Nach einem Herzinfarkt befürchten viele Patienten, dass für sie Urlaubs- und Geschäftsreisen mit dem Flugzeug nicht mehr möglich sein könnten. Tatsächlich dürfen fast alle Patienten nach einem Infarkt wieder Flugreisen machen. Dies sollten Betroffene jedoch mit ihrem Arzt absprechen.
Bei einer üblichen Flughöhe von bis zu 13 500 Metern sinkt der Luftdruck in der Flugzeugkabine. Herrschen auf dem Boden 760 mmHg Luftdruck, sind es in der Luft nur noch 567 mmHg (Millimeter Quecksilbersäule). Mit dem sinkenden Umgebungsluftdruck sinken auch der Sauerstoffpartialdruck (Druck des Sauerstoffanteils) im Blut und die Sauerstoffsättigung. Diese sogenannte hypobare Hypoxie, die auf Flugreisen entsteht, wird von gesunden Menschen gut toleriert: Es kommt zu einer minimalen Hyperventilation und einer leichten Beschleunigung des Herzschlages. Die meisten Menschen sind sich dessen nicht bewusst. Menschen mit einer Herzerkrankung kann der Anstieg von Herzfrequenz und Blutdruck sowie der erhöhte Sauerstoffverbrauch des Herzens allerdings Probleme bereiten.
Ob und wann der Patient nach einem Herzinfarkt eine Flugreise antreten kann, ist individuell vom Ausmaß seines Infarktes, von seinem Allgemeinzustand und seiner Heilung abhängig. Der Kardiologe (Herzarzt) unterscheidet zwischen niedrigem, mittlerem und hohem Risiko.
War der Infarkt klein und hat der Patient ein niedriges Risiko, kann er bereits nach drei Tagen bis fünf Tagen ein Flugzeug besteigen. Langstreckenflüge sind zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht möglich. Unter einem niedrigen Risiko versteht der Kardiologe, dass der Patient unter 65 Jahre ist und nur diesen einen Herzinfarkt erlitten hat. Das Gefäß muss nach dem Infarkt erfolgreich geöffnet worden und die Heilung komplikationslos verlaufen sein. Die sogenannte Auswurffraktion des Herzens muss über 45 Prozent liegen.
Alle anderen Patienten sollten mit der Flugreise noch etwas länger warten. Bei einem mittleren Risiko sollten zehn Tage verstreichen, bis die Flugreise angetreten wird. Ein solches Risiko liegt vor, wenn die Auswurffraktion des Herzens mindestens bei 40 Prozent liegt und keine Herzinsuffizienz-Symptome (Herzschwäche mit Beschwerden wie Kurzatmigkeit oder Angina Pectoris) oder Rhythmusstörungen vorliegen.
Von einem hohen Risiko spricht der Kardiologe, wenn die Auswurffraktion des Herzens unter 40 Prozent liegt und es Anzeichen einer Herzschwäche gibt. Besonders bei einem hohen Risiko muss individuell entschieden werden. Eine Flugreise sollte in diesem Fall nur in enger Absprache mit dem Kardiologen geplant werden. Gegebenenfalls ist abzuwarten, bis sich der Befund stabilisiert hat oder bis die notwendigen Untersuchungen und Behandlungen durchgeführt wurden.
Wurde ein Herzschrittmacher oder ein Defibrillator implantiert, sollten wenigstens drei Wochen verstreichen, bis der Patient die Flugreise antritt. Nach einer Herzoperation sowie akutem Linksherzversagen sollten es mindestens sechs Wochen sein.
Bei Herzinsuffizienz werden vier Stufen unterschieden (Einteilung nach NYHA). Stufe zwei beschreibt Patienten, die im Ruhezustand beschwerdefrei sind, aber bei normaler körperlicher Arbeit unter Kurzatmigkeit und Erschöpfung leiden. Bei Stufe drei führt bereits leichte körperliche Arbeit zu Symptomen und bei Stufe vier kann es schon ohne Belastung zu Luftnot kommen.
Stufe-zwei-Patienten können Reisen mit einer Flugdauer von bis zu sieben Stunden gut tolerieren.
Für Patienten der Stufe drei und vier sind kurze einstündige Flugreisen unter bestimmten Vorkehrungen (In-flight-Sauerstoff, Assistenz am Flughafen, Arztbegleitung) ebenfalls möglich.
Langstreckenflüge bringen für alle Passagiere durch das lange Sitzen ein erhöhtes Thromboserisiko mit sich. Es ist daher grundsätzlich ratsam, auf langen Flugreisen Kompressionsstrümpfe zu tragen. Besonders wichtig ist diese Thrombose-Prophylaxe für Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK). Damit wird die Verengung der Herzkranzgefäße bezeichnet, die zu einem Herzinfarkt führen kann. Möglicherweise wird der Arzt zusätzlich Heparinspritzen verordnen. Zwischendurch ist es ratsam, die Füße zu bewegen, um die Durchblutung anzuregen.
Wichtig ist auch, ausreichend Wasser zu trinken. Von Alkohol ist abzuraten.
Angina-Pectoris-Patienten sollten ihr Nitroglycerin-Spray mit Bedacht einsetzen. Da die Wirkung in der Luft stärker ist, genügt bei einem Anfall ein Hub.
Eine sorgfältige Planung ist die beste Grundlage für einen erholsamen Urlaub. Dazu gehört, dass man sich im Vorfeld über die ärztliche Versorgung vor Ort informiert und die dortigen Notrufnummern kennt. Am besten notiert man sich die wichtigsten Fachbegriffe rund um den Herzinfarkt in der Landessprache oder in Englisch.
Herzinfarktpatienten sollten aus Sicherheitsgründen auf große körperliche Anstrengung verzichten: Anstiege in Höhen über 2000 Meter, schweres Rucksackgepäck, lange Autofahrten verursachen unnötigen Stress. Bei Ankunft sollte man sich Zeit lassen, um sich an die Klimaumstellung zu gewöhnen, und erst dann die Intensität der Unternehmungen steigern.
Wandern, Radfahren und Schwimmen sind zwar Sportarten, die auch einem kranken Herzen gut tun, trotzdem ist es besser, die Aktivitäten langsam anzugehen und die Mittagshitze zu meiden. Eine Siesta, wie sie in vielen warmen Ländern ohnehin praktiziert wird, ist sinnvoll. Bei Unternehmungen sollte man eine Flasche Wasser dabei haben, um Dehydrierung zu vermeiden.
Selbstverständlich müssen die verschriebenen Medikamente auch am Urlaubsort pünktlich und regelmäßig eingenommen werden. Je nachdem, wie groß die Zeitverschiebung ist, sollten Patienten die Einnahmezeiten vorab mit ihrem Arzt besprechen. Patienten, die Gerinnungshemmer wie Phenprocoumon (Marcumar®, Falithrom®) einnehmen, müssen ihre Gerinnungswerte auch im Urlaub regelmäßig kontrollieren. Am einfachsten geht das, wenn der Patient die Werte mit einem Teststreifen selbst bestimmen kann. Vorher ist auch abzuklären, wie bei Reisedurchfall oder Infekten mit der Medikamenteneinnahme vorzugehen ist.
Deutsches Ärzteblatt, Ilse Janicke; Wolfgang Schöls – Reisemedizin: Der kardiologische Patient vor und auf Flugreisen: https://www.aerzteblatt.de/archiv/162171/Reisemedizin-Der-kardiologische-Patient-vor-und-auf-Flugreisen (online, letzter Abruf: 13.07.2020)
Praxis am Rathaus Tempelhof – Marcumar-Patientenratgeber, Dr. med. Hannelore Rott – Marcumar: Gut leben mit Gerinnungshemmern - ein Patientenratgeber: https://part-raetsch.berlin/onewebmedia/Marcumar_Patientenratgeber_neu.pdf (online, letzter Abruf: 13.07.2020)
British Cardiovascular Society, David Smith; William Toff; Michael Joy; Nigel Dowdall; Raymond Johnston; Liz Clark; Simon Gibbs; Nick Boon; David Hackett; Chris Aps; Mark Anderson; John Cleland – Fitness to fly for passengers with
cardiovascular disease: https://www.asma.org/asma/media/asma/Travel-Publications/Medical%20Guidelines/BCS-FITNESS-TO-FLY-REPORT.pdf (online, letzter Abruf: 13.07.2020)
aktualisiert am 13.07.2020