Prof. Kreuter: Herpes Zoster (auch Güterlose genannt) wird durch das Herpesvirus Typ 3, das sogenannte Varizella-Zoster-Virus (VZV), ausgelöst. VZV verursacht zwei Erkrankungen: als Primärinfektion die exanthematische Kinderkrankheit Windpocken (Varizellen) sowie als endogene VZV-Reaktivierung den Herpes Zoster (Gürtelrose). Die Gürtelrose ist eine sehr häufige Erkrankung: Pro Jahr erkranken in Deutschland etwa 300.000 bis 400.000 Menschen. Fast 1/3 der Bevölkerung ist im Leben von Gürtelrose betroffen, unter den über 85-Jährigen hatten sogar schon 50 Prozent einen Zoster.
Prof. Kreuter: Die klassische Gürtelrose zeigt sich mit plötzlich auftretenden Bläschen auf gerötetem Grund entlang eines sogenannten Dermatoms (Hautareal, das von sensiblen Nerven versorgt wird). Die Gürtelrose kann sich aber auch durch vorgeschaltete Missempfindungen bemerkbar machen. Betroffene spüren an einer Hautpartie, z.B. Brustwand, zuerst ein Jucken, Brennen oder sogar Schmerzen und erst danach entstehen Bläschen. Am häufigsten kommt der Zoster im Bereich des Oberkörpers (mittleres Thorakalsegment) sowie im Bereich des Gesichts an der Stirn (Nervus Trigeminus 1) vor. Ersteres gab der Erkrankung im Volksmund übrigens auch den Namen – quasi eine Krankheit im Gürtelbereich.
Die klassische Gürtelrose zeigt sich mit plötzlich auftretenden Bläschen auf gerötetem Grund entlang eines sogenannten Dermatoms...
Prof. Kreuter: Ein klares ja. Ab dem 60. Lebensjahr steigt die Anzahl der Gürtelrosen in der Allgemeinbevölkerung deutlich. Wir sehen in den letzten Jahren aber auch einen Trend von immer mehr jungen Menschen mit Gürtelrose. Die Ursache dafür ist noch unklar – es könnte mit „Lifestyle-Faktoren“, wie Urlaubsreisen mit Sonnenexposition zusammenhängen. Auch Menschen mit erworbener, angeborener oder medikamentenbedingter Immunsuppression haben ein deutlich erhöhtes Risiko, genauso wie Patienten mit bestimmten Grunderkrankungen. Dazu zählen zum Beispiel chronische Lungenerkrankungen, rheumatische Erkrankungen, Herzerkrankungen und Krebserkrankungen. Besonders hoch ist das Risiko nach speziellen Krebsbehandlungen, wie der sogenannten Stammzelltransplantation.
Prof. Kreuter: Diese Frage ist schwierig zu beantworten, da das Spektrum von den eher „harmlosen“ Verläufen mit Bläschen und nur leichtem Schmerzempfinden bis zu schweren Komplikationen reicht. Die häufigste Komplikation ist eine Post-Zoster-Neuralgie, das heißt anhaltende Schmerzen über Wochen und Monate, im schlimmsten Fall sogar Jahre. Darüber hinaus kann bei bestimmten Zoster-Fällen auch das Auge (Zoster-Ophthalmicus), das Ohr (Zoster-Oticus) oder sogar das Gehirn (Zoster-Enzephalomyelitis) betroffen sein. Im schlimmsten Fall können daraus bleibende Nervenschädigungen resultieren.
Die häufigste Komplikation ist eine Post-Zoster-Neuralgie, das heißt anhaltende Schmerzen über Wochen und Monate, im schlimmsten Fall sogar Jahre.
Prof. Kreuter: Neben Stress und psychischer Belastung sind insbesondere Immundefekte Auslöser für Herpes Zoster. Auch UV-Exposition oder bestimmte immunsuppressiv-wirksame Medikamente sind relevant in der Entstehung einer Gürtelrose.
Prof. Kreuter: Auch das hängt vom Immunstatus des Betroffenen ab. Der „harmlosere“ Verlauf erstreckt sich in der Regel über eine Woche. Schwere Zoster-Verläufe (z.B. Zoster generalisatus) können sich über viele Wochen hinziehen.
Prof. Kreuter: Das Krankheitsbild ist so häufig, dass viele Arztgruppen damit vertraut sind – in erster Linie natürlich der eigene Hausarzt. Wenn dieser nicht weiterweiß, erfolgt die Behandlung im nächsten Schritt bei einem Hautarzt, Internisten oder Neurologen.
Generell gilt: Je schneller die Gürtelrose behandelt wird, umso besser der Verlauf.
Prof. Kreuter: Für die Behandlung stehen uns verschiedene oral verabreichte, antivirale Therapien (wie Aziclovir oder Brivudin) zur Verfügung. Der Zoster im Gesichtsbereich und bei immunsupprimiertem Zoster muss intravenös und damit in der Regel im Krankenhaus behandelt werden. Neben der antiviralen Therapie ist eine potente Schmerztherapie sowie eine adäquate Behandlung der Hautveränderungen (Schüttelmixturen, Lotio Alba) für ein gutes Behandlungsergebnis unabdingbar. Eine Abheilung ohne Behandlung ist möglich – führt aber zu einem deutlich erhöhten Risiko der gefürchteten Post-Zoster-Neuralgie.
Prof. Kreuter: Unbehandelt kann eine Gürtelrose zur Post-Zoster-Neuralgie und einer bakteriellen Superinfektion führen. Weitere mögliche Folgen sind bei Immunsuppression (HIV) eine nekrotisierende Retinitis, eine Lähmung des Gesichtsnervs (Facialisparese) oder eine Ausbreitung der Bläschen auf den ganzen Körper (Zoster generalisatus). In seltenen Fällen von Zoster im Gesicht und an den Augen (Zoster opthalmicus) kann es zu Entzündungen im Bereich des Zentralen Nervensystems kommen.
Prof. Kreuter: Im Laufe des Lebens geht die Anzahl spezifischer, auf das VZV gerichteter T-Zellen zurück – dies insbesondere um das 60. Lebensjahr. Daraus leitet sich die aktuelle Empfehlung zur Zoster-Impfung ab. Es ist aber wichtig zu erwähnen, dass die STIKO die Zoster-Impfung (Totimpfstopf/Shingrix) bei immungeschwächten Menschen schon ab dem 18. Lebensjahr empfiehlt. Die Impfung ist insgesamt gut verträglich und die Immunogenität des Impfstoffs ist sehr hoch – das heißt, der Impfstoff wirkt über viele Jahre. Shingrix wird zweimalig intramuskulär im Abstand von 2 bis max. 6 Monaten verabreicht. Aktuell ist die Impfrate noch sehr niedrig und liegt laut Daten des Robert-Koch-Instituts (Epidemiologisches Bulletin 2022) bei 7,7 Prozent.
Die Impfung ist insgesamt gut verträglich und die Immunogenität des Impfstoffs ist sehr hoch...
Prof. Kreuter: Zu dieser, im klinischen Alltag sehr wichtigen Frage, gibt es eine Empfehlung eines multidisziplinären, deutschen Expertengremiums. Dies empfiehlt nach überstandener Gürtelrose eine Impfung mit zwei Impfdosen Shingrix. Die Impfung sollte nach Möglichkeit im Zeitraum von 3 bis 12 Monaten nach der Erkrankung, nach meiner persönlichen Meinung nach 6 Monaten, erfolgen. Die Zoster-Impfung kann gleichzeitig mit anderen Impfungen (z.B. Influenza oder Pneumokokken) erfolgen. Wichtig ist, dass zum Zeitpunkt der Impfung die Erkrankung immer vollständig abgeheilt sein muss.
Aktuell wird geschätzt, dass etwa 5 Prozent aller gesunden Menschen, die eine Gürtelrose hatten, ein Rezidiv (zweite Episode einer Gürtelrose) erleiden. Je nach Risikokonstellation ist dieses Risiko deutlich höher – beispielsweise erleiden Menschen nach Transplantationen in 30 Prozent der Fälle erneut einen Zoster.
Prof. Kreuter: Der Zoster-Impfstoff kann in jedem Alter gegeben werden, also beispielsweise auch 90-Jährigen. Kontraindikationen sind letztendlich nur eine bekannte Überempfindlichkeit gegenüber des Wirkstoffes bzw. gegenüber sonstiger Bestandteile des Impfstoffs.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 28.03.2024.