Die Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT) ist eine Erkrankung, die als Komplikation bei einer Therapie mit Heparin auftreten kann. Heparin ist ein standardmäßig verwendetes Arzneimittel, das zur Hemmung der Blutgerinnung eingesetzt wird (Antikoagulation). Damit lässt sich eine Thrombose verhindern.
Eine Therapie mit Heparin ist zumeist sehr nützlich und sinnvoll, aber manche Patienten leiden nach einigen Tagen an einer paradoxen Wirkung des Medikaments. Die Blutplättchen (Thrombozyten) klumpen zusammen und die Menge an Blutplättchen erniedrigt sich. Ein durch Heparin ausgelöster Blutplättchenmangel, medizinisch eine Thrombozytopenie oder Thrombopenie, entsteht. Diese Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT) gefährdet Patienten stark, eine Thrombose sowie dessen weitere Folgeprobleme zu bekommen.
HIT ist eine iatrogene Erkrankung, also eine durch ärztliche Maßnahmen verursachte Störung. Die Häufigkeit einer Heparin-induzierten Thrombozytopenie beträgt bis zu zehn Prozent der mit Heparin behandelten Patienten. Dabei gibt es zwei Typen von HIT, die sich nach der Entstehung und nach der Schwere unterscheiden.
Die heparininduzierte Thrombozytopenie lässt sich in zwei Formen unterteilen. Die beiden Formen entwickeln sich jeweils nach Verabreichung des Medikaments Heparin, haben aber unterschiedliche Entstehungsmechanismen.
Heparininduzierte Thrombozytopenie Typ I (HIT Typ I) entsteht aufgrund von Wechselwirkungen zwischen dem Heparin und den Thrombozyten (Blutplättchen). Vermutlich hemmt das Heparin ein wichtiges Enzym, so dass die Thrombozyten schneller aktiviert werden, sich zusammenballen und verbraucht werden. Die Menge an Thrombozyten ist leicht niedrig. Die Blutgerinnung ist mäßig herabgesetzt. Normalerweise verläuft HIT Typ I harmlos.
Heparininduzierte Thrombozytopenie Typ II (HIT Typ II) entsteht durch einen Abwehrmechanismus. Das Immunsystem bildet Antikörper gegen Heparin, das im Blut gebunden ist. Es kommt zur Verklumpung (Immunkomplexe). Die Anzahl der Blutplättchen (Thrombozyten) kann sehr stark abnehmen und bisweilen weniger als die Hälfte des Normalwertes betragen. Die Blutgerinnsel können Blutgefäße verlegen und damit sehr schwerwiegende Folgen haben, unter anderem Herzinfarkt und Schlaganfall oder eine Lungenembolie (Verschluss eines Lungengefäßes). Bei länger andauernder Behandlung mit Heparin ist das Risiko für HIT Typ II erhöht. Wenn Heparin weniger als fünf Tage lang gegeben wird, kommt es nur selten zu der Störung. Des Weiteren ist die Entwicklung der HIT Typ II nach Heparingabe dosisabhängig.
Die Symptome sind bei HIT Typ I und HIT Typ II sehr unterschiedlich schwer, eine HIT Typ I wird von vielen Betroffenen gar nicht bemerkt. Die Konzentration der Blutplättchen (Thrombozyten) ist nur wenig erniedrigt und die Störung gibt sich nach einigen Tagen wieder.
Heparininduzierte Thrombozytopenie (HIT) Typ II ist hingegen oft durch einen sehr starken Rückgang der Anzahl von Blutplättchen gekennzeichnet. Die Folgen des Blutplättchenmangels können entsprechend ausgeprägt sein. Die HIT zeigt sich meist ausgeprägt nach 5 bis 14 Tagen nach dem Beginn der Heparingaben. Wird zum ersten Mal Heparin gegeben, kann die HIT Typ II erst nach ein bis zwei Wochen auftreten. Bei wiederholter Gabe von Heparin sind die Antikörper wesentlich schneller vorhanden und nach wenigen Tagen können Probleme auftreten. Die Gefahr für eine Bildung von Blutgerinnseln (Thromben) steigt.
Charakteristische Folgen von HIT Typ II sind Thrombosen in den Beinvenen, aber auch Thrombosen in den Arterien, die zur Schädigung des versorgten Gewebes führen können. Gliedmaßen (zumeist Teile der Beine) können so stark geschädigt werden, dass sie amputiert werden müssen. Auch Schlaganfälle, Herzinfarkt oder eine Lungenembolie (Verlegung einer Lungenarterie mit möglicher Atemnot, Schmerzen und Bewusstseinsverlust) können als schwere bis lebensbedrohliche Komplikationen eintreten. Obwohl ein massiver Blutplättchenmangel vorliegt, sind schlimme Blutungen allerdings sehr selten. Die Haut an der Einstichstelle kann bei einer HIT Typ II ebenfalls geschädigt sein, Gewebe kann dort absterben (Nekrose).
Eine heparininduzierte Thrombozytopenie (HIT) wird als Verdachtsdiagnose geäußert, wenn während oder im Anschluss an eine Therapie mit Heparin der Thrombozytenwert zu niedrig wird. Bei der HIT Typ II ist dies besonders massiv der Fall. Ebenfalls sind Blutgerinnsel-Ereignisse typisch.
Die Blutuntersuchung ist ein ausschlaggebendes Mittel zur Diagnose, um den Thrombozytenmangel nachzweisen. Anhand einer Blutprobe können im Labor auch Antikörper gegen Heparin (heparinspezifische Antikörper) festgestellt werden, unter anderem mit der Methode ELISA. Ein weiterer möglicher Test ist HIPA (heparin induced platelet aggregation). Dazu werden Blutplättchen (Thrombozyten) des Patienten mit Heparin versehen, um zu prüfen, ob sich Verklumpungen bilden.
Anhand mehrerer Parameter kann der sogenannte Magnani-Score ausgewertet werden, der die Wahrscheinlichkeit für eine Erkrankung an HIT (heparininduzierter Thrombozytopenie) angibt. Hierfür wird unter anderem das Ausmaß der Verminderung an Blutplättchen (Thrombozyten), die Zeiten zwischen Heparingabe und Thrombozytenverminderung, Bildung von Blutgerinnseln und Hautreaktionen an der Einstichstelle herangezogen. Bei einem Score von 7 bis 13 gilt die HIT (heparininduzierte Thrombozytopenie) als gegeben.
Einige Erkrankungen des Blutes haben ähnliche Erscheinungen wie eine heparininduzierte Thrombozytopenie (HIT). Ein Beispiel ist die disseminierte intravasale Gerinnung (DIC). Weil bei dem Krankheitsbild aufgrund einer übermäßigen Blutgerinnung wichtige Stoffe zur Gerinnung verbraucht werden, kommt es zu einer massiven Blutungsneigung. Die DIC kommt normalerweise bei schweren Erkrankungen vor, beispielsweise einem Schock, Erkrankungen von Organen oder bei einer Fehlgeburt. Diverse weitere Erkrankungen können ebenfalls die Ursache für eine Störung sein, die der HIT ähnelt.
Eine Thrombozytopenie (zu wenig Blutplättchen) kann auch als Reaktion auf eine erhaltene Bluttransfusion auftreten, gegen die Antikörper gebildet werden, und ähnliche Symptome wie die HIT hervorrufen.
Besteht ein Verdacht auf einen niedrigen Thrombozytenwert und damit auf die Komplikation HIT, dann muss der Arzt unverzüglich handeln. Es müssen zunächst nicht die Ergebnisse der Laboruntersuchung abgewartet werden, da sonst zu viel Zeit verloren geht. Das Heparin muss abgesetzt werden, zur Blutgerinnungshemmung muss stattdessen ab jetzt ein anderes mögliches Medikament angewendet werden. Häufig wird der Wirkstoff Argatroban eingesetzt, der die Gerinnung herabsetzt, aber nicht die HIT fördert. Weitere mögliche Mittel, die anstelle des Heparins angewendet werden können, sind Danaproid und Lepirudin. Das Personal muss des Weiteren darauf achten, dass auch auf anderem Wege kein Heparin an den Körper gelangt. Es kann sich in Salben, in Spülungen oder an Kathetern befinden.
Eine Vorbeugung der Erkrankung HIT ist möglich, indem kein herkömmliches (unfraktioniertes), sondern ein niedermolekulares (kurzkettiges) Heparin gegeben wird. Das Risiko für HIT ist dann wesentlich geringer. Ebenfalls sollte der Zeitraum, in dem Heparin verabreicht werden muss, möglichst kurz gehalten werden. Patienten, bei denen bereits zuvor eine HIT bestand, dürfen nicht wieder Heparin bekommen, sondern müssen ein Ersatzmedikament bekommen, wenn die Gerinnung gehemmt werden soll.
HIT (heparininduzierte Thrombozytopenie) vom Typ I ist meist ganz harmlos. Eine HIT Typ II hingegen kann schwerwiegende bis lebensbedrohliche Zustände mit sich bringen. Bei Typ II kommt es beispielsweise bei einem Drittel der Fälle zu einer Venenthrombose, die wiederum weitere Schäden und Komplikationen nach sich ziehen kann. Folgen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Lungenembolie können im schlimmsten Fall zum Tod des Betroffenen führen.
Heparininduzierte Thrombozytopenie - detaillierte Infos aus der Labormedizin
aktualisiert am 30.03.2023