Allgemein gilt der Graue Star oder Katarakt als Erkrankung älterer Erwachsener: Die Wahrscheinlichkeit einer Linsentrübung vervielfacht sich mit zunehmendem Alter. Weniger bekannt ist, dass auch Kinder betroffen sein können.
In Mitteleuropa sind circa drei von 10.000 Kindern von einer Katarakt betroffen. Einseitige Katarakte gehen häufig auf vorgeburtliche Ereignisse zurück. Beispiel ist eine Röteln-Infektion der Mutter während der ersten sechs Schwangerschaftswochen. Beidseitiger Grauer Star im Kindesalter ist in einem Viertel der Fälle ererbt.
Als Ursache von angeborenem Grauen Star kommen neben ererbten Gen-Defekten auch in Frage
Kinder können auch an erblichen Krankheiten leiden, in dessen Zuge es im Laufe der Zeit zu einem Grauen Star kommen kann. Beispiele sind Down-Syndrom, Diabetes mellitus (meist vom Typ 1) oder Galaktosämie (eine Stoffwechselstörung).
In von Armut betroffenen Ländern ist Grauer Star bei Neugeborenen und Kleinkindern keine Seltenheit. Das Fehlen flächendeckender Röteln-Impfungen ist ein häufiges Problem. Auch andere Infektionen richten Schaden an. Dazu kommen Entwicklungsstörungen während der Schwangerschaft oder im frühen Kindesalter. Bei diesen spielt Mangelernährung eine wichtige Rolle: Stoffwechselerkrankungen oder Nährstoffmangel machen sich bemerkbar.
Eine Entzündung innerhalb des Auges (Uveitis), wie sie im Verlauf mancher rheumatischer Erkrankungen auch im Kindesalter vorkommt, kann außerdem einen Grauen Star hervorrufen.
Verletzungen können ein Eintrüben der Linse verursachen, beispielsweise eine Augenprellung oder eine offene, tiefe Verletzung mit oder ohne Fremdkörper. Eine weitere Ursache für eine Katarakt bei Kindern sind Röntgen-, Infrarot- oder UV-Strahlung. Des Weiteren können Medikamente wie Cortison über längere Zeit zur Entwicklung eines Grauen Stars führen.
Wie beim Erwachsenen kann die Katarakt sich punktuell auf ein Auge und einen Bereich der Linse beschränken oder auf beiden Augen auftreten. Die Trübung betrifft entweder das Zentrum der Linse oder deren Randbereich (Rinde). Ein anfänglicher Hinweis auf einen Grauen Star ist ein Schielen des Kindes.
Damit die Sehkraft des Kindes sich voll entwickeln kann, bietet ein chirurgischer Eingriff die besten Chancen. Hochentwickelte Mikrochirurgie, das Implantieren von künstlichen Linsen und gezielte langfristige Nachsorge sorgen für gute Erfolge. Die Langzeitprognose auf gute Sehkraft im Normbereich ist meist günstig.
Die kleine Operation selbst (Katarakt-OP) dauert etwa 15 Minuten und ist unkompliziert. Sie wird bei Säuglingen und kleinen Kindern in der Regel in einer kurzen Narkose durchgeführt.
Bei Kindern unter einem Jahr lässt sich die getrübte Linse problemlos durch einen winzigen Schnitt „absaugen“. Sie bekommen dann zunächst eine Kontaktlinse angepasst. Ältere Kinder erhalten nach dem Absaugen der getrübten Linse sofort eine Kunstlinse, die innerhalb des Auges verankert wird.
Die Nachsorge und die Korrektur der Sehschärfe während des Wachstums erfordern allerdings über Jahre hinweg die Betreuung durch erfahrene Spezialisten. Dabei werden Brillen und Kontaktlinsen benötigt, die immer wieder angepasst werden müssen. Der Grund dafür: Besonders wenn eine einseitige Katarakt entfernt wurde, liefert das gesunde Auge dem Gehirn bessere Bilder als das operierte Auge. Das Gehirn aber benötigt deckungsgleiche, klare und korrekt ausgerichtete Bilder von beiden Augen. Mangelhafte Eindrücke von einem Auge würde es auf die Dauer „ausblenden“. Die Fähigkeit, Bilder auszuwerten, entwickelt sich bei Kindern bis etwa zum achten Lebensjahr. In dieser Phase müssen die Augen, etwa nach einer einseitigen Katarakt-OP, entsprechend unterstützt und trainiert werden. Dieser Prozess ist sehr viel aufwändiger und komplizierter als die Katarakt-Operation selbst. Unbehandelt führen nicht-synchrone Bilder zu einer Schwachsichtigkeit (Amblyopie) des vom Gehirn „ausgeblendeten“ Auges, ähnlich wie dies bei Strabismus (Schielen) oder bei einem bestehenden Grauen Star der Fall ist. Die Sehkraft kann auf dem schwächeren Auge so stark herabgesetzt sein, dass das Auge als blind gilt.
Der Nachsorge-Prozess und die Seh-Korrekturen beim Kind sind entsprechend sehr viel aufwändiger und komplizierter als die Katarakt-Operation selbst.
Deutsches Ärzteblatt, Ronald D. Gerste – Katarakt im Kindesalter: Bei den meisten Patienten ist der Visus nach OP gut: https://www.aerzteblatt.de/archiv/131700/Katarakt-im-Kindesalter-Bei-den-meisten-Patienten-ist-der-Visus-nach-OP-gut (online, letzter Abruf 11.02.2021)
Augenklinik Sulzbach – Kindliche Katarakt: https://www.augenklinik-sulzbach.de/behandlungsspektrum/kinder-spezialsprechstunde/kindliche-katarakt (online, letzter Abruf 11.02.2021)
CBM Christoffel Blindenmission – Grauer Star: Ursachen sind vielfältig: https://www.cbm.de/informieren/blindheit-in-entwicklungslaendern/ursachen-blindheit/grauer-star.html (online, letzter Abruf 11.02.2021)
MSD Manual, Christopfer M. Fecarotta; Wendy W. Huang – Angeborene Katarakt (Kindliche Katarakt): https://www.msdmanuals.com/de-de/profi/p%C3%A4diatrie/augenkrankheiten-bei-kindern/angeborene-katarakt (online, letzter Abruf 11.02.2021)
aktualisiert am 11.02.2021