Mit der eigenen Geschlechtsidentität müssen sich Kinder und Jugendliche schon lange vor dem Beginn der Pubertät auseinandersetzen. Doch ab wann benötigen sie dabei Hilfe? Wann besteht „Handlungsbedarf“ nach Schritten, sich in Richtung des jeweils anderen Geschlechtes zu orientieren?
Fachärztliche Leitlinien und das TSG, das Transsexuellen-Gesetz, sehen für eine operative Geschlechtsumwandlung ein Mindestalter von 18 Jahren vor. Für die vorangehende Hormonbehandlung ist das 14. Lebensjahr empfohlen. Diese Grenzen werden in Einzelfällen unterschritten. Die Kosten der gesamten Behandlung trägt die Krankenkasse. Voraussetzung ist eine gesicherte Diagnose. Dazu bedarf es zweier Gutachten und dem Nachweis über die zuvor durchlaufenen Therapieschritte.
Namens- und Personenstandsänderungen sind unabhängig vom Alter der Patienten jederzeit möglich.
Diagnose und Therapie von Problemen mit der eigenen Geschlechtsidentifikation den ersten beiden Lebensjahrzehnten befinden sich im Wandel. Die Entscheidung für eine aktive, medizinische Geschlechtsanpassung wird in einigen Fällen bereits im Kindesalter getroffen. Der „Zeitpuffer“ zwischen dem Beginn der Pubertät und dem Erwachsenenalter vor einer nicht mehr umkehrbaren, chirurgischen Veränderung verschafft dem Patienten Klarheit über seine Situation.
Kinder versuchen zeitweise oder dauerhaft, in die Rolle des anderen Geschlechts zu schlüpfen. Doch ab wann ist dies keine vorübergehende Entwicklungsphase mehr, oder die Folge äußerer Einflüsse, sondern für das Individuum notwendig? Wenn die vorliegende Situation zu einem anhaltend hohen Leidensdruck und starkem Unbehagen führt, liegt eine Geschlechtsidentifikationsstörung vor.
Anhaltende Geschlechts-Identitätsstörungen münden nicht selten im Wunsch nach einer endgültigen Geschlechtsumwandlung. Diese beginnt mit einer psychotherapeutischen und anschließend einer Hormonbehandlung. Auf Wunsch der Patienten erfolgt eine chirurgische Geschlechtsanpassung. Diagnosekriterien hierzu sind der dauerhafte, dringende Patientenwunsch und ein Unwohl-Fühlen im eigenen Körper. Die sexuelle Orientierung spielt nur eine untergeordnete Rolle.
Die internationale Klassifikation für Störungen der Geschlechtsidentität unterscheidet zwischen Abweichungen im Kindes- und im Erwachsenenalter.
Die Geschlechtsidentitätsstörung muss abgegrenzt werden von
In die Diagnose müssen die Eltern oder Erziehungsberechtigten mit einbezogen werden. Ziel der Therapie ist es, atypische Haltungen, Wünsche und Interessen festzustellen und die Auswirkungen eines hohen sozialen Anpassungsdruckes auszuschließen.
Spielverhalten, die Auswahl der Spielkameraden, der Zeitpunkt des ersten Auftretens von „Verhaltensauffälligkeiten“, der Drang zu „Crossdressing“, also dem bevorzugten Tragen von Kleidung des anderen Geschlechtes, geben Hinweise. Auffallend sind die oft heftige Ablehnung der eigenen äußeren Geschlechtsmerkmale. Betroffene versuchen, diese zu verbergen. Typisch sind ausgeprägte Berührungsängste, da der eigene Körper als negativ empfunden wird.
Für eine Situationsbewertung und erste Hilfe für die Betroffenen gilt eine mindestens einjährige psychotherapeutische Behandlung. Im Kindesalter wird der Wunsch nach einer Geschlechtsumwandlung häufig wieder aufgegeben. Bei erwachsenen Patienten tritt dies erfahrungsgemäß selten ein.
Lösen die ersten Anzeichen der Pubertät starke Reaktionen und Krisen bei den Betroffenen aus, können pubertätshemmende Hormonbehandlungen helfen: Damit lassen sich Stimmbruch, Bartwuchs, Brustentwicklung oder den Beginn der Menstruation verhindern. Hormon-Therapien sollten nicht vor dem 14. Lebensjahr beginnen. Vom behandelnden Facharzt (Endokrinologen) werden viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl verlangt. Die Hormonpräparate können jederzeit abgesetzt werden, wenn sich in der psychischen Verfassung und der geschlechtlichen Selbstidentifikation der Patienten Umschwünge ergeben.
Die Hormonbehandlung verschafft dem Patienten vor allem einen Zeitgewinn, bevor er sich sich für weitere, endgültige Schritte einer Geschlechtsanpassung entscheidet.
Eine pubertätshemmende Hormonbehandlung wirkt sich auf das Körper- und Knochenwachstum aus. Dieses kommt unter Umständen vorzeitig zum Stillstand. Über Spätfolgen liegen noch keine gesicherten Erkenntnisse vor. Eine lückenlose Kontrolle des Hormonstatus, des Blutbildes und anderer Faktoren ist aus diesem Grund während der Behandlung ein Muss.
aktualisiert am 09.02.2017