Herzinfarkte verbindet man meist mit Männern im späteren Lebensalter und nicht mit Kindern und Jugendlichen. Kindliche Herzinfarkte sind selten, aber sie kommen vor.
Ein Risikofaktor für einen Herzinfarkt sind hohe Blutfettwerte (Hyperlipidämie). Die Blutfettwerte steigen vor allem mit dem Alter. Das „schlechte“ LDL-Cholesterin, das vom Körper nicht in dem Maße abgebaut werden kann, wie es durch zu fettreiche Nahrung aufgenommen wird, lagert sich in den Arterien an. Arteriosklerose nennt man diesen Vorgang, der die Arterien verengt, den Blutfluss behindert und letztendlich zum Herzinfarkt führen kann.
Kinder können von ihren Eltern eine Fettstoffwechselstörung erben, die sogenannte familiäre Hypercholesterinämie. Sie führt dazu, dass das Cholesterin nicht richtig abgebaut werden kann und der Cholesterinspiegel dauerhaft erhöht ist. Diese genetische Abweichung kann sowohl von einem Elternteil als auch von beiden Elternteilen vererbt werden. Letzteres bezeichnet man als homozygote Form, die in Deutschland allerdings nur eines von einer Million Kinder betrifft. Diese Kinder haben ein hohes Risiko, bereits im Schulalter einen Herzinfarkt zu erleiden.
Die heterozygote Form, bei der der Gendefekt nur von einem Elternteil vererbt wird, ist hingegen häufig. Nach offiziellen Zahlen ist ungefähr eines von 500 Kindern betroffen. Die Dunkelziffer könnte um einiges höher liegen. Man schätzt, dass eines von 300 Kindern den heterozygoten Gendefekt für Hypercholesterinämie in sich trägt. Bei diesen Kindern ist das Risiko, im Lauf ihres Lebens einen Herzinfarkt zu erleiden, ebenfalls erhöht.
Meist ereignet sich der Infarkt erst im Erwachsenenalter. Die betroffenen Patienten sind zum Zeitpunkt ihres Infarktes durchschnittlich rund zehn Jahre jünger als Patienten ohne erbliche Vorbelastung.
Bei einer Blutuntersuchung ist der LDL-Cholesterinspiegel der wichtigste Hinweisgeber: Bei einem Wert höher als 190 mg/dl (4,9 mmol/l) bei Erwachsenen und bei Kindern unter 16 Jahren ab einem Wert höher als 155 mg/dl (4,0 mmol/l) muss an eine familiäre Hypercholesterinämie gedacht werden.
Weitere, äußerlich sichtbare Hinweise können sogenannte Xanthome sein. Dabei handelt es sich um Fettablagerungen im Gewebe, die sich in ungefährlichen Hautveränderungen äußern. Sie können sich zum Beispiel in einer Verbreiterung der Achillessehnen zeigen, aber auch in Form von kleinen gelblichen Hautverdickungen (Gelbknoten) an Rumpf oder Händen auftreten. Lagern sich die Plaques an den Augenlidern an, spricht man von Xanthelasmen.
Wird eine Fettstoffwechselstörung frühzeitig erkannt, kann sie effektiv therapiert werden. So können Folgeerkrankungen wie zum Beispiel ein Herzinfarkt verhindert werden. Bleibt die Stoffwechselerkrankung unerkannt, erleidet ungefähr die Hälfte der betroffenen Männer und 15 Prozent der betroffenen Frauen vor ihrem 60. Lebensjahr einen Herzinfarkt. Hypercholesterinämie könnte bereits bei den Routineuntersuchungen von Kleinkindern diagnostiziert werden. Werden bei einem Kind erhöhte Cholesterinwerte gemessen, sollten auch die Eltern untersucht werden, um herauszufinden, wer von beiden die gefährliche Erbanlage und damit das erhöhte Herzinfarktrisiko trägt. Mit Cholesterinsenkern (Statinen) lässt sich nicht nur das LDL-Cholesterin dauerhaft senken. Außerdem trägt ein gesunder Lebensstil dazu bei, das Infarktrisiko zu verringern.
Neben einer Hypercholesterinämie kann ein Herzinfarkt im Kindesalter weitere Gründe haben. Einige Beispiele sind im Folgenden aufgeführt.
Eines von hundert Kindern, das in Deutschland geboren wird, kommt mit einem angeborenen Herzfehler auf die Welt. Je früher ein Herzfehler erkannt wird, desto besser sind die Heilungschancen. Die Operationsmethoden haben sich so rasant weiterentwickelt, dass sich die Prognosen schon für kleinsten Patienten enorm verbessert haben. Aber nicht alle Herzfehler kann man heilen. Einige sind zu schwer, andere werden zu spät entdeckt. Herzfehler bei Säuglingen sind nicht immer leicht zu erkennen. Oft machen sie sich durch eine blaurote Verfärbung der Haut, Trinkschwäche oder ein Herzgeräusch bemerkbar. Bei den Kindern, die nicht rechtzeitig operiert werden oder die nicht operiert werden können, kann das Risiko, einen Herzinfarkt im Kindesalter zu erleiden, bei bis zu 75 Prozent liegen.
Eine sogenannter Vasospasmus ist eine plötzliche krampfartige Verengung eines Gefäßes. Sind die Herzkranzgefäße betroffen, kann dies zu einem Herzinfarkt führen, ohne dass eine koronare Herzerkrankung (Arteriosklerose in den Herzkranzarterien) vorliegt. Was zu den Krampfanfällen in den Arterien führt, ist unklar – zumal die Arterien von Kindern in den seltensten Fällen durch Plaque verengt sind, wie dies bei Erwachsenen der Fall ist. Bekannt ist allerdings, dass Kokainkonsum, wie er auch unter Jugendlichen immer häufiger vorkommt, einen Gefäßspasmus auslösen kann.
Unter einem nephrotischen Syndrom werden verschiedene Symptome zusammengefasst, die mit einer Nierenschädigung in Zusammenhang stehen. Die Nierenkörperchen sind geschädigt, so dass Eiweiß im Urin nachweisbar ist, sich Ödeme bilden und die Blutfettwerte ansteigen. Von 100.000 Kindern unter 16 sind zwei davon betroffen. Durch die erhöhten Cholesterinwerte entsteht Arteriosklerose und damit erhöht sich das Risiko für einen Herzinfarkt.
Das Kawasaki-Syndrom gehört zu den häufigsten Auslösern eines kindlichen Herzinfarktes. Dabei handelt es sich um eine Entzündung der Gefäßwände im ganzen Körper. Das Kawasaki-Syndrom geht mit starken scharlachähnlichen Krankheitssymptomen einher: hohes Fieber, rote Zunge, Hautausschlag und Bindehautentzündung. Ursache ist vermutlich eine Infektion, die eine Überreaktion im Immunsystem auslöst. Wenn die Herzkranzgefäße in Mitleidenschaft gezogen sind, kann die Krankheit lebensbedrohlich werden. Unter anderem kann sie einen Herzinfarkt auslösen.
Erleidet ein Kind einen Herzinfarkt, ähneln die Symptome denen von erwachsenen Herzinfarktpatienten. Das Kind klagt über Brustschmerzen, die in den Unterkiefer oder den Arm ausstrahlen können.
Schmerzen in der Brust sind bei Kindern nicht selten und hängen in 95 Prozent aller Fälle nicht mit einem Herzinfarkt zusammen. Trotzdem sollte man die Brustschmerzen beim Kindes ernst nehmen und den Arzt aufsuchen. Bei plötzlich auftretenden starken Brustschmerzen, die anhalten, sollte man den Notarzt rufen.
Die Lebensführung im jungen Alter ist bereits ausschlaggebend, wie hoch das Risiko für spätere schwere Erkrankungen wie Herzinfarkte ist.
Das Übergewicht bei Kindern steigt stetig. Bis zu 15 Prozent der Schulanfänger sind zu dick. Schlechte Essgewohnheiten, die oft von den Eltern vorgelebt werden, sowie Bewegungsmangel sind dabei wesentlich häufiger der Auslöser als genetische Vorbelastung. Psychische Faktoren wie schulische Überforderung, Mobbing oder Streit in der Familie können zu Frustessen führen, das in Übergewicht endet.
Ultraschalluntersuchungen der Halsschlagader bei diesen Kindern zeigen, wie gefährlich das Übergewicht ist. Bereits im Schulalter weisen die Blutgefäße von stark übergewichtigen Kindern krankhafte Veränderungen (Atherosklerose) auf.
Erwachsene mit einem BMI (Body-Mass-Index) von über 25 gelten als übergewichtig, mit einem BMI von 30 als fettleibig. Bereits bei einem BMI von über 25 steigt das Herzinfarktrisiko.
Eine Studie in Schweden hat fast 1,7 Millionen Männer von ihrem 18. bis zu ihrem 64. Lebensjahr begleitet. Dabei hat sich herausgestellt, dass Männer, die bereits mit 18 stark übergewichtig waren (BMI 35 oder höher), später im Leben ein dreifach höheres Herzinfarktrisiko hatten als normalgewichtige Männer.
Selbst wenn Übergewicht bei einem Kind noch keinen Herzinfarkt auslöst, legt es den Grundstein für einen frühen Herzinfarkt im späteren Leben.
Rauchen ist eine gesundheitsgefährdende Angewohnheit, die meist im Schulalter ihren Anfang nimmt. Was häufig unter Gruppenzwang beginnt, führt in eine Nikotinabhängigkeit, die im Erwachsenenalter nur schwer wieder abzulegen ist. Ähnlich wie LDL-Cholesterin schädigt auch Rauchen die Arterien und erhöht das Herzinfarktrisiko um mindestens das Vierfache – auch wenn der Infarkt sich erst später im Leben ereignet.
Damit aus den Kindern von heute keine Herzinfarktpatienten von morgen werden, stehen die Eltern ebenso wie die Schulen in der Pflicht. Viele Kinder- und Jugendärzte fordern unter anderem, dass mehr Sportstunden in den Lehrplan aufgenommen werden – Sportunterricht, der weniger den Leistungsgedanken als vielmehr den Spaß an der Bewegung vermittelt. Sie bemängeln zudem, dass in vielen Schulen immer noch süße Backwaren oder fettige Snacks statt gesunder Pausenmahlzeiten wie Salat, Obst oder Vollkornbrot zum Kauf angeboten würden.
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Cholesterin neu verstehen – Was ist eine Familiäre Hypercholesterinämie?: https://www.cholesterin-neu-verstehen.de/familiaere-hypercholesterinaemie/was-ist-das?gclid=CjwKCAjwi_b3BRAGEiwAemPNU7B6aYqDTCAmQBH_y9GQLCyslR-IHLjbwM3OV7M4NiKtmsRcUm-yGBoCMroQAvD_BwE (online, letzter Abruf: 31.08.2020)
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Kinder- und Jugendärzte im Netz – Früher Herzinfarkt in der Familie: Kinder sollten auf Risikofaktoren hin untersucht werden:
https://www.kinderaerzte-im-netz.de/news-archiv/meldung/article/frueher-herzinfarkt-in-der-familie-kinder-sollten-auf-risikofaktoren-hin-untersucht-werden/ (online, letzter Abruf: 31.08.2020)
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Gelbe Liste, Angelika Ramm-Fischer – Adipositas in der Jugend erhöht Infarktrisiko: https://www.gelbe-liste.de/nachrichten/adipositas-jugend-herzinfarkt-risiko (online, letzter Abruf: 31.08.2020)
aktualisiert am 31.08.2020