Das Interview entstand in Zusammenarbeit mit Oberärtzin Dr. Ricarda Rauschenberg der Universitätsklinik Dresden, die ihren Forschungsschwerpunkt sowie eine mehr als 10-jährige onkologische Expertise auf dem Gebiet der Melanomhirnmetastasen besitzt. Herzlichen Dank für die tolle Zusammenarbeit.
Prof. Meier: Hautkrebs wird hauptsächlich durch UV-Licht ausgelöst. Vor allem intensive und irreguläre Sonnenexpositionen (wie z.B. bei Sonnenbränden) erhöhen das Risiko, an schwarzem Hautkrebs zu erkranken. Vermutet wird, dass die Inzidenz durch Veränderungen des Schönheitsideals (hin zu gewünschter Hautbräunung) und Lifestyles (Solariennutzung, mehr Urlaube am Meer, Aktivitäten im Freien) seit den 1950er Jahren weiterhin ansteigt.
Prof. Meier: Sie hängt entscheidend von der Ausbreitung bzw. vom (AJCC-)Stadium ab. Je früher der Hautkrebs entdeckt wird, desto höher sind in der Regel die Heilungschancen. Während Betroffene im niedrigsten Stadium (I) keiner zusätzlichen Sterblichkeit durch die Tumorerkrankung ausgesetzt sind (relatives 5-Jahres-Überleben [5JRÜ] ≥100 %), sinkt die 5-Jahres-Überlebensrate im Stadium der Fernmetastasierung (IV) auf ca. 35 %.
Je früher der Hautkrebs entdeckt wird, desto höher sind in der Regel die Heilungschancen.
Prof. Meier: Prinzipiell in alle. Besonders häufig sind jedoch die Lymphknoten, Haut, Leber, Lunge und das Gehirn betroffen.
Prof. Meier: Sobald die Melanomzellen die Basalmembran der Oberhaut durchdringen und in die Lederhaut eindringen, besteht über die Lymph- und Blutgefäße eine Metastasierungsgefahr, d.h. je größer die Invasionstiefe, desto höher das Metastasierungsrisiko.
Darüber hinaus ist die Ab- und Ansiedelung von Krebszellen ein komplexer, mehrschrittiger Prozess. Melanommetastasen weisen zahlreiche genetische Veränderungen auf, die zur Überaktivierung von Signalwegen und damit zu unkontrolliertem Tumorwachstum führen können. Außerdem spielen epigenetische Mechanismen eine Rolle. Sie beeinflussen, wie aktiv ein Gen ist, d.h. ob die auf ihm enthaltenen Informationen weitergegeben werden. Schließlich trägt auch die Tumorumgebung zur Metastasierung bei.
Prof. Meier: Melanommetastasen stammen von mutierten Zellen der Haut oder Schleimhaut, den Melanozyten. Sie gelangen über den Blutweg ins Gehirn. Die Ansiedelung dort erfordert eine hohe Plastizität der Metastasen, also die Fähigkeit zur Anpassung an die Umgebung (z.B. die Entwicklung eines neuronalen Phänotyps). Bestimmte Zellen im Gehirn und deren Botenstoffe scheinen zudem die Ansiedelung, das Überleben und das Wachstum von Metastasen zu begünstigen.
Melanommetastasen stammen von mutierten Zellen der Haut oder Schleimhaut, den Melanozyten. Sie gelangen über den Blutweg ins Gehirn.
Prof. Meier: Abhängig von der Lokalisation, Größe und Ausdehnung der Hirnmetastasen können die Patienten asymptomatisch oder symptomatisch mit neurologischen Ausfallserscheinungen (z.B. Lähmungen, Wortfindungsstörungen, Sehstörungen) sowie Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit/Erbrechen und epileptischen Anfällen sein.
Prof. Meier: Neben der Operation und Strahlentherapie stehen mehrere medikamentöse Therapieoptionen wie z.B. Immun-Checkpoint-Inhibitoren und BRAF-/MEK-Inhibitoren zur Verfügung. Das individuelle Behandlungskonzept sollte in einer interdisziplinären Tumorkonferenz in Anwesenheit der behandelnden Onkologen, der Neuroonkologen, Neuroradiologen, Neurochirurgen, Radioonkologen und Neuropathologen festgelegt werden.
Prof. Meier: Bis 2011 konnten medikamentös lediglich Chemotherapien eingesetzt werden, die das Gesamtüberleben der Patienten nicht verlängern konnten. Inzwischen haben Immun-Checkpoint-Inhibitoren wie der PD-1-Antikörper Nivolumab in Kombination mit dem CTLA-4-Antikörper Ipilimumab sowie BRAF-/MEK-Inhibitoren wie die Kombination Dabrafenib und Trametinib die Prognose für Patienten mit Melanom-Hirnmetastasen deutlich verbessert.
So erzielt Nivolumab kombiniert mit Ipilimumab für Patienten mit asymptomatischen Hirnmetastasen eine intrakranielle Ansprechrate von ca. 50% und eine 5-Jahres-Überlebensrate von ebenfalls ca. 50%. Bei Patienten mit symptomatischen Hirnmetastasen ist das Therapieansprechen deutlich niedriger.
Für die BRAF-/MEK-Inhibitor Kombination Dabrafenib und Trametinib betrug die intrakranielle Ansprechrate bei asymptomatischen und symptomatischen Hirnmetastasen ca. 60 %. Allerdings war die mediane Ansprechdauer im Gehirn mit ca. 6 bzw. 4 Monaten für die asymptomatischen bzw. symptomatischen Hirnmetastasen kürzer im Vergleich zu extrakraniellen Metastasen mit ca. 10 Monaten.
Es besteht ein internationaler Konsensus, dass Patienten mit Hirnmetastasen im interdisziplinären Tumorboard vorgestellt und ggf. multimodal (neurochirurgisch, strahlentherapeutisch, systemtherapeutisch) behandelt werden.
Prof. Meier: Ohne Therapie ist die Prognose für Patienten mit Melanom-Hirnmetastasen ungünstig mit einer zu erwartenden Überlebenszeit von wenigen Monaten. Mit der Verfügbarkeit von Immun-Checkpoint- und BRAF-/MEK-Inhibitoren und bei interdisziplinärer/multimodaler Behandlung der Patienten mit Hirnmetastasen hat sich die Prognose deutlich verbessert, sodass wir inzwischen Langzeitüberlebende mit Zustand nach Melanom-Hirnmetastasen betreuen. Ob wir hier von Heilung sprechen können, ist noch unklar.
Prof. Meier: Die präklinische und klinische Forschungsaktivität für Patienten mit Hirnmetastasen hat erfreulicherweise deutlich zugenommen. Zahlreiche retrospektive Studien sprechen dafür, dass die Kombination insbesondere von Immun-Checkpoint-Inhibitoren und stereotaktischer Strahlentherapie das Gesamtüberleben verlängert ohne wesentlichen Einfluss auf die Verträglichkeit der Behandlungen zu haben. Jedoch müssen die Daten im Rahmen von prospektiven Studien bestätigt werden, die aktuell durchgeführt und ausgewertet werden (z.B. ABC-X Studie, NCT03340129).
Zudem wird der Einsatz neuer Kombinationen (z.B. anti-LAG-3 plus anti-PD-1, BRAF-/MEK- plus Immun-Checkpoint-Inhibitoren) in klinischen Studien geprüft. Weiterhin wird die Inhibition von für die Hirnmetastasierung relevanten Signalwegen in frühen klinischen Studien untersucht. Präklinisch wird u.a. versucht, Melanom-Hirnmetastasen durch den Vergleich mit anderen Organmetastasen besser zu charakterisieren, um hirnspezifische Therapieresistenz besser zu verstehen und Ansatzpunkte für neue Therapien zu entwickeln (u.a. im Rahmen unseres NCT- und BMBF-Projekts)
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 05.07.2024.