Hormone steuern die Ausbildung, die Funktion und das Zusammenspiel der Geschlechtsorgane. Sie regulieren die körperliche und psychische Entwicklung des Menschen in der Pubertät und die Fruchtbarkeit. Einer der Schritte zu einer aktiven Geschlechtsumwandlung ist die Einflussnahme über passend dosierte Hormonpräparate.
Wichtige „Steuerelemente“ im Hormonhaushalt sind die Hirnanhangdrüse (Hypophyse) und der Hypothalamus, ein Bereich im Zwischenhirn. Die eigentlichen „Geschlechtshormone“ werden von den Gonaden ausgeschüttet, den Hoden beim Mann und den Ovarien (Eierstöcken) der Frau. Hypophyse und Hypothalamus senden spezielle Substanzen (Botenstoffe), die die Hormonproduktion der Gonaden in Gang setzten oder hemmen. Über einen Eingriff in dieses System lassen sich Fruchtbarkeit, psychische Verfassung und geschlechtsspezifische körperliche Attribute verändern.
Eine Anpassung des körperlichen an das gefühlte, „innere“ Geschlecht erfolgt üblicherweise in drei Schritten.
Der erste besteht in einer offenen Psychotherapie: Selbstwahrnehmung, Orientierung und Ausprägung des Veränderungswunsches stehen im Mittelpunkt. Ziel der Therapie ist es nicht, den oder die Betroffene von seiner oder ihrer Absicht abzubringen. Vielmehr wird den Ursachen und Beweggründen für das Verlangen nach Geschlechtsanpassung auf den Grund gegangen. Liegt eine echte „Transsexualität“ vor, kann die Therapie mit dem wichtigen zweiten Schritt fortgesetzt werden.
Dieser zweite Schritt ist abhängig vom Alter der Patienten. Bei Kindern oder Jugendlichen lässt sich die Pubertät mit passenden Hormongaben verlangsamen oder aufhalten. Merkmale wie der Stimmbruch, geschlechtsspezifisch verteilter Haarwuchs oder das Wachstum der weiblichen Brust werden damit wirksam unterdrückt.
Die verlangsamte oder unterdrückte Pubertät gibt Personen mit Trans-Identität ein Zeitfenster. In dieser Phase können sie sich und ihre Situation neu wahrnehmen. Allerdings greifen die Hormone auch in das allgemeine körperliche Wachstum ein. Dieses Risiko gilt es einzukalkulieren.
In beiden Fällen schafft die Hormonbehandlung die Grundlage dafür, sich in der neuen, wunschgemäßen Geschlechtsrolle zurechtzufinden. Die Hormontherapie vor einer Operation als möglichen dritten Schritt hat eine weitere wichtige Funktion: Sind die Veränderungen für den jeweiligen Patienten stimmig? Wenn ja, wird er oder sie sich im eigenen Körper wohlfühlen und an Lebensqualität gewinnen.
Die Hormon-Therapie birgt die Gefahr von Nebenwirkungen und Gesundheitsrisiken. Sie ist, abhängig von Beginn und Dauer, auch nur teilweise wieder rückgängig zu machen.
Für eine chirurgische Geschlechtsanpassung ist eine mehrjährige Hormontherapie eine wichtige Voraussetzung. Werden die Hormone gut vertragen, kann die Operation durchgeführt werden. Der operative Eingriff entfernt die für die Hormonproduktion zuständigen Organe. Daher ist die lebenslange Einnahme von Hormonen notwendig, um Gesundheit und angemessene Lebenserwartung zu sichern.
Folgende Geschlechtsanpassungen lassen sich mit einer Hormon-Behandlung erreichen.
Östrogen-Präparate bringen die körperliche Anpassung Mann-Frau in Gang. Üblich ist die Gabe von Estradiol. Ergänzend kommen hormonhaltige Gels oder Östrogen-Pflaster zum Einsatz. Die Pflaster empfehlen sich, wenn ein erhöhtes Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorliegt.
Alternativ bietet sich Spironolacton an. Das Präparat, ansonsten bei Herz- oder Lebererkrankungen verwendet, ist in den USA für Transgender-Behandlungen im Einsatz. In Europa ist es für dieses Einsatzgebiet noch wenig bekannt. Zugleich fördert es das Brustwachstum, senkt oder verhindert Bluthochdruck und wirkt auf die Stimme ein.
Bei der Geschlechtsanpassung Frau-zu-Mann werden im ersten Behandlungssschritt GnRH-Analoga verwendet. Dies sind Medikamente, die bestimmte Rezeptoren in der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) blockieren. Als Folge wird mehr Testosteron ausgeschüttet.
Im Anschluss daran kommen Testosteron-Gel und die Einnahme von Testosteron-Undecanoat in Frage. Testosteron-Undecanoat ist aus dem Sport bekannt. Es fördert beispielsweise den Muskelzuwachs. Langfristig verhindert es den Regelzyklus der Frau.
In vielen Fällen ist das Resultat der Hormonbehandlung für die Menschen mit Trans-Identität bereits zufriedenstellend. Knapp 50 Prozent der Betroffenen streben im Anschluss noch eine chirurgische Geschlechtsanpassung an.
aktualisiert am 29.01.2016