Mit dem Begriff Harninkontinenz wird die Unfähigkeit bezeichnet, den Harn solange in der Blase zu belassen, bis eine Toilette erreicht wurde. Der Urin geht unwillkürlich ab. Der Begriff Blasenschwäche bezeichnet eine Harninkontinenz geringen Ausmaßes.
Eine Inkontinenz kann sowohl angeboren als auch erworben sein, wobei die erworbenen Formen weitaus häufiger sind. Die Anzahl der Neuerkrankungen steigt mit der Anzahl der Geburten und mit dem Alter. Deswegen sind ältere Frauen etwa doppelt so häufig betroffen wie ältere Männer.
Es werden unterschiedliche Formen der Inkontinenz unterschieden, abhängig davon, wo die Ursache liegt und welcher Mechanismus des Wasserlassens nicht funktioniert.
Sie ist die häufigste Form der Urininkontinenz. Ist der Patient körperlichem Stress ausgesetzt (in Form von Treppensteigen oder Husten) geht Urin ab.
Die Stressinkontinenz entsteht durch ein Missverhältnis zwischen dem Bauchinnendruck (intraabdomineller Druck) und der Stärke des Blasenschließmuskels. Das sind zwei Kräfte die gegeneinander arbeiten. Sinkt die Kraft des Blasenschließmuskels, kann schon bei leichtem intraabdominellem Druck (z.B. beim Husten oder Niesen) Urin abgehen. Die Kraft des Schließmuskels sinkt generell bei einer Bindegewebsschwäche. Sie sinkt auch, wenn die Organe im kleinen Becken nicht mehr ihre natürliche Lage haben. Das ist häufig die Folge mehrerer Schwangerschaften. Hierbei wird durch die andauernde Last des Ungeborenen im Bauch die Muskulatur des Beckenbodens gedehnt. Die Gebärmutter wandert nach unten (Gebärmuttervorfall) und verdrängt die Blase von ihrer normalen Lage. Auf der anderen Seite kann auch eine ständige Erhöhung des intraabdominellen Druckes bei normaler Kraft des Schließmuskels zu einer Stressinkontinenz führen. Hier liegt die Ursache häufig in einer chronischen Verstopfung (Obstipation), die beim Toilettengang zum vermehrten Pressen führt. Übergewicht (Adipositas) kann auch eine Erhöhung des intraabdominellen Druckes erhöhen.
Sie ist die zweithäufigste Form. Hierbei verspürt der Patient plötzlich und unerwartet einen starken Harndrang, durch den meist vor Erreichen der Toilette Urin abgeht. Eine Dranginkontinenz entsteht meistens durch eine Überaktivität des Detrusormuskels. Dieser Muskel ist dafür zuständig, dass Wasser gelassen werden kann. Er presst sozusagen die Harnblase aus. Eine Überaktivität kann im Rahmen einer Blasenentzündung (Zystitis) oder durch Steine in der Blase oder in der Harnröhre entstehen. Es gibt aber auch psychisch bedingte Formen. Hierbei empfindet der Betroffene, z.B. bei psychischem Stress in Form von Prüfungen, plötzlich starken Harndrang, obwohl sich nur sehr wenig Urin in der Blase befindet.
Ein ganz anderer Pathomechanismus steckt hinter der Überlaufinkontinenz. Hierbei hat der Patient in erster Linie Probleme beim entspannten Wasserlassen. Der Urin geht nicht ab, weil entweder der Blasenschließmuskel zu stark arbeitet, oder weil die Harnröhre durch eine Erkrankung (z.B. die Vergrößerung der Prostata) verstopft ist. Der Urin staut sich solange in die Harnleiter zurück bis der Druck, der dadurch aufgebaut ist, entweder den Blasenschließmuskel übersteigt oder das verstopfende Hindernis überwindet. Es kommt zum unwillkürlichen Harnträufeln.
Seltenere Formen der Inkontinenz entstehen aufgrund einer Störung des Miktionszentrums (Zentrum von Nerven die für das Wasserlassen zuständig sind) im Gehirn oder im Rückenmark wie es im Rahmen eines Querschnittes vorkommen kann. Bei einer Fistelinkontinenz ist eine krankhafte Verbindung zwischen der Blase und einem anderen Organ (Vagina oder Darm) entstanden. Der Urin fließt hierbei unter Umgehung des Blasenschließmuskels durch den Darm oder durch die Vagina. Fisteln sind entweder angeboren, oder sie entstehen im Rahmen der chronisch entzündlichen Darmerkrankung Morbus Crohn.
Das Hauptsymptom der Harninkontinenz ist das unwillkürliche Abgehen von Urin. Weitere Symptome resultieren aus der verursachenden Grundkrankheit:
Die Diagnose einer Harninkontinenz wird bei einem Urologen gestellt. Eine erste Diagnose ist meist schon nach der Schilderung der Beschwerden zu stellen. Manche Ärzte benutzen hierzu einen Fragebogen. Im Rahmen eines Provokationstestes prüft der Arzt, ob bei einer Erhöhung des intraabdominellen Drucks Urin abgeht.
Wichtig ist aber auch die Diagnose der verursachenden Erkrankung, da sich hiernach die weitere Therapie richtet.
Bei einer gynäkologischen Untersuchung schaut sich der Arzt das weibliche Genital von außen an. Im Anschluss untersucht er die Vagina von Innen.
Hierbei kann ein Uterusprolaps diagnostiziert werden. Ist die Gebärmutter noch nicht von außen sichtbar, spricht man von einem Abstieg (Descensus) des Uterus.
Der Urin wird zuerst durch einen Teststreifen untersucht. Im Anschluss erfolgt eine Kultur um die Bakterien, die sich im Urin befinden zum Wachstum anzuregen. Im Rahmen einer Urinuntersuchung kann eine Entzündung der Harnblase und der ableitenden Harnwege festgestellt werden. Hierbei erscheinen zum einen Eiweiße als auch Abwehrzellen (Leukozyten) im Urin.
Steine können durch eine Ultraschall oder Röntgenuntersuchung festgestellt werden.
Um eine genauere Vorstellung von Vorgängen innerhalb der Blase zu haben, kann der Arzt eine Blasenspiegelung durchführen. Hierbei wird durch die Harnröhre ein kleiner Schlauch in die Harnblase eingeführt. Um Schmerzen zu vermeiden, wird die Harnröhre betäubt. An der Spitze des Schlauches befindet sich eine kleine Kamera. Der Arzt kann sich dadurch das Innere der Blase ansehen. Sieht der Arzt einen auffälligen Bezirk, kann er mit einer kleinen Zange ein Stückchen Gewebe entnehmen. Dieses wird im Anschluss von einem Pathologen untersucht.
Den Verdacht auf eine chronisch entzündliche Darmerkrankung stellt der Arzt bereits nach der Anamnese. Klagt der Patient über schleimige, blutige Durchfälle, sichert der Arzt seine Diagnose über eine Darmspiegelung (Koloskopie) ab. Hierfür wird durch den Anus, wie bei der Blasenspiegelung, ein Schlauch eingeführt an dessen Ende sich die Kamera befindet. Auch hier kann mit einer kleinen Zange eine Gewebeprobe entnommen werden.
Differenzialdiagnostisch muss nur bei Kindern eine Erkrankung abgegrenzt werden. Bei der Enuresis (Einnässen) sind die Kinder nicht trocken. Hierbei liegt keine Inkontinenz im eigentlichen Sinne vor, da der Abgang von Urin willkürlich erfolgt. Sie haben es nur nicht erlernt, rechtzeitig eine Toilette aufzusuchen.
Bei einer Dranginkontinenz ist das Ziel der Therapie, den Muskeltonus der überaktiven Muskulatur zu senken.
In 80 Prozent der Fälle kann mittels konservativen Maßnahmen (ohne Operation) eine Besserung erzielt werden. In schwereren Fällen hilft meist nur eine Operation. Durch die Kombination beider Methoden kann fast jedem Patienten eine Zeit lang geholfen werden.
Einer Inkontinenz kann vorgebeugt werden, in dem sämtliche Zustände und Krankheiten vermieden werden, die eine Inkontinenz begünstigen.
Letzte Aktualisierung am 01.12.2020.