Der Begriff Hallux valgus ist vielen Menschen geläufig. Ein Hallux varus beschreibt das Gegenteil und ist eine seltene Fehlstellung der Großzehe. Dabei weicht die Großzehe im Grundgelenk in Richtung Fußinnenrand ab, also weg von der zweiten Zehe. Am häufigsten entsteht ein Hallux varus als Folge einer Operation einer Hallux-valgus-Fehlstellung, doch auch andere Gründe wie Verletzungen oder Erkrankungen können dazu führen. In den meisten Fällen wird ein Hallux varus, der Beschwerden verursacht, operativ korrigiert. Die Operation dient auch dazu, die Ausbildung einer Arthrose (Gelenkverschleiß) im Großzehengrundgelenk zu vermeiden.
Die Ursachen für einen Hallux varus sind unterschiedlich. Zu den möglichen Gründen gehören:
Als Folge einer Hallux-valgus-Operation kann der Hallux varus sowohl direkt nach dem Eingriff sichtbar werden oder erst im Laufe der Zeit auftreten. Auslöser ist dabei häufig eine Überkorrektur der Valgus-Fehlstellung oder ein veränderter Muskelzug nach der Operation, der die Großzehe nach und nach immer mehr in eine Varus-Stellung bewegt. Rollt der Betroffene beim Gehen außerdem vermehrt über die Fußaußenkante ab, erhöht sich das Risiko für die Entwicklung einer Varus-Fehlstellung zusätzlich.
Sichtbares Symptom eines Hallux varus ist die Seitwärtsabweichung der großen Zehe weg von der zweiten Zehe (auf den ganzen Körper bezogen nach innen). Zusätzlich kommt es oft zu Schmerzen beim Gehen. Da der Mensch über die Großzehe abrollt, ist das Großzehengrundgelenk beim Gehen starken Belastungen ausgesetzt. Es reagiert meist auch auf Druck schmerzhaft. Das kann manueller (von Hand ausgelöster) Druck oder Druck durch einen Schuh sein. Es besteht außerdem vermehrt die Gefahr, mit der großen Zehe an etwas hängenzubleiben und sich dabei zu verletzen.
Die Diagnose ist aufgrund der Achsabweichung der großen Zehe im Rahmen des Sichtbefundes leicht zu stellen. Der Arzt fragt im Gespräch (Anamnese) nach Voroperationen, anderen Erkrankungen oder Unfällen. Die Intensität der Schmerzen und die Anlässe, bei denen sie vorwiegend auftreten, werden abgeklärt. Bei der Funktionsüberprüfung werden das mögliche Bewegungsausmaß im Großzehengrundgelenk und die Möglichkeit der manuellen Korrektur der Varus-Fehlstellung getestet. Mit Hilfe von Röntgenbildern können die genaue Abweichung der Großzehe von der Mittellinie (in Grad) sowie mögliche Verschleißerscheinungen im Gelenk (Arthrose) beurteilt werden. Auch die Lage der sogenannten Sesambeine (kleine Knochen, die in Sehnen eingebettet sind und deren Funktion unterstützen) unter dem Köpfchen des ersten Mittelfußknochens wird im Röntgenbild sichtbar.
Um die Diagnose Hallux varus stellen zu können, müssen andere Ursachen ausgeschlossen werden, die ähnliche Symptome verursachen. Als mögliche andere Ursache kommt in diesem Fall eine verschobene Fraktur (Bruch) an der Großzeheoder am angrenzenden Mittelfußköpfchen in Betracht.
Die Therapie eines Hallux varus ist abhängig vom Ausmaß der Beschwerden, vom Grad der Abweichung und von der Ursache.
Abweichungen der Großzehe um weniger als 10 Grad von der Mittellinie benötigen meist keine spezielle Therapie. Bei stärkeren Abweichungen und bei Beschwerden kann mit Hilfe von bestimmtem Schuhwerk (am Vorfuß verengt) oder von Bandagen oder Schienen versucht werden, den Zeh in die Gegenrichtung zu korrigieren. Dieser Therapieansatz ist nur bei einem Hallux varus möglich, der noch nicht steif ist, sondern manuell korrigiert werden kann. Begleitend wird Physiotherapie oder Manuelle Therapie verordnet, um die Mobilisation (das Beweglichmachen) des Gelenkes und die Korrektur der Zehenposition zu unterstützen.
Bei ausgeprägter Symptomatik und größeren Abweichungen der großen Zehe aus der Mittellinie ist meist eine Operation erforderlich. Dabei können verschiedene Verfahren und Maßnahmen angewendet werden. Üblich ist eine Raffung der Weichteilstrukturen (vor allem der Gelenkkapsel) an der Seite des Großzehengrundgelenkes, die der zweiten Zehe zugewandt ist. Gleichzeitig werden die Strukturen (Gelenkkapsel, Sehnen) auf der Gegenseite des Gelenkes gedehnt oder operativ gespalten, um dort mehr Bewegungsspielraum zu ermöglichen. Um die große Zehe dauerhaft in der richtigen Richtung zu stabilisieren, wird meist auch der Ansatz bestimmter Sehnen an der Großzehe (normalerweise die Sehne des langen Streckmuskels) verlagert. Dadurch verändert sich die Zugwirkung des Muskels. Das stabilisiert die korrigierte Zehenposition. Auch Korrekturen und Umstellungen an einzelnen Knochen sind möglich. Wie genau operiert wird, hängt bei Folgen von Hallux-valgus-Operationen davon ab, welche Technik im damaligen Eingriff durchgeführt wurde. In schweren Fällen mit beginnendem oder ausgeprägtem Gelenkverschleiß kann eine operative Versteifung (Arthrodese) des Großzehengrundgelenkes mit Hilfe von Metallimplantaten notwendig werden.
Wenn der Hallux varus die Folge einer anderen Erkrankung (frühere Fußverletzung, Verbrennung, neurologische Störung oder Ähnliches) ist, sind möglicherweise noch andere Maßnahmen oder operative Eingriffe nötig. Manchmal lässt sich nur mit diesen dauerhaft positiv auf die Fehlstellung einwirken. Die jeweiligen Methoden müssen individuell mit dem behandelnden Arzt besprochen werden.
Die häufigsten Ursachen für einen Hallux varus sind eine operative Überkorrektur eines Hallux valgus beziehungsweise die Langzeitfolgen einer solchen Operation. Eine Vorbeugung ist daher schwer möglich. Das Gleiche gilt für Folgen von Verbrennungen, Fußverletzungen oder spastischen Lähmungen. Für all diese Ursachen und auch für rheumatische Erkrankungen gilt, dass eine regelmäßige ärztliche Kontrolle helfen kann, beginnende Fehlstellungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Die Prognose hängt von der Ursache des Hallux varus ab. Bei einer solchen Zehenfehlstellung als Folge einer Hallux-valgus-Operation ist die Prognose gut. Leichte Abweichungen lassen sich häufig konservativ (ohne Operation) korrigieren. Operative Korrekturen heilen in der Regel gut aus, wenn die Therapieanweisungen des Operateurs für die Nachbehandlung befolgt werden. Hierzu kann das Tragen eines speziellen Schuhs mit versteifter Sohle für mehrere Wochen gehören. Ein angeborener Hallux varus kann oft durch korrigierende Therapiegriffe oder Bandagen ausheilen.
MedLexi – Hallux varus: https://medlexi.de/Hallux_Varus (online, letzter Abruf 10.11.2022)
aktualisiert am 10.11.2022