Prof. Böttiger: Der plötzliche Herztod (der sogenannte Herz-Kreislaufstillstand) tritt auf, wenn das Herz plötzlich und unerwartet aufhört zu schlagen. Dies geschieht in der Regel aufgrund einer schwerwiegenden Herzrhythmusstörung. In diesen Fällen wird das Herz so schnell und unregelmäßig, dass es nicht mehr effektiv das Blut pumpen kann, was zu einem plötzlichen Bewusstseinsverlust und innerhalb von Minuten zum Tod führen kann, wenn keine sofortige Herzdruckmassage erfolgt. Allein in Deutschland erleiden jedes Jahr mehr als 70.000 Menschen einen plötzlichen Herz-Kreislaufstillstand. Er ist hierzulande die dritthäufigste Todesursache.
Prof. Böttiger: Die Überlebensrate beträgt derzeit in Deutschland ca. 10%. Sie ist maßgeblich abhängig von einer schnellen Reaktion und dem Handeln umstehender Personen (z.B. durch eine Herzdruckmassage). Unverzügliches Handeln ist so wichtig, da bereits innerhalb von 3-5 Minuten Strukturen im Gehirn irreparabel geschädigt werden. Der Rettungsdienst in Deutschland ist jedoch im Mittel erst nach 9 Minuten vor Ort. In ländlichen Gebieten benötigt er oftmals noch länger. Die sogenannte Laienreanimation, also die Herzdruckmassage bzw. die Wiederbelebung durch umstehende Personen bzw. Ersthelfende, ist die einzige und effektivste Methode, das Leben der Betroffenen zu retten. Und ein Leben zu retten ist kinderleicht!
Die Überlebensrate beträgt derzeit in Deutschland ca. 10%.
Prof. Böttiger: Eine breitere Aufklärung der Öffentlichkeit über die Bedeutung von Wiederbelebung ist wichtig. Dazu tragen Kampagnen, wie der jährlich stattfindende World Restart a Heart Day oder die Woche der Wiederbelebung, bei. Dabei ist es wichtig, schon bei den Jüngsten zu beginnen. Dazu setze ich mich maßgeblich dafür ein, einen verpflichtenden Schulunterricht in Wiederbelebung, spätestens ab der 7. Klasse, deutschlandweit zu implementieren. Jeder sollte im Notfall die 3 wichtigen Schritte zur Wiederbelebung „PRÜFEN - RUFEN - DRÜCKEN“ im Kopf haben und sofort umsetzen. Unsere skandinavischen Nachbarländer zeigen es bereits. Beginnt man mit regelmäßigen Wiederbelebungstrainings schon im Schulkindalter, verlieren die Kinder die Scheu zu helfen und festigen das Wissen über Wiederbelebung über ihr ganzes Leben hinweg. Dadurch konnte Dänemark beispielsweise die Laienreanimationsquote auf über 80% steigern.
Prof. Böttiger: Erleidet eine umstehende Person einen plötzlichen Herz-Kreislaufstillstand, benötigt diese sofortige Hilfe. Mit Hilfe der Leitformel „PRÜFEN - RUFEN - DRÜCKEN“ kann man im Ernstfall ein Leben retten:
Die Person ansprechen, ggf. leicht an den Schultern rütteln. Das Bewusstsein und eine normale Atmung (keine Schnappatmung) überprüfen.
Erfolgt keine Reaktion der betroffenen Person und atmet diese nicht normal, setzt man sofort einen Notruf (europaweite Notrufnummer 112) ab.
Neben die betroffene Person knien, die Hand auf der Mitte des Brustkorbs (zwischen den Brustwarzen) platzieren, den Handballen der anderen Hand drüberlegen, Arme senkrecht halten, Schultern über den Brustkorb. Fest und schnell 5-6cm tief den Brustkorb abwechselnd eindrücken und entlasten, für 100-120x pro Minute. Idealerweise hat man dazu ein zum Takt der Wiederbelebung passendes Lied, wie Stayin` Alive von den Bee Gees, im Kopf. Nicht aufhören, bis weitere Hilfe eintrifft. Sind mehrere Personen anwesend, sollen diese sich bei der Herzdruckmassage spätestens alle zwei Minuten abwechseln. Beim Wechsel sollten jedoch keine Pausen entstehen.
Prof. Böttiger: Der plötzliche Herztod kann Menschen jeden Alters betreffen, auch scheinbar gesunde Personen. Fast nie gibt es offensichtliche Warnsignale, bevor ein plötzlicher Herztod eintritt. In einigen Fällen können jedoch bestimmte Symptome oder Risikofaktoren vorhanden sein, auf die sowohl Patienten als auch Ärzte achten können: ein plötzlicher Schmerz oder Druck in der Brust, plötzliche Atemnot, Herzrhythmusstörungen, Ohnmacht oder Schwindel können einem Herz-Kreislaufstillstand vorausgehen.
Der plötzliche Herztod kann Menschen jeden Alters betreffen, auch scheinbar gesunde Personen.
Prof. Böttiger: Ein plötzlicher Herztod kann durch verschiedene Ursachen eintreten, aber in den meisten Fällen liegt der Grund in Herzrhythmusstörungen, meist Kammerflimmern, bei dem das Herz schnell und unregelmäßig schlägt und nicht mehr effektiv Blut pumpen kann. Hauptursachen für das Auftreten von Kammerflimmern sind die koronare Herzkrankheit bzw. ein Herzinfarkt, Herzmuskelentzündungen (Myokarditis), strukturelle Herzkrankheiten wie angeborene Herzfehler oder Drogenmissbrauch.
Prof. Böttiger: Männer haben tendenziell ein höheres Risiko für koronare Herzkrankheit bzw. einen Herzinfarkt, eine der Hauptursachen für den plötzlichen Herztod. Dies liegt teilweise an genetischen Unterschieden und auch an anderen Faktoren wie einem höheren Anteil an Rauchern und einem weniger gesunden Lebensstil bei Männern im Allgemeinen.
Prof. Böttiger: Es gibt keine absolute Garantie, dass der plötzliche Herztod durch vorbeugende Maßnahmen sicher verhindert werden kann. Es gibt jedoch eine Reihe von Maßnahmen, die das Risiko erheblich reduzieren können: Gesunde Ernährung (eine ausgewogene Ernährung, die reich an Obst, Gemüse, Vollkornprodukten, magerem Eiweiß und gesunden Fetten ist), regelmäßige körperliche Aktivität, nicht Rauchen (Rauchen ist ein wesentlicher Risikofaktor für Herzerkrankungen und erhöht das Risiko für einen plötzlichen Herztod erheblich), Alkoholkonsum einschränken, Gewichtsmanagement, Bluthochdruckkontrolle, Cholesterin- und Blutzuckerkontrolle.
Prof. Böttiger: Junge Leistungssportler haben tatsächlich ein leicht erhöhtes Risiko für einen plötzlichen Herztod im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. Dies liegt jedoch nicht daran, dass Sport an sich schädlich ist. Unentdeckte angeborene Herzfehler oder aber Herzmuskelentzündungen können bei starker sportlicher Anstrengung Herzrhythmusstörungen auslösen, die zum plötzlichen Herztod führen. Es ist wichtig zu betonen, dass diese Fälle von plötzlichem Herztod bei jungen Sportlern relativ selten sind, aber aufgrund ihrer besonderen Sichtbarkeit oft mediale Aufmerksamkeit erhalten. Die weit überwiegende Mehrheit der Sportler erleidet keine schwerwiegenden Herzprobleme. Dennoch ist eine angemessene medizinische Untersuchung und Betreuung für Leistungssportler wichtig, um mögliche Risikofaktoren frühzeitig zu erkennen.
Unentdeckte angeborene Herzfehler oder aber Herzmuskelentzündungen können bei starker sportlicher Anstrengung Herzrhythmusstörungen auslösen...
Prof. Böttiger: Was die COVID-19-Impfung betrifft, so gibt es keine Hinweise dafür, dass COVID-19-Impfstoffe das Risiko für einen plötzlichen Herztod erhöhen. Es ist wichtig zu beachten, dass die meisten dieser Fälle in einem sehr breiten Kontext von Millionen von verabreichten Impfstoffdosen aufgetreten sind und dass das Risiko von Herzproblemen im Vergleich zu den schweren Folgen einer COVID-19-Erkrankung sicher deutlich geringer ist.
Prof. Böttiger: Es wird empfohlen, dass Menschen, deren Familienmitglieder einen plötzlichen Herztod erlitten haben, dies mit ihrem Arzt besprechen. Der Arzt kann eine individuelle Risikobewertung vornehmen und entscheiden, inwieweit weitere Untersuchungen notwendig sind. Möglicherweise wird empfohlen, eine umfassende kardiologische Untersuchung durchzuführen, um das Risiko für Herzerkrankungen zu bewerten.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 17.04.2024.