Über 80 Prozent aller wahrgenommenen Reize aus unserer Umwelt erfahren wir über die Augen. Beeinträchtigungen von nur einem Teil dieses Sinnesorgans führen rasch zu Störungen der visuellen Wahrnehmung. Dies kann unter Umständen bis zum völligen Einbüßen der Sehkraft führen.
Zwei Erkrankungen mit Auswirkungen auf das Sehen sind wohl den meisten ein Begriff. Gerne führen die Bezeichnungen Grüner Star und Grauer Star jedoch zu Verwechslungen. Obgleich es sich bei beiden um Augenkrankheiten handelt, weisen sie in ihrer Entstehung keine Gemeinsamkeiten auf. In der Fachliteratur werden daher die Begriffe Katarakt für den Grauen Star und Glaukom für den Grünen Star vorgezogen.
Brillen gehören längst zum gewohnten Erscheinungsbild vieler Menschen. Vor allem aber sind sie Hilfsmittel, um eine Sehschwäche (Kurzsichtigkeit, Weitsichtigkeit) auszugleichen. Hinter manchen Sehstörungen müssen indes Erkrankungen des Auges angenommen werden. Zu diesen zählt (in mehreren Varianten) der sogenannte Star. Namensgebend ist allerdings nicht der bekannte Singvogel. Heute noch ist der Graue Star durch einen starren Blick charakterisiert. Im volkstümlichen Sprachgebrauch ist noch immer die Einteilung in den grauen Star, den grünen Star oder den schwarzen Star gebräuchlich.
Die zunehmend trübe Linse beim Grauen Star war in früheren Jahrhunderten aufgrund mangelnder Behandlungsmethoden die häufigste Ursache einer Erblindung. Dafür stellen heutzutage die irreparablen Schäden des Sehnervs beim Grünen Star viele Menschen vor Probleme.
Um die Erkrankung eines komplexen Gebildes wie unserem Sehapparat verstehen zu können, bedarf es dem Wissen um grundlegende Eigenschaften des gesunden Auges.
Betrachtet man das Auge als Ganzes, entspricht es der geometrischen Figur einer Kugel. Der für den Betrachter sichtbare Teil des Auges wird vorne von der durchsichtigen Hornhaut (Cornea) vor schädlichen Umwelteinflüssen geschützt. Wenn wir unserem Gegenüber in die Augen blicken, fällt indes zuerst die Färbung der Iris auf. Die farbliche Vielfalt gab ihr den Namen Regenbogenhaut. Genau in der Mitte der Iris sitzt die Pupille. Muskeln sind dafür verantwortlich, dass Iris und Pupille ständig in Bewegung sind. Die Pupille bildet das Zentrum des sichtbaren Auges. Indem sie sich enger oder weiter stellt, reguliert sie den Lichteinfall in das Auge. Zuständig hierfür sind die Muskelfasern der Iris.
Hinter der Pupille befindet sich die Linse. Diese passt sich der jeweiligen Entfernung des betrachteten Gegenstandes an, um einen scharfen Blick zu ermöglichen. In einem ringförmig um die Linse angebrachtem Wulst, dem Ziliarkörper, befinden sich die Ziliarmuskeln. Anders als bei einem Fotoapparat kann die Linse mit diesen Muskeln in ihrer eigenen Form und damit ihrer Brechkraft verändert werden. Den Ziliarkörpern kommt eine weitere, wichtige Aufgabe zu. Sie produzieren das Kammerwasser. Durch einen konstanten Druck (Augeninnendruck) trägt es zur Stabilisierung des Auges bei. Zudem versorgt das Kammerwasser die Linse und die Hornhaut des Auges mit Nährstoffen. Das Kammerwasser gelangt zuerst in die hintere Augenkammer zwischen Iris und Linse. Durch die Pupillenöffnung hindurch findet es seinen Weg in die vordere Augenkammer, die sich zwischen Iris und Hornhaut befindet. Kammerwasser wird kontinuierlich gebildet und muss somit eine Abflussmöglichkeit besitzen. Der spitze Winkel zwischen Hornhaut und der Regenbogenhaut wird als Kammerwinkel bezeichnet. Das Kammerwasser wird ständig durch ein fein verzweigtes Kanalsystem, das Trabekelwerk, in den sogenannten Schlemm'schen Kanal und weiter an die Blutbahn abgegeben.
Im hinteren Bereich des Auges trifft das eingehende Licht auf die Netzhaut, welche die Bilder in elektrische Impulse umwandelt. Ein etwa 0,5 cm dickes Nervenbündel, der Sehnerv, transportiert diese Signale direkt in das Gehirn. Das Ende des Sehnervs bildet am Augenhintergrund die sogenannte Papille.
Wenn der Augenarzt einen Grauen Star (Katarakt) diagnostiziert, stellt er eine zunehmende Trübung der Linse fest. Früher nahm man an, dass sich eine Flüssigkeit aus dem Gehirn wie ein Wasserfall (lateinisch: cataracta) in das Auge ergießt und die Linse trübt. Mit fortgeschrittenem Alter ist bei fast jedem Menschen eine leichte Trübung festzustellen. Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus oder Verletzungen der Augen können zu einer vorzeitigen Eintrübung und dem damit verbundenen Verlust der Elastizität der Linse führen. Im Rahmen der U2-Vorsorge wird bei Kindern auf das Vorhandensein einer angeborenen Katarakt geachtet.
Auch bei einem Grünen Star (Glaukom) ist eine steigende Anzahl von Patienten bei zunehmendem Alter zu beobachten. Ab dem 80. Lebensjahr wird eine Häufigkeit von 15 bis 20 Prozent weltweit angenommen. Doch können ebenso jüngere Menschen von dieser Schädigung des Sehnervs betroffen sein. Wie bei der Katarakt kann eine mögliche erbliche Vorbelastung beim Neugeborenen zu einem frühkindlichen Glaukom führen.
Im Laufe eines Tages produzieren die Ziliarkörper etwa zwei bis drei Milliliter Kammerwasser. Das Auge wird somit ständig mit frischen Nähr- und Mineralstoffen (Elektrolyten, Eiweiß, Zuckern, Ascorbinsäure und Hyaluronsäure) versorgt. Das Kammerwasser sorgt für den Erhalt eines konstanten Augeninnendrucks von 10 bis 21 mmHg (Millimeter Quecksilbersäule). Das weitaus größte Volumen fließt von der hinteren in die vordere Augenkammer. Auf seinem Weg wirkt es wie ein Gleitmittel und verhindert das Verkleben von Linse und Regenbogenhaut. Im sogenannten Kammerwinkel fließt das Kammerwasser zurück in den Blutkreislauf.
Im Alter oder beispielsweise bei Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes nimmt die Produktion von Kammerwasser ab. Diese und viele andere Faktoren können zur Verminderung der Transparenz der Linse führen.
Bei der Entstehung eines Glaukoms dagegen spielt das Kammerwasser die entscheidende Rolle. Kann das Kammerwasser nicht mehr in ausreichender Menge abfließen, staut es sich in den Augenkammern. Der Augeninnendruck steigt deutlich über den normalen Wert an und drückt in der Folge im hinteren Bereich des Glaskörpers auf den Sehnerv. Außer dem Kammerwasser können manchmal auch Durchblutungsstörungen zu Ausfällen am Sehnerv führen und die Symptomatik eines Glaukoms herbeiführen.
Tritt eine Erkrankung schleichend, bisweilen über Jahre hin auf, führt das häufig zu einer Anpassung des Verhaltens. Sieht man schlechter, geht man näher heran, oder man benutzt die Brille. Wird die Umwelt verschwommen wahrgenommen oder machen sich die ersten kleinen Ausfälle im Gesichtsfeld bemerkbar, hilft dieses Verhalten nicht mehr.
Beim Grauen Star nimmt das klare, scharfe Sehen langsam, aber stetig ab. Nicht selten wird anfänglich eine Kurzsichtigkeit oder Weitsichtigkeit hinter den verschwommenen Bildern angenommen. Doch eine Brille kann bei einem Grauen Star keine Abhilfe schaffen. Über die Wahrnehmung der Umgebung zieht sich ein Schleier, der zunehmend Farben und Kontraste unscharf erscheinen lässt. Beim Autofahren, insbesondere bei Nacht oder Regen, empfindet man sich, stärker als in früheren Jahren, geblendet.
Letztlich ist für die Symptome des Grünen Stars eine Schädigung des Sehnervs ausschlaggebend. Mit fortschreitender Beeinträchtigung werden zunehmend weniger Bildimpulse weitergeleitet, sodass im Gehirn Bilder mit immer größeren Ausfällen wahrgenommen werden. Das Gesichtsfeld wird mehr und mehr eingeschränkt. Über lange Zeit werden bei einem Glaukom jedoch keine Veränderungen des Sehens bemerkt. Im Gegensatz zum Grauen Star kann es beim Grünen Star auch zu einem akuten Auftreten der Erkrankung kommen, dem Glaukomanfall. Diese Situation wird als sehr schmerzhaft wahrgenommen und bedeutet grundsätzlich einen medizinischen Notfall, welcher sofort von einem Arzt betreut werden muss, um bleibende Schäden des Auges zu verhindern.
Das Nachlassen der Sehfähigkeit ist ein für ältere Menschen weithin bekanntes Problem. Anfangs greift man vielleicht schnell zur Brille vom Discounter. Erst wenn es gar nicht mehr geht, wird der Optiker oder Augenarzt um Rat gebeten. Eine ausführliche Befragung und spezielle Untersuchungen bringen dann die genaue Diagnose ans Tageslicht. So unterschiedlich wie die Erkrankungen sind auch die Behandlungsmethoden zwischen Grauem und Grünem Star.
Bis in die Neuzeit hinein war der Starstich beim Grauen Star das Heilmittel der Wahl, bei dem die trübe Linse aus dem Blickfeld gedrückt wurde. Berühmte Komponisten wie Georg Friedrich Händel oder Sebastian Bach unterzogen sich dieser Prozedur. Oft erblindeten die Patienten jedoch an schweren Infektionen oder starben sogar. Heute kann bei 90 Prozent der Patienten eine Sehfähigkeit zu 50 bis 100 Prozent wiederhergestellt werden. Indes bleibt die Entfernung der getrübten Linse die einzige Möglichkeit der Behandlung des Grauen Stars. An dessen Stelle folgt jedoch der Einsatz einer künstlichen Linse, die das Scharfsehen ermöglicht.
Vergleichsweise einfach erscheint die Behandlung des Glaukoms durch die Verwendung von Augentropfen. Doch nicht bei jedem Patienten lässt sich der Augeninnendruck hiermit nachhaltig senken. Augenärzte haben für diese Fälle mittlerweile eine breite Palette individuell anwendbarer operativer Verfahren an der Hand. Ziel ist es, dem Kammerwasser alternative Abflussmöglichkeiten zu bieten, um damit den Augeninnendruck zu senken und das Fortschreiten der Erkrankung zu stoppen.
Universitätsklinikum Heidelberg, Augenklinik – Grauer Star und Intraokularlinsen: https://web.archive.org/web/20141229202948/http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Grauer-Star-Katarakt-und-Intraokularlinsen.8882.0.html (online, letzter Abruf: 17.04.2020)
Initiativkreis zur Glaukomfrüherkennung e. V.: http://www.glaukom.de/ (online, letzter Abruf: 17.04.2020)
dr-leber.de – Geschichte der Augenheilkunde, MARION MARIA RUISINGER Institut für Geschichte der Medizin der Universität Erlangen-Nürnberg: http://www.dr-leber.de/geschichte_i.htm (online, letzter Abruf: 17.04.2020)
Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e.V. (BVA) – Katarakt: http://cms.augeninfo.de/nc/hauptmenu/presse/statistiken/statsitik-katerakt.html (online, letzter Abruf: 17.04.2020)
Augenärztliche Akademie Deutschland (AAD), Prof. Dr. Franz Grehn – Wenn Medikamente nicht mehr ausreichen: Welche Möglichkeiten bietet die Glaukomchirurgie?: http://aad.to/vollseite.php?jahreswahl=2015&presse_id=198 (online, letzter Abruf: 17.04.2020)
aktualisiert am 17.04.2020