (gegebenenfalls durch Nahrungsergänzungsmittel, Astronautennahrung) zu achten. Ein Mangelzustand kann einen negativen Einfluss auf den Verlauf nehmen. Patienten sollten sich grundsätzlich schonen.
Auf folgender Seite werden verschiedene Dienste für Patienten mit seltenen Erkrankungen angeboten. Unter anderem gibt es einen Chat für Betroffene mit dem hypereosinophilen Syndrom:
https://orpha-selbsthilfe.de/
aktualisiert am 02.03.2022