Kondome sind nicht hundertprozentig sicher. Sie können reißen, wenn man zu wenig Gleitgel benutzt oder bei intensiven Liebesspielen abrutschen. Und gelegentlich haben uns unsere Triebe so sehr im Griff, dass wir in einem schwachen Moment das Kondom weglassen. Wem kann man das verübeln, ist doch der Sexualtrieb der stärkste Trieb des Menschen.
Nach dem kurzen Genuss kommt die Reue, das schlechte Gewissen und in einigen Fällen die Panik vor einer HIV-Infektion. Panik ist in dieser Situation nicht angebracht. Sie hilft nicht weiter. Das HI-Virus ist nicht leicht übertragbar. Nicht jeder sexuelle Kontakt mit einem HIV-positiven Menschen führt automatisch zu einer HIV-Infektion. Es müssen einige Faktoren zusammenkommen, damit man sich ansteckt. Die Infektionswahrscheinlichkeit liegt bei ungeschütztem Analverkehr mit einem HIV-positiven Partner bei 0,82 Prozent pro Kontakt. So gering die Wahrscheinlichkeit ist, die Folgen einer HIV-Infektion sind gravierend. Aus diesem Grund sollte man eine mögliche Infektionsgefahr ernst nehmen.
Ist ein Kondom kaputt gegangen, dann ist es wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren. Mit einigen Sofortmaßnahmen reduziert man das Risiko einer HIV-Infektion etwas. Das höchste Risiko besteht bei ungeschütztem Anal- oder Vaginalverkehr. Beim Oralverkehr, sogar wenn Samenflüssigkeit geschluckt wird, ist das Risiko einer HIV-Infektion äußerst gering.
Hier eine Übersicht der Maßnahmen, die empfohlen werden, wenn es zum Malheur kommt. Diese sollten so schnell wie möglich nach dem Safer-Sex-Unfall durchgeführt werden:
Was ist passiert? | Maßnahme |
---|---|
Nach Analverkehr – „aktiver“ Partner | Penis unter fließendem Wasser und mit Seife waschen. Dabei ist es wichtig, die Vorhaut zurückzuziehen. Eichel und Innenseite der Vorhaut vorsichtig abwaschen. Keine starke Reibung oder Druck ausüben. |
Nach Analverkehr – „passiver“ Partner | Eine Darmspülung wird nicht empfohlen. Es werden keine Maßnahmen empfohlen. Bei Ejakulation in den Anus so viel Samen wie möglich aus dem Rektum entfernen (zur Toilette gehen). |
Nach Vaginalverkehr – „aktiver“ Partner | Wie auch nach Analverkehr Penis unter fließendem Wasser und mit Seife waschen. Die Vorhaut zurückzuziehen. Eichel und Innenseite der Vorhaut vorsichtig abwaschen. Keine starke Reibung oder Druck ausüben. |
Nach Vaginalverkehr – „passive“ Partnerin | Eine Vaginalspülung wird nicht empfohlen. Es werden keine Maßnahmen empfohlen. Bei Ejakulation in die Vagina so viel Samen wie möglich aus der Vagina entfernen (sich hinsetzen und die Vaginalmuskulatur zusammendrücken). |
Samenflüssigkeit im Mund / geschluckt | Samenflüssigkeit falls möglich umgehend und vollständig ausspucken. Anschließend Mund vier- bis fünfmal für ungefähr 15 Sekunden lang spülen. |
Samenflüssigkeit ins Auge gekommen | Auge mit fließendem Wasser ausspülen. |
*Aktiv und passiv bezieht sich auf eindringendem oder aufnehmendem Geschlechtsverkehr und nicht auf die Rolle beim Sex.
Diese Maßnahmen helfen, das Risiko zu reduzieren, dass ein Kondom kaputt geht:
Sobald man feststellt, dass das verwendete Kondom defekt ist, sollte man den Sex unterbrechen. Gerade in diesen schönen Momenten ist das schwierig. Aber man reduziert das Risiko einer HIV-Infektion erheblich. Wenn es möglich ist, sind die Sofortmaßnahmen durchzuführen. Das Liebesspiel kann mit einem neuen Kondom fortgeführt werden.
Die Sofortmaßnahmen reduzieren das Risiko, sich mit HIV zu infizieren, nur geringfügig. Es gibt eine Möglichkeit, eine HIV-Infektion mit hoher Wahrscheinlichkeit zu verhindern: die Postexpositionsprophylaxe, auch PEP genannt. Kommt es zu einem Safer-Sex-Unfall nimmt man vier Wochen lang HIV-Medikamente ein. Durch die Einnahme der HIV-Medikamente wird das Risiko einer HIV-Infektion erheblich reduziert.
Damit die Behandlung wirkt, muss man schnellstmöglich zu einem qualifizierten Arzt oder Krankenhaus. Am besten innerhalb der ersten 24 Stunden. Noch besser innerhalb der ersten zwei Stunden. Nach 72 Stunden wird die PEP nicht mehr empfohlen. Deshalb ist schnelles Handeln sehr wichtig. Die Gesundheit geht vor. Scham ist fehl am Platz.
Tagsüber bekommt man die PEP in HIV-Schwerpunktpraxen. Safer-Sex-Unfälle passieren selten am Tag. Zu anderen Uhrzeiten kann man sich an Krankenhäuser wenden, die eine Notfallambulanz haben und die PEP anbieten. Je schneller man handelt, desto wirksamer ist die PEP.
Die PEP wird bereits seit 1989 angewendet und empfohlen. Zu dieser Zeit wurde sie für medizinisches Personal empfohlen, das durch Nadelstichverletzungen dem Risiko einer HIV-Infektion ausgesetzt war. Aus ethischen Gründen kann man nicht prüfen, wie wirksam die PEP ist. Dazu müsste man Menschen mit HIV infizieren und sie dann behandeln. Das ist natürlich ethisch und moralisch nicht vertretbar. Man kann aber davon ausgehen, dass die PEP sehr wirksam ist. Eine hundertprozentige Garantie bietet die PEP aber nicht.
Wer öfter in die Situation gerät, schwache Momente zu haben und das Kondom weglässt, sollte sich über die Präexpositionsprophylaxe (PrEP) informieren. Die PrEP ist neben dem Kondom eine sehr wirksame Möglichkeit, sich vor einer HIV-Infektion zu schützen. Bei der PrEP nimmt man prophylaktisch und regelmäßig HIV-Medikamente ein. Die Einnahme der Medikamente schützt vor einer HIV-Infektion, aber nicht vor anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen.
Die PrEP ist sicherer als die PEP. Sie ist genau so sicher wie ein Kondom. Wer also gar nicht erst in eine solche Situation geraten will, für den stellt die PrEP eine gute Möglichkeit dar. Die Medikamente werden von den meisten Menschen sehr gut vertragen. Etwas Disziplin gehört dazu, die PrEP regelmäßig einzunehmen. Die Medikamente müssen täglich eingenommen werden.
Wer ungeschützten Geschlechtsverkehr hatte, sollte verantwortungsvoll damit umgehen und keine anderen Menschen in Gefahr bringen. Offen und ehrlich damit umzugehen, ist die wichtigste Voraussetzung dafür. Man sollte andere Menschen so behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte.
Im eigenen Interesse sollte man sich testen lassen. Im Rahmen einer HIV-PEP wird auch ein HIV-Test durchgeführt. Ein HIV-Test der 4. Generation kann sechs Wochen nach dem Risiko oder nach der HIV-PEP durchgeführt werden. Auch andere sexuell übertragbare Erkrankungen sollten ausgeschlossen werden:
Wer eine HIV-Infektion frühzeitig erkennt, der profitiert davon. Je früher man eine HIV-Infektion behandelt, um so weniger Schaden nimmt das Immunsystem.
Es gibt heute sehr wirksame Methoden, sich vor einer HIV-Infektion zu schützen. Die Sofortmaßnahmen reduzieren das Risiko einer HIV-Infektion nur geringfügig. Wer sicher gehen will, sollte so schnell wie möglich zum Arzt und falls notwendig, eine PEP durchführen lassen. Wer häufiger in die Situation kommt, kein Kondom zu benutzen, sollte sich über eine PrEP informieren. Sie schützt wirksam vor einer HIV-Infektion.
Deutsche Aidshilfe: https://www.aidshilfe.de/PEP (online, letzter Abruf: 18.08.2019)
Verywell Health: https://www.verywellhealth.com/what-should-i-do-if-a-condom-breaks-49443 (online, letzter Abruf: 18.08.2019)
DAIG Deutsche AIDS-Gesellschaft e.V. - Deutsch-Österreichische Leitlinien zur Postexpositionellen Prophylaxe der HIV-Infektion: https://daignet.de/site-content/hiv-therapie/leitlinien-1/deutsch-oesterreichische-leitlinien-zur-postexpositionellen-prophylaxe-der-hiv-infektion (online, letzter Abruf: 18.08.2019)
aktualisiert am 19.08.2019