Bei einem Gerstenkorn handelt es sich um eine bakterielle Infektion, welche überwiegend durch ein Bakterium mit dem Namen Staphylococcus aureus ausgelöst wird. In seltenen Fällen können zudem andere krankmachende Hautkeime wie Streptokokken ursächlich sein. Die Bakterien werden durch eine Schmier- oder Kontaktinfektion auf die Hautdrüsen des Augenlids übertragen. Im Normalfall kann sich unser Immunsystem gegen Angriffe dieser Keime erfolgreich wehren. Ist diese effektive Abwehr geschwächt, können sich Mikroorganismen leicht vermehren. Eine der Ursachen für ein geschwächtes Abwehrsystem ist Diabetes mellitus.
Die Augen werden durch die Augenbrauen, die Wimpern und Augenlider vor schädigenden Einflüssen aus unserer Umgebung geschützt. Unterstützt wird diese wichtige Aufgabe von den talgabsondernden Meibom- und Zeis-Drüsen sowie den Moll-Drüsen, welche sich an den Ausgängen der Wimpern befinden. Die Sekrete dieser am Lidrand sitzenden Drüsen sowie der Tränendrüsen besitzen unter anderem die gemeinsame Aufgabe der Abwehr schädlicher Keime.
Die Drüsen können jedoch selbst durch ein geschwächtes Immunsystem so weit beeinträchtigt werden, dass sie ein Angriffspunkt für Infektionen werden. Dies macht sich bei Diabetikern durch das gehäufte Entstehen eines Gerstenkornes (Hordeolum) bemerkbar.
Diabetes mellitus bezeichnet eine Erkrankung, welche durch eine Störung im Stoffwechsel gekennzeichnet ist. Da es sich um eine fehlerhafte Steuerung bei der Verarbeitung von Zucker handelt, wird sie im deutschen Sprachgebiet auch Zuckerkrankheit genannt. Bei den beiden Formen des Diabetes mellitus ist der Blutzuckerspiegel unbehandelt deutlich und dauerhaft erhöht. Entweder wird, wie beim Typ 1, in der Bauchspeicheldrüse zu wenig Insulin bereitgestellt oder die Körperzellen sind gegenüber der Wirkung des Insulins unempfindlich, wie dies beim Typ 2 der Fall ist.
Neben anderen Komplikationen kommt es durch eine zu hohe Konzentration des Blutzuckers zu einer Schädigung der Blutgefäße. Durchblutungsstörungen in den Beinen oder der Niere sowie in den Augen (diabetische Retinopathie) sind bei schlecht eingestellten Blutzuckerwerten häufig die Folge. Im weiteren Verlauf kann es zu einer Funktionsstörung bis hin zum Absterben von Nerven kommen.
Die Tränendrüsen sorgen für eine gleichmäßige Benetzung der Hornhaut und bilden somit einen Gleitfilm für die Augenlider. Sie dienen der Ernährung der Augen und schützen diese vor dem Austrocknen. Ist die Durchblutung im Bereich der Augen oder an Nervenbahnen gestört, ist eine ausreichende Produktion von Tränenflüssigkeit nicht mehr gewährleistet. Die Augen von betroffenen Diabetikern werden trocken, wodurch diese anfälliger für Entzündungen der Bindehaut und Lidränder werden.
Veränderungen an der Haut sind bei fast allen Diabetikern festzustellen. Die Haut besteht aus mehreren Schichten. In der unteren Hautschicht, der Lederhaut, sind außer den Blutgefäßen und Nerven auch die Schweiß- und Talgdrüsen zu finden. Am Augenlid sind dies die Moll-, Zeis- und Meibom-Drüsen. Werden diese durch einen unkontrolliert hohen Blutzuckerspiegel geschädigt, können sie die darüber liegende Hornschicht nicht mehr optimal versorgen. Die Haut trocknet aus, bekommt Risse und verändert ihren natürlichen pH-Wert. Das Gleichgewicht der schützenden Hautflora gerät ins Wanken, wodurch schädliche Hautkeime wie der Staphylococcus aureus überhandnehmen.
Die Staphylokokken gelten als hauptsächlicher Verursacher von Gerstenkörnern. Diese Bakterien lassen sich bei einem Drittel der erwachsenen Bevölkerung auf der Haut und den Schleimhäuten, unter anderem in der Nase, nachweisen. Bei gesunden Menschen führen sie im Normalfall zu keinen Beschwerden. Staphylokokken sind zudem regelmäßig auf Gegenständen des täglichen Gebrauchs zu finden. Eine Infektion von Mensch zu Mensch oder über gemeinsam benutzte Utensilien wird daher als der häufigste Übertragungsweg angesehen. Über diese Schmier- oder Kontaktinfektionen sind Bakterien schließlich in der Lage, in die Drüsen der Augenlider zu gelangen. Dies geschieht oftmals über die eigenen Hände.
Diabetiker bieten den unerwünschten Hautkeimen eine gute Grundlage, sich auf der Haut anzusiedeln. Nicht nur der Säureschutzmantel der Haut ist herabgesetzt, sondern auch die Barrierefunktion gegenüber Mikroorganismen ist beeinträchtigt. Die Talgdrüsen können aufgrund der verminderten Durchblutung an ihrer Funktionsfähigkeit verlieren. In den Drüsen finden Bakterien ausreichend Nahrung, um sich zu vermehren. Dies ist auch in den Drüsen am Augenlid der Fall. Das geschwächte Immunsystem kann sich gegen den Angriff nicht mehr ausreichend zur Wehr setzen. Nach anfänglichen starken Entzündungszeichen, wie der Rötung der Augenlider und einer starken Schwellung, kommt es nach etwa einem Tag zur Bildung von Eiter. Diese Mischung aus Bakterien und abgestorbenen Zellresten kennzeichnet das Vollbild eines Gerstenkorns.
Bei einem gesunden Menschen kann ein Hordeolum nach vier bis sieben Tagen selbstständig abheilen. Das geschwächte Immunsystem bei einem Diabetiker kann den Krankheitsverlauf indes verzögern. Schon bei den ersten Anzeichen eines Gerstenkorns sollte daher eine entsprechende Behandlung eingeleitet werden.
Unter den Hausmitteln hat sich besonders die Verwendung einer Infrarotlampe als wirksam erwiesen. Die Infrarotstrahlen dringen dabei wenige Millimeter in die Haut ein. Sie bewirken eine Verflüssigung des Eiters, können die Entzündung bessern und können zu einem beschleunigten Abgang des Eiters führen.
Umstritten sind feucht-warme Kompressen bei der Behandlung des Gerstenkorns. Werden sie dennoch verwendet, dürfen nur sterile Kompressen und Wirkstoffe zum Einsatz kommen. Eine entzündungshemmende Wirkung wird Fenchel, Ringelblumen oder der Zaubernuss (Hamamelis) nachgesagt.
Ätherische Öle des Teebaumes oder Niembaumes sowie Auszüge der Wacholderpflanze und des Wolllavendels besitzen eine antibakterielle Wirkung. Die Anwendung unverdünnter ätherischer Öle kann jedoch zu einer gefährlichen Schädigung der Augen führen. Es ist sinnvoll, Präparate zu kaufen, welche ausschließlich für die Anwendung am Auge zugelassen sind.
Antibiotika werden insbesondere dann eingesetzt, wenn das Hordeolum stark ausgeprägt ist. Wenn sich nach acht bis zehn Tagen keine Besserung der Beschwerden einstellt, sollte ein Arzt zurate gezogen werden. Dieser verschreibt in den meisten Fällen ein örtlich wirksames Antibiotikum in Form von Augentropfen oder einer Salbe. Besteht die Gefahr einer Ausweitung auf andere Regionen des Auges, kann ein systemisch (auf den ganzen Organismus) wirkendes Medikament verschrieben werden.
Um die richtige Auswahl des Antibiotikums treffen zu können, muss der Arzt von der Zuckerkrankheit in Kenntnis gesetzt werden. Studien berichten über mögliche Zusammenhänge bei der Gabe bestimmter antibiotischer Wirkstoffe und dem Auftreten von Hypoglykämien (Unterzuckerung). Die antibiotischen Wirkstoffgruppen der Makrolide und Gyrasehemmer werden unter anderem bei Infektionen mit Staphylokokken eingesetzt. Aufgrund möglicher Wechselwirkungen muss ein Abgleich mit den Medikamenten erfolgen, welche für die Therapie des Diabetes mellitus verwendet werden.
Ärzte Zeitung online, Dr. Christine Starostzik – Typ-2-Diabetiker, Schlechte Stoffwechselkontrolle freut Bakterien und Pilze: https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Schlechte-Stoffwechselkontrolle-freut-Bakterien-und-Pilze-310585.html (online, letzter Abruf: 28.05.2020)
HYLO Eye Care – Trockene Augen bei Diabetes mellitus: https://hylo.de/ursachen/krankheiten-die-trockene-augen-bewirken/diabetes/ (online, letzter Abruf: 28.05.2020)
Ärzteblatt, Alexander Konstantinow – Diabetesassoziierte Hauterkrankungen: Verkannte Dermatosen: https://www.aerzteblatt.de/archiv/183179/Diabetesassoziierte-Hauterkrankungen-Verkannte-Dermatosen (online, letzter Abruf: 28.05.2020)
Robert Koch-Institut – Staphylokokken-Erkrankungen, insbesondere Infektionen durch MRSA: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Staphylokokken_MRSA.htm (online, letzter Abruf: 28.05.2020)
Ärztezeitung, Dr. Christine Starostzik – Antibiotika bei Diabetes, Höheres Risiko für Unterzuckerung?: https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Hoeheres-Risiko-fuer-Unterzuckerung-241160.html (online, letzter Abruf: 28.05.2020)
aktualisiert am 28.05.2020