Verletzungen der ableitenden Harnwege entstehen in den meisten Fällen zusammen mit komplizierteren Mehrfachverletzungen, wie beispielsweise Verkehrsunfällen. Harnröhrenverletzungen sind zudem oft die Folge von einem Sturz aus größerer Höhe oder Verletzungen von Harnröhre und Harnblase infolge operativer Eingriffe.
Eine Verletzung der weiblichen Harnröhre ist sehr selten. Das Ausmaß der Verletzungen reicht von kleinen Einrissen in der Wand der Harnblase oder Harnröhre über größere Blasenverletzungen bis hin zum vollständigen Abriss der Harnröhre.
Verletzungen von Nieren, Harnleiter und Blase sind oft die Folge von Mehrfachverletzungen (Polytraumen), wie sie oft bei Verkehrsunfällen vorkommen. Zudem können derartige Verletzungen gelegentlich auch die Folge von Sportunfällen sein. Vor allem bei Kontaktsportarten, wie Fußball, und bei Sportarten mit hohem Sturzrisiko, wie Reitsport oder Ski alpin, sind Verletzungen der Harnwege nicht selten.
Über die Hälfte aller Verletzungen der Harnwege und der Genitalien treten beim Fußballspielen auf, entweder nach direktem Gegnerkontakt oder durch den Aufprall des Balles. Die gefüllte Blase ist dabei viel verletzungsgefährdeter als die entleerte Blase, die einer stumpfen Gewalteinwirkung eher ausweichen kann. Der Aufprall eines Lederballes auf den Unterbauch kann bei einer prall gefüllten Harnblase zu Schleimhautrissen führen und sie in seltenen Fällen sogar zum Platzen bringen.
Zudem sind auch so genannte iatrogene Verletzungen der Harnwege nicht selten. Darunter versteht man Verletzungen, die im Rahmen von Operationen oder endoskopischen Eingriffen entstanden sind. Vor allem operative Eingriffe, wie die Entfernung der Prostata oder der Leistenlymphknoten können zu Komplikationen im Bereich der Harnwege führen.
Leitsymptom für eine Verletzung der Blase oder der unteren Harnwegen ist dabei immer Blut im Urin. Bereits ein bis zwei Bluttropfen reichen aus, um den Harn etwas rosa anzufärben. Blut im Urin ist deshalb das wichtigste und offensichtlichste Leitsymptom für ein
Problem im Bereich von Nieren, Harnleitern und Blase. Eine Verletzung ist dabei vergleichsweise selten dafür verantwortlich, viel häufiger kann Blut im Urin nachgewiesen werden, ohne dass ein Unfallereignis stattgefunden hat.
Ist der Blutverlust im Urin (Hämaturie) nur unter dem Mikroskop sichtbar, spricht man von einer so genannten «Mikrohämaturie». Ist das Blut im Urin bereits von bloßem Auge erkennbar, wird dies als «Makrohämaturie» bezeichnet.
Die Filtersysteme der Niere sind so ausgelegt, dass in der Regel keine Blutkörperchen durch sie durchtreten können. Blutspuren im Urin bedeuten deshalb immer, dass dieser Nierenfilter irgendwo ein «Leck» aufweist, durch den die sehr reich durchblutete Niere Blutkörperchen (Erythrocyten) in die für den Urin gedachten ableitenden Harnwege verliert.
Die Menge des im Urin gefundenen Blutes geht dabei aber nicht zwingend mit der Schwere einer Erkrankung einher. Blutspuren im Urin gehören zu den häufigsten Befunden in der medizinischen Abklärung. Der größte Teil davon wird zufällig entdeckt und kann oft keiner bestimmten Ursache oder Krankheit zugeordnet werden. Nur selten führt der Blutverlust im Urin zu einer fassbaren Blutarmut (Anämie). Liegt hingegen eine Blutarmut vor, so muss von einer schwerwiegenden Erkrankung oder Verletzung ausgegangen werden.
Neben den Blutspuren im Urin können auch Symptome wie Schmerzen beim Wasserlassen oder ein Druckschmerz im Unterbauch darauf hinweisen, dass eine Verletzung der Harnwege vorliegt. Auch wenn ein so genannter Harnverhalt eintritt, also spontanes Wasserlassen gar nicht mehr möglich ist, deutet dies auf eine Verletzung der Harnwege hin.
Bei Verdacht auf eine Verletzung der Harnröhre wird zunächst Kontrastmittel in die äußere Harnröhrenöffnung gespritzt und ein Röntgenbild angefertigt (Urethrozystogamm). Im Anschluss daran wird in der Regel ein Basenkatheter gelegt.
Diese Reihenfolge ist sehr wichtig, denn wenn der Arzt das Ausmaß der Verletzung noch nicht kennt oder der Katheter unachtsam gelegt wird, kann eine bereits eingerissene Harnröhre so komplett abgerissen werden. Weitere diagnostische Möglichkeiten bei Verletzungen der Harnwege sind die Sonographie (Ultraschall) sowie die Computertomographie (CT). Eine Laboruntersuchung des Harns kann zudem Aufschluss darüber geben, ob Blut im Urin vorhanden ist, oder eine Entzündung der Harnwege vorliegt.
Da auch viele ernstere Ursachen, wie Entzündungen der Harnwege oder der Harnblase, Nierenerkrankungen, Missbildungen und Tumore von Nieren und Harnwegen, ebenfalls von Blut im Urin begleitet sind, gilt es, diese Erkrankungen mittels verschiedener Abklärungen auszuschließen.
Ist die Harnröhre nur leicht verletzt oder nur teilweise eingerissen, wird zunächst ein Katheter über die Harnröhre in die Blase gelegt. So kann der Urin ungehindert abfließen ohne in den Bauchraum auszutreten. Ist die Harnröhre hingegen stärker eingerissen, wird ein so genannter suprapubischer Blasenkatheter durch die Bauchdecke gelegt, um den Urin zur Entlastung der Harnröhre nach außen abzuleiten. Sehr häufig heilt die Verletzung so ohne weitere operative Maßnahmen ab.
Handelt es sich um einen kompletten Harnröhrenabriss, wird für drei bis vier Monate ebenfalls ein suprapubischer Blasenkatheter gelegt. Erst nachdem die Wunde verheilt ist, kann die gerissene Harnröhre operiert werden. Wird die Operation zu früh durchgeführt, drohen Harnröhrenverengungen. Im Vergleich zu Harnröhrenverletzungen werden Einrisse der Harnblase möglichst zeitnah operativ verschlossen. Bis zur Heilung ist ein Dauerkatheter zur Ableitung des Urins notwendig.
Die Prognose von Verletzungen der Harnwege ist im Allgemeinen gut. Werden derartige Komplikationen rechtzeitig erkannt, können sie vom Urologen durch eine geeignete Schienung oder Naht meist gut versorgt werden.
aktualisiert am 15.12.2020