Unter den Nager-assoziierten Erkrankungen, die in mehreren Regionen Deutschlands endemisch auftreten, sind Infektionen durch Hantaviren von besonderer Bedeutung. Der in Deutschland dominierende Hantavirus-Serotyp Puumala (PUU) verursacht eine leichtere Form des
hämorrhagischen Fiebers mit renalem Syndrom, welches auch als Nephropathia epidemica bezeichnet wird. Eine ungewöhnliche Häufung von Erkrankungen durch "Hantaviren" wurde aus dem Landkreis Osnabrück gemeldet. Insgesamt wurden 10 Fälle bekannt, davon allein 6 aus der Stadt Bissendorf.
Als bisher bekannte Endemiegebiete gelten insbesondere die Schwäbischen Alp, Unterfranken und Eifel. Aus Niederbayern (Landkreis Passau, Freyung-Grafenau, Regen und Deggendorf) wurden im Jahr 2004 bisher 22 Erkrankungsfälle gemeldet. Im Nachbarland Österreich wurden die meisten Fälle 2004 aus Kärnten und der Steiermark registriert. PUU-Infektionen wurden ebenfalls aus einer Reihe anderer europäischer Länder, wie u.a. Schweden, Finnland, Russland, Belgien, Frankreich, Italien, Tschechische Republik, Slowenien, Kroatien sowie Griechenland, gemeldet. Infektionen können ganzjährig als sporadischer Einzelfall oder epidemisch auftreten.
Ansteckungsquelle für PUU ist Urin, Fäzes und Speichel infizierter Rötelmäuse (Clethrionomys glareolus). Der zu den Wühlmäusen gehörende Nager ist das tierische Hauptreservoir von PUU. Das Habitat dieser Tiere sind insbesondere Buchenwälder sowie waldnahe Gebiete.
Verschiedene Studien ergaben, dass das Vorkommen von PUU-Infektionen beim Menschen eng mit der Populationsgrösse der Nagetiere korreliert. Die Tierbestände unterliegen zyklischen Veränderungen in Abhängigkeit vom Nahrungsangebot. Durch eine ausgeprägte Buchen- oder Eichenmast, die in Abständen von 6 bis 8 Jahren auftritt, kann es zu einem massiven Anstieg der Mäusepopulation kommen. Dieser Umstand erklärt die regionalen epidemischen Häufungen von Infektionen beim Menschen. Der Mensch infiziert sich durch direkten oder indirekten Kontakt mit den Ausscheidungen infizierter Rötelmäuse.
Da Hantaviren auch in ausgetrocknetem Zustand, zum Beispiel im Staub, über längere Zeit infektiös bleiben, sind typische Ansteckungswege das Kehren von mäuse-infestierten Kellern oder Speichern oder
Holzschuppen. Auch bei Arbeiten an Holzstapeln kann es zur Exposition mit Nagerexkrementen kommen. Weitere Ansteckungsmöglichkeiten sind infektiöse Aerosole sowie der Genuss von Lebensmitteln- oder Wassers, welches mit Nagerexkrementen kontaminiert wurde.
Nach einer Inkubationszeit (Zeit zwischen Infektion und Ausbruch der Krankheit) von 5 bis 35 Tagen beginnt die Erkrankung meist mit abrupt einsetzendem Fieber, das über 3 bis 4 Tage anhält und zunächst mit unspezifischen grippeähnlichen Allgemeinsymptomen wie Kopfschmerzen, Myalgien (Muskelschmerzen), Schüttelfrost und Konjunktivitis (Bindehautentzündung) einhergeht.
Typisch sind zudem kolikartige uni- oder bilaterale Flankenschmerzen. Es kommt bereits mit dem Fieberbeginn zum Anstieg der Retentionswerte (Nierenwerte), die nach 4 bis 10 Tage ihr Maximum erreichen. Das Ausmaß der Nierenfunktioneinschränkung reicht bis zur Dialysepflichtigkeit. Die Letalität (Sterberate) der Nephropathia epidemica beträgt etwa 1Prozent. In etwa 16 Prozent der Fälle kommt es neben dem akuten Nierenversagen auch noch zur Lungenbeteiligung mit peribronchialen Infiltraten und Pleuraerguß. Weitere Komplikationen sind eine akute Pankreatitis. Labordiagnostisch fällt neben der Erhöhung des Kreatinins auf Werte über 6 mg/dl noch eine Thrombozytopenie mit Konzentrationen von unter 50.000/mm3 auf.
Die Therapie der PUU-Infektion erfolgt symptomatisch. Das Nukleosidanalogon Ribavirin, das auch bei anderen Hantavirusinfektion wirksam ist, bleibt schweren Verlaufsformen vorbehalten.
Die Diagnose einer PUU-Infektion lässt sich serologisch durch den Nachweis spezifischer Antikörper sichern. Hierfür stehen verschiedene Testsysteme zur Verfügung, die in der Routinediagnostik der meisten Labors Anwendung finden. Da vermutlich ein erhebliche Zahl von PUU-Infektionen nur eine unspezifische Symptomatik aufweisen, kann angenommen werden, dass die dem Robert-Koch-Institut gemeldeten Zahlen nur einen geringen Anteil der Erkrankungen erfassen.
Für die akute PUU-Infektion besteht eine Labormeldepflicht nach dem Infektionsschutzgesetz § 7.
Letzte Aktualisierung am 02.03.2021.