Ein Kondom bietet keine hundertprozentige Sicherheit. Es kann im Eifer des Gefechts reißen oder abrutschen. In einem schwachen Moment kann es auch passieren, dass das Kondom weggelassen wird. Nach dem Risikokontakt plagt einem das schlechte Gewissen. Wer möchte schon wegen einem kurzem Vergnügen lebenslang Medikamente einnehmen?
Panik und schlechtes Gewissen helfen nicht weiter. Es gibt eine Möglichkeit, eine HIV-Infektion mit hoher Wahrscheinlichkeit zu verhindern. Dazu muss man vier Wochen lang HIV-Medikamente einnehmen. Diese Behandlung bezeichnet man als Postexpositionsprophylaxe oder PEP.
Die PEP (Postexpositionsprophylaxe) gehört neben der PrEP (Präexpositionsprophylaxe) zu den Möglichkeiten, sich vor einer HIV-Infektion zu schützen. Die PEP wurde schon 1989 empfohlen. Medizinischem Personal, das durch eine Nadelstichverletzung möglicherweise mit dem HI-Virus in Kontakt kam, wurde die Einnahme des Medikamentes Zidovudin empfohlen. Inzwischen werden andere Medikamente zur Durchführung einer HIV-PEP empfohlen.
Die PEP ist also eine Möglichkeit, nach einem Risikokontakt, eine HIV-Infektion zu verhindern. Die Wirksamkeit der PEP hängt stark davon ab, wann und welche Medikamente eingenommen werden. Je schneller man handelt, desto wirksamer und besser ist die PEP.
Es gibt einige Sofortmaßnahmen, die das Risiko einer HIV-Infektion nach einem Safer-Sex-Unfall wahrscheinlich reduzieren. Je schneller gehandelt wird, um so besser.
Die PEP ist im Wesentlichen für vier Gruppen von Menschen relevant:
HIV-positive Menschen, die wirksam behandelt werden und eine niedrige Viruslast haben, sind nicht ansteckend. In diesem Fall wird die PEP nicht empfohlen. Der behandelnde Arzt wird dazu beraten.
Wenn es zu einem Sexunfall kommt, dann ist es sinnvoll, die Partnerin oder den Partner zu dem Beratungsgespräch mit dem Arzt mitzunehmen. Das ist nicht immer möglich.
Bei der PEP muss man schnell handeln. Je schneller, desto besser. Die HIV-PEP erhält man von spezialisierten Krankenhäusern und Arztpraxen. Tagsüber ist die PEP in HIV-Schwerpunktpraxen erhältlich. Da es darauf ankommt, schnell zu handeln, sollte man nicht bis zum nächsten Tag warten und im Notfall eine spezialisierte Klinik aufsuchen.
Es ist nachgewiesen, dass eine HIV-PEP nach Nadelstichverletzungen oder sexuellen Kontakten das Risiko einer HIV-Infektion deutlich reduziert. Für die vor 20 Jahren übliche Behandlung mit Zidovudin wurde ein Schutzeffekt von 80 Prozent festgestellt. Man nimmt an, dass der Einsatz der heutigen Kombination von HIV-Medikamenten hochwirksam ist. Einigkeit herrschst auch darüber, dass die PEP am besten wirkt, wenn sie schnell eingenommen wird. Im optimalen Fall schon innerhalb der ersten zwei Stunden nach der HIV-Exposition.
Auch wenn die PEP sehr wirksam ist, gibt es Einzelfälle, bei denen sie nicht gewirkt hat. Der Erfolg der HIV-PEP kann nicht garantiert werden.
Zur Postexpositionsprophylaxe können unterschiedliche Medikamentenkombinationen eingesetzt werden. Es gibt bestimmte Kombinationen, die als Standardprophylaxe empfohlen werden. Die Standard-PEP besteht aus Tenofovir disoproxil-Emtricitabin und einem Integrase-Inhibitor. Das können folgende Kombinationen sein:
Diese Standard-PEP kann von erfahrenen Ärzten angepasst und verändert werden, wenn es die Umstände erfordern. Bei einer Nierenfunktionsstörung wird zum Beispiel Truvada® nicht eingesetzt und kann durch Combivir® (Zidovudin-Lamivudin) ersetzt werden.
Die Behandlung wird 28 bis 30 Tage durchgeführt. Eine längere Behandlungsdauer kann in Betracht gezogen werden, wenn mit der Behandlung erst nach 36 bis 48 Stunden gestartet wird. Die Einnahme der Tabletten sollte möglichst zur gleichen Zeit und mit einer Mahlzeit erfolgen.
Die PEP kann bei einigen Menschen am Anfang der Behandlung Nebenwirkungen auslösen. Hauptsächlich handelt es sich um Magen-Darm-Probleme, Übelkeit, Kopfschmerzen und Abgeschlagenheit. In der Regel klingen die Beschwerden im Laufe der Behandlung ab. Alle Nebenwirkungen sind aufgrund der kurzen Behandlungsdauer reversibel. Personen mit eingeschränkter Leberfunktion sollten unter besonderer Beobachtung gestellt werden. Auch die Nierenfunktion wird während der Behandlung überprüft.
Die empfohlene Standard-PEP ist aber in der Regel gut verträglich. Nebenwirkungen, die trotzdem auftreten können, sind:
Die statistischen Angaben sind mit Vorsicht zu genießen und sind davon abhängig, welche Medikamentenkombination eingesetzt wird.
Damit eine HIV-PEP durchgeführt und angeboten wird, muss ein substanzielles Infektionsrisiko vorliegen. Ein substanzielles Infektionsrisiko liegt zum Beispiel vor, wenn es zu ungeschütztem Geschlechtsverkehr mit einem HIV-positiven Menschen kommt, der nicht behandelt wird oder bei dem die Viruslast noch zu hoch ist (>1000 Kopien/ml). Hier wird die PEP empfohlen.
Bei ungeschütztem Analverkehr zwischen Männern und unbekanntem HIV-Status kann die PEP in Anspruch genommen werden. Die Entscheidung zur PEP treffen Arzt und Patient gemeinsam.
Nicht empfohlen wird die PEP, wenn nur oraler Verkehr stattgefunden hat. Selbst dann nicht, wenn bekannt ist, dass der Partner HIV-positiv ist und Samenflüssigkeit geschluckt wurde. In diesem Fall ist die Übertragungswahrscheinlichkeit sehr gering. Aus diesem Grund wird die HIV-PEP nicht empfohlen.
Wichtig: Die HIV-PEP ist für den Notfall gedacht. Sie ersetzt dauerhaft nicht eine PrEP oder die Nutzung von Kondomen. Wer also öfter in die Situation gerät, eine HIV-PEP durchführen zu müssen, sollte sich ernsthaft Gedanken über eine PrEP machen.
Bevor eine PEP durchgeführt wird, müssen einige Blutuntersuchungen stattfinden. Auch während und nach der HIV-PEP werden Kontrolluntersuchungen durchgeführt.
Zunächst wird ein Blutbild veranlasst, bei dem auch die Leber- und Nierenwerte überprüft werden (Blutbild, Transaminasen (GOT und GPT), Kreatinin, Urinstatus und -sediment). Zwei Wochen später werden die Laborwerte erneut kontrolliert.
Zu den Ausgangsuntersuchungen gehört auch ein HIV-Test, um eine frühere HIV-Infektion auszuschließen. Ist der HIV-Test positiv, macht es keinen Sinn, eine HIV-PEP durchzuführen. Der HIV-Test muss nach sechs Wochen und nach drei Monaten wiederholt werden. Aufgrund der diagnostischen Lücke kann der HIV-Test negativ ausfallen, aber trotzdem eine HIV-Infektion vorliegen.
Wichtig ist auch eine Untersuchung auf Hepatitis B und Hepatitis C zu veranlassen. Wer noch keine Hepatitis-B-Impfung hatte, kann noch geimpft werden. Vor allem bei einem sexuellen Kontakt, sollte im weiteren Verlauf überprüft werden, ob es zu einer Hepatitis-C-Infektion gekommen ist. Hepatitis-Tests werden nach sechs Wochen und nach drei Monaten wiederholt.
Bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr sollten auch Untersuchungen auf andere Geschlechtskrankheiten erfolgen (Syphilis, Tripper, Chlamydien). Kontrolluntersuchungen nach sexuell übertragbaren Erkrankungen werden nach zwei und nach sechs Wochen durchgeführt.
Wenn innerhalb der ersten zwei Monate grippeähnliche Symptome auftreten, dann muss der Arzt eine HIV-Infektion ausschließen. Verdächtig ist das vor allem dann, wenn die HIV-PEP abgesetzt wurde und anschließend innerhalb der ersten vier Wochen nach der HIV-PEP grippeähnliche Symptome auftreten. Dazu wird ein HIV-PCR-Test durchgeführt. Ein HIV-PCR-Test weist das Virus direkt nach und kann bereits ab dem 15. Tag nach dem Risikokontakt positiv ausfallen.
Die PEP wird, wenn ein tatsächliches Risiko bestand und sie von dem behandelnden Arzt als notwendig erachtet wurde, von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet.
Deutsche Aids-Gesellschaft e.V. – Deutsch-Österreichische Leitlinien zur Postexpositionellen Prophylaxe der HIV-Infektion (update 2018): https://www.aidshilfe.de/sites/default/files/documents/Deutsch-Osterreichische%20Leitlinien%20zur%20Postexpositionellen%20Prophylaxe%20der%20HIV-Infektion.pdf
Virucidal Efficacy of Soap and Water against Human Immunodeficiency Virus in Genital Secretions: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC201149/
Deutsche Aidshilfe – Safer Sex-Unfall / PEP: https://www.aidshilfe.de/PEP
HIV & more online – HIV-PEP nach sexueller Exposition: https://www.hivandmore.de/hiv-pep/sexuelleexposition.shtml
Robert Koch Institut – HIV-Infektion / AIDS: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_HIV_AIDS.html
CDC - Post-exposure Prophylaxis (PEP) for Preventing HIV after Exposure: https://www.cdc.gov/hiv/risk/pep/index.html
aktualisiert am 15.08.2019