Prof. Eter: Der Graue Star ist eine Trübung der Augenlinse. Das Auge ist so aufgebaut, dass sich vorne die Hornhaut, hinten die Netzhaut, die Aderhaut, die Lederhaut und der Sehnerv befinden. Zwischen vorderem und hinteren Augenabschnitt befindet sich die Linse. Im Laufe des Lebens kann sich die Linse eintrüben, man spricht dann vom Grauen Star. Nicht zu verwechseln ist der Graue Star mit dem Grünen Star, auch Glaukom genannt. Der Graue Star ist die Trübung der Augenlinse, auch Katarakt genannt. Das kommt daher, dass man im Mittelalter jemanden, der erblindet war, als "starr blind" bezeichnete, daher der Begriff "Star". Mit dem Vogel hat die Namensgebung also nichts zu tun.
Prof. Eter: Es sind eigentlich relativ unspezifische Symptome, wie einfach ein schlechteres Sehen. Manche Patienten beschreiben, dass sie ein bisschen verschwommen, unscharf oder milchig sehen. Erste Symptome können auch Blendungserscheinungen sein. Ganz typisch ist, dass Patienten, die abends viel Auto fahren, sagen, dass sie sehr stark geblendet werden, was vorher nicht der Fall war. Das sind auch erste Anzeichen, aber ansonsten ist es einfach ein schlechteres Sehen.
Es sind eigentlich relativ unspezifische Symptome, wie einfach ein schlechteres Sehen.
Prof. Eter: Man muss sagen, dass 95% der Fälle altersbedingt sind. Ich erkläre meinen Patienten immer, dass es sich mit dem Grauen Star wie graue Haare verhält - im Alter bekommt ihn fast jeder von uns. Dann gibt es aber auch spezielle Formen. Zum Beispiel gibt es den angeborenen Katarakt, eine Linsentrübung, mit der manche Säuglinge geboren werden oder die sie unter der Geburt entwickeln können.
Dann gibt es Linsentrübungen im Zusammenhang mit anderen Allgemeinerkrankungen wie Diabetes. Diabetiker entwickeln viel früher eine Linsentrübung. Natürlich spielen auch Umweltfaktoren eine Rolle, zum Beispiel übermäßige Sonneneinstrahlung, wenn die Augen nicht durch eine Sonnenbrille geschützt sind. Dies kann zu einem schnelleren Grauen Star führen. Es kann auch eine Nebenwirkung von Medikamenten sein, zum Beispiel von Kortison. Patienten, die aus verschiedenen Gründen dauerhaft Kortison einnehmen müssen, entwickeln schneller einen Grauen Star.
Er kann aber auch sekundär nach einem Unfall, also nach einem traumatischen Ereignis, auftreten, auch wenn das Auge selbst nicht perforiert wurde. Ein stumpfes Trauma, zum Beispiel durch einen Squash- oder Tennisball auf dem Auge, kann dazu führen. Dann gibt es noch die Strahlung. Einerseits kann Strahlung, wenn sie aus medizinischen Gründen eingesetzt wird und sich im Kopfbereich befindet, unweigerlich auch die Linse beeinflussen, obwohl man versucht, dies durch einen angepassten Strahlengang zu minimieren. Je nach Lokalisation kann dies jedoch vorkommen.
Ebenfalls chronische Entzündungen im Auge, die durch andere Augenerkrankungen hervorgerufen werden können, können zu einem Graue Star führen. Die meisten Fälle sind jedoch altersbedingt.
Prof. Eter: Generell muss man sagen, dass der Graue Star ab einem Alter von etwa 50 Jahren auftreten kann. Es ist ein schleichender Prozess, es ist nicht so, dass man eines Tages aufwacht und plötzlich eine Linsentrübung feststellt. Sie entwickelt sich allmählich, weshalb man sie anfangs oft nicht bemerkt. Es gibt auch Unterschiede in der Sehverschlechterung. Manche Patienten haben bei einer Sehkraft von 50% erst auffallende Beschwerden, während andere mit 80 oder 90% Sehkraft schon über eine Beeinträchtigung klagen. Das hängt auch ein bisschen vom eigenen Empfinden ab.
Es gibt Berufe, die höhere Anforderungen an das Sehvermögen stellen, z.B. bei Piloten. Bei Ihnen können Augenprobleme bei Routineuntersuchungen festgestellt werden. Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass sich der Graue Star ab dem 50. Lebensjahr entwickeln kann. Manche Menschen entwickeln ihn schneller, andere langsamer. Manche bemerken ihn früher, andere haben weniger Beschwerden. Diabetiker oder auch Menschen, die mit Strahlung arbeiten, fallen meist unter die Risikogruppen.
Es ist ein schleichender Prozess, es ist nicht so, dass man eines Tages aufwacht und plötzlich eine Linsentrübung feststellt.
Prof. Eter: Zuerst hören wir dem Patienten genau zu, um seine Symptome zu verstehen. Dann führen wir Tests durch, um die Sehkraft zu bestimmen. Die Diagnose wird schließlich mit einer Spaltlampe gestellt, die wir beim Augenarzt benutzen. Mit dieser Lampe betrachten wir das Auge unter starker Vergrößerung und beleuchten es, um die Hornhaut, die vordere Augenkammer und die Linse zu untersuchen. So können wir feststellen, ob die Linse getrübt ist oder nicht.
Prof. Eter: Der Graue Star ist in den meisten Fällen eine Erkrankung, die chirurgisch behandelt werden muss. Bei bestimmten generalisierten Erkrankungen wie der Galaktosämie kann es zu einer reversiblen Linsentrübung kommen. Wenn sie früh erkannt und entsprechend behandelt wird, ist sie reversibel. Diese Ausnahme ist jedoch extrem selten. In der Regel erfordert der Graue Star einen chirurgischen Eingriff, bei dem die getrübte Linse durch eine Kunstlinse ersetzt wird, um das Sehvermögen wiederherzustellen.
Prof. Eter: Die Dringlichkeit einer Operation hängt von verschiedenen Faktoren ab. Bei angeborenem einseitigen Grauen Star im Säuglingsalter ist eine rasche Operation notwendig, da das betroffene Auge sonst keine Chance hat, das Sehen zu erlernen. In den ersten Lebensmonaten bilden sich wichtige Verbindungen zwischen Auge und Gehirn, die für die Entwicklung des Sehvermögens entscheidend sind. Wird dies versäumt, kann das Auge dauerhaft geschädigt bleiben. In den meisten Fällen des altersbedingten Grauen Stars besteht jedoch keine Eile. Die Operation kann je nach Bedarf und Wunsch des Patienten geplant und durchgeführt werden. Bei der Operation wird die getrübte Linse durch eine Kunstlinse ersetzt, um das Sehvermögen zu verbessern.
Prof. Eter: Es handelt sich um eine kleine mikrochirurgische Schnittoperation, bei der die Linse entfernt wird. Die Kapsel, in der die Linse sich befindet, bleibt jedoch erhalten. In dieser Kapsel der alten Linse kann dann eine neue Kunstlinse eingesetzt werden. Heutzutage handelt es sich dabei meist um faltbare Linsen. Das bedeutet, dass eine Linse mit einem optischen Durchmesser von z.B. 6 mm durch eine 2 mm große Öffnung passt, weil sie in einem Injektor gefaltet wird. Sie wird dann in das Auge geschoben, wo sie sich entfaltet - eine elegante Methode ohne Naht. Der Eingriff erfolgt in der Regel unter örtlicher Betäubung, oft mit Tropfanästhesie oder oberflächlicher Gelbetäubung. Der Eingriff dauert nur ein paar Minuten. Es handelt sich um einen standardisierten Eingriff, der in der Tat die häufigste Operation in der gesamten Medizin ist. Da wir alle irgendwann einmal eine Katarakt bekommen, ist dieser Eingriff sehr gut definiert und entwickelt.
Es gibt natürlich auch Sonderfälle, zum Beispiel eine Linsentrübung nach einem Trauma, wo es zu einer Linsentrübung kommen kann. Dann kann es sein, dass nicht nur die Linse aus der Kapsel entfernt werden muss, sondern auch die Kapsel selbst durch das Trauma nicht mehr intakt ist und entfernt werden muss. In solchen Fällen gibt es verschiedene Methoden, die neue Linse zu fixieren, wie z.B. die Verankerung in der Lederhaut oder der Iris. Die zuvor beschriebene Standardoperation ist jedoch die Regel.
Der Eingriff dauert nur ein paar Minuten.
Prof. Eter: Die Linse wird uns höchstwahrscheinlich überdauern und hält somit länger als wir leben. Es handelt sich meist um Acryllinsen. Das sind also klare Linsen. Der Patient, der am Tag der Operation noch einen Verband auf dem Auge hat, geht am nächsten Tag zur Kontrolle zum Augenarzt. Dort wird der Verband entfernt und in der Regel sieht man dann schon wieder viel besser als vorher. Natürlich kann es noch etwas verschwommen sein und der Patient benötigt für die nächsten Tage Augentropfen zur Behandlung. Die Erholung des Sehvermögens geht aber dann sehr schnell.
Normalerweise wartet man vier Wochen, bevor man eine Brille anpasst. In dieser Zeit kann sich die Krümmung der Hornhaut noch leicht Verändern. Danach ist die Abheilung abgeschlossen und eine Brille notwendig, denn mit zunehmendem Alter lässt die Akkommodation nach. Das bedeutet, dass etwa ab dem 45. bis 50. Lebensjahr die Fähigkeit, von der Ferne in die Nähe scharf zu sehen, nachlässt und eine Lesebrille notwendig wird. Dies gilt auch nach einer Operation des Grauen Stars, es sei denn, man entscheidet sich für spezielle Linsen, sogenannte multifokale Intraokularlinsen, die mehrere Brennpunkte haben können. Mit diesen Linsen ist es möglich, sowohl in der Ferne als auch in einem Abstand von ca. 30 cm scharf zu sehen, sodass eine Brille nicht mehr notwendig ist. Bei einer normalen monofokalen Intraokularlinse ist jedoch in der Regel eine Brille erforderlich, die etwa vier Wochen nach der Operation angepasst wird.
Prof. Eter: Die Operation wird in der Regel ambulant durchgeführt. Der Patient darf danach kein Auto fahren, da ein Auge abgeklebt ist und es ihn somit einschränkt. Die Erholung der Sehkraft variiert und oft passt die alte Brille nach der Operation nicht mehr, zumindest für das operierte Auge. Es hängt davon ab, wie schnell sich der Patient an die veränderte Sehkraft anpasst. Möglicherweise benötigt er die Brille vorerst nicht mehr, wenn er bereits nach ein paar Tagen gut in der Ferne sehen kann. Dies wird bei den Nachuntersuchungen überprüft. Wenn die Sehkraft schnell wiederhergestellt ist, spricht nichts dagegen, auch schnell wieder Auto zu fahren.
Prof. Eter: Bei komplizierten Fällen oder bei Säuglingen wird die Operation stationär im Krankenhaus durchgeführt. Dann verbringen die Patienten normalerweise eine Nacht, maximal zwei Nächte, je nach individuellem Befund, im Krankenhaus. Wenn es sich um einen traumatisch-bedingten Grauen Star handelt, hängt die Dauer des Aufenthalts stark vom Befund ab und davon, ob zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind. Insgesamt sind die Krankenhausaufenthalte jedoch sehr kurz, wenn überhaupt notwendig. Denn meist erfolgen die Eingriffe ambulant.
Prof. Eter: Es gab eine Zeit, in der die Augenheilkunde anders aussah. Als ich mit der Kataraktchirurgie begann, gab es noch keine faltbaren Linsen. Damals mussten die Schnitte genau so groß sein wie der Durchmesser der Linse. Wenn zum Beispiel eine Linse mit einem Durchmesser von 6 mm eingesetzt wurde, musste auch ein 6 mm großer Schnitt gemacht werden. Das mag sehr klein erscheinen, aber in der Augenheilkunde war das schon ein großer Schnitt. In den 90er Jahren kamen dann die faltbaren Linsen, ein großer Durchbruch. Der Einsatz von Intraokularlinsen selbst war erst Mitte des letzten Jahrhunderts, nach dem zweiten Weltkrieg, üblich geworden.
Auslöser war die Beobachtung, dass bei Piloten im Krieg Plexiglassplitter im Auge gefunden wurden, die keine Reizungen verursachten und im Auge verblieben. Dann kam die ldee auf, Augenlinsen aus Plexiglas einzusetzen. Anfangs wurden die Linsen nicht in die Kapsel eingesetzt, da die Technik, die Kapsel zu erhalten und nur das Linseninnere zu entfernen, noch nicht entwickelt war. Dann kamen in den 90er Jahren die faltbaren Linsen auf den Markt und inzwischen haben sich auch die Materialien verbessert. Inzwischen haben alle Linsen einen UV-Blocker. Es gibt spezielle Linsen, wie z.B. multifokale Linsen, die mehrere Brennpunkte haben, um die Notwendigkeit einer Brille zu reduzieren. Es gibt auch EDOF-Linsen mit größerer Tiefenschärfe, die weniger Nachteile haben als Mehrstärkenlinsen. Im Vergleich zu den normalen monofokalen Linsen ermöglichen sie jedoch immer noch ein gewisses Nahsehen.
In den 90er Jahren kamen dann die faltbaren Linsen, ein großer Durchbruch.
Prof. Eter: Bei den Linsenmaterialien macht die Medizintechnik große Fortschritte. In Zukunft werden wir daher wahrscheinlich noch mehr Möglichkeiten für Linsen mit verbesserten Abbildungseigenschaften haben. Derzeit gibt es auch Neuerungen im Bereich der sogenannten akkommodativen Linsen. Hier wird erforscht, ob man mit Hilfe von Linsen die Fähigkeit wiederherstellen kann, von der Ferne in die Nähe zu fokussieren. Das ist vielleicht die Zukunft, auch wenn wir heute noch keine konkreten Lösungen für Patienten haben. Aber die Forschung in diese Richtung geht voran. Es gibt auch die Entwicklung von Speziallinsen wie Teleskoplinsen für bestimmte Krankheiten. Sie können zum Beispiel bei Netzhauterkrankungen, bei denen das zentrale Sehen beeinträchtigt ist, helfen. Es gibt bereits neue Linsen auf dem Markt, die diese Funktion bieten.
Danke für das lnterview!
Letzte Aktualisierung am 03.05.2024.