High Intensity Training (HIT) ist eine Methode des Krafttrainings, bei der kurz, aber intensiv trainiert wird, wobei pro Übung meist nur ein Satz bis zum Muskelversagen ausgeführt wird. Dabei ist die korrekte Bewegungsausführung besonders wichtig, um Schwungkräfte zu vermeiden und das Verletzungsrisiko zu minimieren. Obwohl nicht immer bis zum Muskelversagen trainiert werden muss, ist es wichtig, nahe genug an die Erschöpfung zu kommen, um einen Trainingsreiz zu setzen. HIT eignet sich besonders für Menschen, die effektiv trainieren wollen, und kann auch bei älteren Menschen helfen, dem Muskelabbau entgegenzuwirken.
Prof. Gießing: High-Intensity Training (HIT) ist eine Methode des Krafttrainings. Die deutsche Bezeichnung lautet Hochintensitätstraining und wird ebenfalls als "HIT" abgekürzt. Beim HIT trainiert man kurz, aber intensiv. Nach einem kurzen allgemeinen Aufwärmen, z.B. auf einem Radergometer, wärmt man die zu trainierende Muskulatur noch mit einem oder zwei leichten Sätzen auf und dann beginnt das eigentliche Training. Von jeder Übung wird in der Regel nur ein Satz ausgeführt, dieser aber mit der größtmöglichen Wiederholungszahl. Wer beispielsweise zehn Wiederholungen schafft, versucht dann auch noch die elfte. Der Satz ist erst dann beendet, wenn das Gewicht nicht mehr in korrekter Technik bewegt werden kann.
Vorbildliche Technik und langsame Bewegungsausführung sind weitere wichtige Bestandteile des HIT. Pro Trainingseinheit werden in der Regel höchstens zehn Übungen trainiert, meist sogar weniger, sodass die Trainingseinheiten insgesamt nur etwa 30 bis 45 Minuten dauern. Anschließend bekommen die Muskeln ausreichend Zeit zur Regeneration.
Prof. Gießing: Das hängt davon ab, ob das Training als Ganzkörpertraining durchgeführt wird oder ob unterschiedliche Muskeln an unterschiedlichen Tagen trainiert werden. Bei einem Ganzkörpertraining reicht bereits eine Trainingseinheit pro Woche, um kleine, aber messbare Fortschritte zu erzielen, wobei zwei wöchentliche Trainingseinheiten durchschnittlich deutlich bessere Ergebnisse bringen als nur eine. Wenn die Muskulatur auf unterschiedliche Trainingseinheiten aufgeteilt wird, z.B. wenn entweder der Oberkörper oder der Unterkörper trainiert wird, kann auch insgesamt dreimal oder maximal viermal pro Woche trainiert werden. Selbst Hochleistungssportler trainieren beim HIT maximal viermal pro Woche. Tägliches Krafttraining wie es beim sog. Volumentraining mitunter praktiziert wird, ist beim HIT weder erforderlich, noch sinnvoll.
Bei einem Ganzkörpertraining reicht bereits eine Trainingseinheit pro Woche,..., wobei zwei wöchentliche Trainingseinheiten durchschnittlich deutlich bessere Ergebnisse bringen als nur eine.
Prof. Gießing: Nein, ganz im Gegenteil: Der Begriff „High-Intensity“ bezieht sich auf die hohe Anstrengungsintensität („intensity of effort"), die auch als Trainingsintensität bezeichnet wird. So wie beim HIT trainiert wird, nämlich mit lupenreiner Bewegungsausführung und betont langsamen Wiederholungen, müssen die Trainingsgewichte im Vergleich zu konventioneller Ausführung sogar etwas reduziert werden. Für die überaus korrekte und langsame Bewegungsausführung gibt es gleich zwei wichtige Gründe:
Da beim HIT beides vermieden wird, ist das Verletzungsrisiko beim HIT so gering, dass es bei einigen Studien unterhalb der Nachweisgrenze lag, d.h. es kamen praktisch überhaupt keine Verletzungen vor.
Prof. Gießing: Der Begriff "Muskelversagen" klingt tatsächlich dramatisch, beschreibt aber etwas völlig Ungefährliches: Angenommen Sie schaffen fünf Klimmzüge und merken schon während der fünften Wiederholung, dass Sie die sechste Wiederholung nicht mehr schaffen werden, aber versuchen es trotzdem. Vielleicht schaffen Sie es dann noch, sich ein paar Zentimeter hochzuziehen, doch dann kommen Sie an einen Punkt, an dem es nicht mehr weitergeht. Dieser Punkt ist definiert als der „Punkt des momentanen Muskelversagens“ und bedeutet lediglich, dass Sie die beteiligten Muskelfasern durch Ihr Training soweit erschöpft haben, dass die aktuelle Bewegung mit dem verwendeten Gewicht aufgrund vorübergehender Muskelfaserermüdung nicht mehr weiter ausgeführt werden kann. Diese vorübergehende Muskelerschöpfung ist durchaus erwünscht, denn sie veranlasst den Körper, sich anzupassen und die Muskelfasern stärker zu machen, um beim nächsten Mal besser vor diesem Energiemangel geschützt zu sein.
Prof. Gießing: Nein, auch hier ist die Forschungslage eindeutig. Um einen Trainingsreiz zu erzeugen und Muskelwachstum zu stimulieren, reicht es aus, den Trainingssatz kurz vor dem Muskelversagen zu beenden. Das Problem dabei ist nur: Wenn man die letze(n) Wiederholung(en) gar nicht erst versucht, weiß man auch nicht, wie viele man geschafft hätte. Somit ist dann auch nicht immer klar, ob man nahe genug an die Erschöpfung heran trainiert hat. Studien haben gezeigt, dass selbst erfahrene Kraftsportler sich häufig um mehrere Wiederholungen verschätzen, wenn sie vor der Übung prognostizieren sollen, nach welcher Wiederholung sie das Muskelversagen erreichen.
Um einen Trainingsreiz zu erzeugen und Muskelwachstum zu stimulieren, reicht es aus, den Trainingssatz kurz vor dem Muskelversagen zu beenden.
Prof. Gießing: Die Trainingsmethodik beim HIT ist nicht an bestimmte Geräte gebunden. Beim HIT wird mit langsamen, biomechanisch korrekten Wiederholungen (etwa 6-15 pro Satz), intensiv (bis zur lokalen Muskelerschöpfung) und mit geringem Umfang (ein Satz pro Übung) trainiert. Diese Trainingsparameter lassen sich theoretisch auch bei Körpergewichtsübungen wie Kniebeugen, Klimmzügen, Dips usw. anwenden.
Praktisch gibt es dabei aber ein zentrales Problem: Wenn das Körpergewicht als Widerstand verwendet wird, trainiert man jede Übung mit exakt dem gleichen Gewicht. Das führt zwangsläufig dazu, dass der Widerstand für einige Übungen wie z.B. Kniebeugen eigentlich zu leicht und für andere Übungen viel zu schwer ist. Wer schafft schon 6-15 technisch korrekte Klimmzüge? Man muss daher schon weit fortgeschritten sein, bevor man ein HIT ausschließlich mit Körpergewichtsübungen umsetzen kann.
Ein zentraler Vorteil von Trainingsgeräten besteht darin, dass der Widerstand sich exakt auf die individuellen Bedürfnisse einstellen lässt. Auch mit Hanteln lässt sich ein HIT gut trainieren. Wenn beim Hanteltraining bis zum Muskelversagen trainiert wird, sollte aber ein Trainingspartner bereit stehen, um bei Übungen wie Bankdrücken beim Ablegen der Hantel helfen zu können, wenn die Muskelerschöpfung erreicht wurde und man es allein nicht mehr schafft.
Prof. Gießing: Ein HIT sollte keinesfalls als Konkurrenz oder gar Ersatz für ein Cardiotraining gesehen werden, sondern vielmehr als eine sinnvolle und wichtige Ergänzung. Die Kombination aus regelmäßigem Ausdauertraining („Cardio“) und einem ebenfalls regelmäßig betriebenen Krafttraining ist aus gesundheitlicher Sicht ideal. Schaut man sich die jeweiligen Trainingsparameter an, wird auch schnell deutlich, warum gerade das HIT eine so gut geeignete Ergänzung zu einem Ausdauertraining ist: Beim Ausdauertraining, z.B. Laufen, Schwimmen, Radfahren, bewegt man sehr viele Muskeln mit relativ geringer Intensität über einen längeren Zeitraum, wobei das Herz-Kreislauf-System die arbeitenden Muskeln mit allem dafür Notwendigen, einschließlich Sauerstoff, versorgt, weshalb man ja auch von aerobem Training spricht.
Beim Krafttraining, insbesondere beim HIT ist die Muskelarbeit im Gegensatz dazu lokal, findet also bei den entsprechenden Übungen jeweils nur in einer bestimmten Anzahl an Muskeln statt. Diese arbeiten dann anaerob, intensiv und nur über einen kurzen Zeitraum, weil nach kurzer Zeit der Energiebedarf der Muskelfasern über der Energiebereitstellung liegt, wodurch als Trainingseffekt die anaerobe Energiebereitstellung verbessert wird. Das HIT trainiert somit genau jene Funktionen, die beim Ausdauertraining weniger oder gar nicht trainiert werden und umgekehrt trainiert ein Ausdauertraining den Körper in einer Weise, die ein Krafttraining nicht leisten kann.
Die Kombination aus regelmäßigem Ausdauertraining („Cardio“) und einem ebenfalls regelmäßig betriebenen Krafttraining ist aus gesundheitlicher Sicht ideal.
Prof. Gießing: Die Forschung zeigt inzwischen eindeutig, dass stundenlange Trainingseinheiten nicht notwendig sind. Beim HIT gelingt es auch mit überschaubarem Zeitaufwand, beeindruckende Erfolge zu erzielen. Früher ging man davon aus, dass man immer mehr trainieren müsse, je fortgeschrittener man ist. Heute wissen wir, dass es meist sinnvoller ist, intensiver zu trainieren, anstatt das Trainingsvolumen immer weiter hoch zu schrauben, weil man sonst irgendwann einen Trainingsumfang erreicht, der nicht mehr zu bewältigen wäre oder von dem man sich nur schwer erholen kann.
Prof. Gießing: Grundsätzlich sollte vor jeder Form der sportlichen Betätigung eine ärztliche Untersuchung auf gesundheitliche Sporttauglichkeit erfolgen. Für Personen, die gerade erst mit dem Training beginnen, ist das HIT eher nicht geeignet. Zu Beginn geht es mehr darum, bei allen Übungen die korrekte Ausführung zu erlernen und einzuüben. Außerdem reagiert der Körper am Anfang auch sehr gut auf weniger intensive Reize, da das Training ja etwas ganz Neues ist und einen ungewohnten Reiz für den Körper darstellt. Eine Faustregel lautet, dass man mindestens sechs Monate regelmäßig trainiert haben sollte, bevor man mit einem HIT beginnt. Sehr gut geeignet ist das HIT für Personen, die Wert auf Effizienz legen und Freude daran haben, sich beim Training richtig anzustrengen. Das Verhältnis von zeitlichem Aufwand und Ertrag ist beim HIT außergewöhnlich gut, die Methode daher besonders effizient.
Prof. Gießing: Ja, den hat es definitiv: Das HIT ist anstrengender als andere Trainingsmethoden. Manchen Sportlern macht gerade das großen Spaß, andere empfinden die hohen Anstrengungen als eher unangenehm. Bei Probandenbefragungen nach Studien haben wir schon mehrfach Antworten wie diese bekommen: „Ich bin sehr zufrieden, habe mit dem HIT sehr gute Erfolge mit wenig Zeitaufwand erzielt. Aber auf Dauer wäre mir diese Form des Trainings zu anstrengend“.
Das HIT ist anstrengender als andere Trainingsmethoden.
Prof. Gießing: Nein, das ist ein verbreitetes Missverständnis. Das HIT eignet sich für alle, die mit überschaubarem Zeitaufwand Muskeln und Kraft aufbauen oder zumindest erhalten wollen. Gerade für Ältere bietet das HIT einen ganz wichtigen Vorteil: Ältere Menschen leiden häufig unter Sarkopenie, also altersbedingtem Muskelrückgang. Das ist ein riesiges Problem für die Gesundheit und dabei geht es nicht nur um den Kraftverlust, der damit einhergeht und dazu führen kann, dass jemand seinen Alltag nicht mehr bewältigen kann und in ein Pflegeheim umziehen muss. Über die rein motorische Funktion hinaus haben unsere Muskeln auch viele metabolische Funktionen. Sie sind z.B. unser mit Abstand größter „Zuckerspeicher“, um nur einen Aspekt von vielen zu nennen.
Die Muskelglykogenspeicher können mit Leichtigkeit vier- oder fünfmal so viele Kohlenhydrate speichern wie unsere Leber. Bei Muskelschwund verschwindet dann auch ein Großteil dieses wichtigen Speichers und Regulators für den Blutzuckerspiegel. Es ist inzwischen eindeutig belegt, dass Muskelschwund das Risiko, am sogenannten Altersdiabetes (Diabetes mellitus Typ II) zu erkranken, dramatisch erhöht. Aus diesem und vielen weiteren Gründen sollte Muskelschwund unbedingt vermieden werden. Inzwischen ist eindeutig belegt, dass chronische Inaktivität dazu führt, dass Muskelfasern im Alter abgebaut werden. Dabei sterben nicht nur die Muskelfasern ab, sondern die gesamte motorische Einheit (Nervenzelle mit Nervenbahn und Muskelfasern), was zur Folge hat, dass diese Fasern unweigerlich verloren sind.
Gerade die wichtigen Typ II-Muskelfasern, die relativ groß sind und viel Kraft produzieren können, verschwinden als erste. Diese Fasern werden hauptsächlich für zwei Anforderungen benötigt: Sehr schnelle oder sehr intensive Muskelkontraktionen. Die meisten Alltagsanforderungen können wir auch überwiegend mit unseren Typ I-Fasern bewältigen, da diese leicht aktiviert werden können und sehr ermüdungsresistent sind. Wer auch die Typ II-Fasern erhalten will, benötigt daher intensive Muskelarbeit. Das HIT mit seinem Training bis zur lokalen und momentanen Muskelerschöpfung ist daher hervorragend geeignet, um der Sarkopenie entgegen zu wirken.
Die gute Nachricht ist: Der altersbedingte Muskelverlust lässt sich durch entsprechendes Training nicht nur stoppen, sondern sogar umkehren. Ältere Sportler sollten sich dabei auch nicht von den zuvor erwähnten Begriffen abschrecken lassen. Weder hohe Intensitäten noch Muskelversagen sind gefährlich. Im Grunde bedeutet es ja nur, dass man soviele Wiederholungen macht wie man machen kann und nicht schon vorher abbricht.
Egal, ob man sich für das HIT oder für konventionelles, eher umfangsorientiertes Krafttraining entscheidet: Wichtig ist, dass man zusätzlich zum Ausdauertraining auch ein regelmäßiges Krafttraining betreibt - und das am besten lebenslang.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 30.09.2024.