Bei der Rasmussen-Enzephalitis handelt es sich um eine äußerst seltene Gehirnentzündung, die vor allem Kinder, vereinzelt aber auch Erwachsene betreffen kann. Meist sind die kleinen Patienten weniger als zehn Jahre alt. In Deutschland werden pro Jahr unter 50 Fälle der Erkrankung bekannt. Neben epileptischen Anfällen führt die Gehirnentzündung regelmäßig zu gravierenden Spätfolgen. Nachdem zuvor wenig über die Hintergründe der Erkrankung bekannt war, sind inzwischen die genauen Ursachen im Wesentlichen geklärt.
Krampfanfälle, Sprachstörungen und Lähmungen – das sind nur einige der schwerwiegenden Auswirkungen dieser Art der Gehirnentzündung. Dabei entscheidet der Schweregrad der Entzündung darüber, wie sich die Rasmussen-Enzephalitis im Körper bemerkbar macht. Die folgenden Ausfallsymptome können im Verlauf auftreten:
Oftmals zeigt sich zuerst eine schwere Epilepsie. Die Anfälle finden zunächst auf einer Körperseite an bestimmten Bereichen statt. Schreitet die Krankheit fort, kann es zu ausgedehnten (generalisierten) epileptischen Anfällen kommen.
In seltenen Fällen kann sich die Gehirnentzündung auf beide Gehirnhälften ausweiten. Dann ist beidseitig mit der beschriebenen Ausfallsymptomatik zu rechnen.
Zu den Gehirnschädigungen, die für die Rasmussen-Enzephalitis typisch sind, führen Immunzellen. Im Speziellen sind die zytotoxischen CD8-positiven T-Zellen gemeint. Beim gesunden Menschen reagieren diese Immunzellen auf die verschiedensten Zielmoleküle, um eine (gesunde) Immunabwehr auszulösen. Die veränderten T-Zellen springen bei der Rasmussen-Enzephalitis jedoch nur auf wenige solcher Zielmoleküle an. Diese Zellen sind dafür verantwortlich, dass ausgewählte Gehirnzellen der Patienten gezielt zerstört werden.
Bei der Rasmussen-Enzephalitis sind die zytotoxischen CD8-positiven T-Zellen darauf spezialisiert, eine Gehirnentzündung durch den Angriff auf bestimmte Zellen des Gehirns auszulösen. Der Angriff der T-Zellen kann vor allem aufgrund ihrer Lokalisation verheerende Konsequenzen für den Patienten haben. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich die T-Zellen häufig an den Nervenzellen befinden, die zum gesunden Funktionieren des Zentralen Nervensystems beitragen. Auch die Sternzellen (Astrozyten) werden von den fehlgeleiteten T-Zellen angegriffen. Die Astrozyten leisten einen entscheidenden Beitrag zur Flüssigkeitsregulation, zur sogenannten Blut-Hirn-Schranke und zur Abfallentsorgung im Gehirn. Der T-Zellen-Angriff auf die Astrozyten und die Nervenzellen ist demnach in doppelter Hinsicht problematisch: Zum einen wird das Gehirn geschwächt, da die Astrozyten in mehrerlei Hinsicht dafür verantwortlich sind, dass das Gehirn seiner Arbeit wie vorgesehen nachgehen kann. Ein Angriff auf die Nervenzellen zieht zum anderen die neurologischen Ausfälle sowie epileptische Krampfanfälle nach sich.
Die Rasmussen-Enzephalitis kann per MRT, mittels einer Messung der elektrischen Ströme im Gehirn (EEG) sowie durch die Untersuchung einer Gewebeprobe (Biopsie) aus dem Gehirn diagnostiziert werden. Bisher fehlen Therapieansätze, deren Wirksamkeit praktisch bewiesen werden konnte. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass es sich bei der Rasmussen-Enzephalitis um eine derart seltene Erkrankung handelt. Verschiedene Medikamente, welche die Funktion des Immunsystems unterdrücken (Immunsuppressiva), werden verabreicht. Tacrolimus, Immunglobuline oder eine hohe Glucocorticoid-Dosis (Cortison) können zum Einsatz kommen. Die Immunsuppressiva sollen den Angriff der T-Zellen auf die verschiedenen Gehirnzellen stoppen. Diese Maßnahmen sind jedoch nicht immer ausreichend. Epilepsie-Mittel sind zudem meist nicht wirksam.
Gerade bei einem fortgeschrittenen Verlauf der Rasmussen-Enzephalitis können chronische Krampfanfälle zum Problem werden. Bei einem ungünstigen Krankheitsverlauf müssen daher sogar Teile des Gehirns bis hin zu einer Großhirnhälfte entfernt werden (Hemisphärektomie).
In jedem Fall muss die Krankheit behandelt werden. Sonst verläuft eine Rasmussen-Enzephalitis tödlich. Ein chirurgischer Eingriff führt zu einer deutlich besseren Prognose. Neurologische Defizite und eine geistige Einschränkung müssen bei der Operation gegebenenfalls in Kauf genommen werden. Diese Defizite können von dem kindlichen Gehirn allerdings in Teilen kompensiert werden. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass das Gehirn eines Kindes noch sehr „formbar“ ist und viele Anteile verschiedene Aufgaben übernehmen können.
Nach den Erkenntnissen der Wissenschaft ist davon auszugehen, dass die Rasmussen-Enzephalitis von einem gezielten Immunangriff ausgelöst wird. Auf welche Strukturen die T-Zellen genau anspringen, konnte noch nicht abschließend geklärt werden. Höchstwahrscheinlich sind die besagten Strukturen an den Nerven- und Sternzellen des Gehirns zu finden. Es gilt zu klären, ob diese Strukturen ganz regulär zum Körper gehören. Ebenso besteht die Möglichkeit, dass Viren, die bisher nicht erforscht sind, Träger dieser Strukturen sind. Mit einem zunehmenden Verständnis dieser Prozesse sollen zukünftig bessere Therapiemöglichkeiten zur Verfügung stehen.
aktualisiert am 31.08.2018