Herpes-Viren lösen im Normalfall die sogenannte „Bläschenkrankheit“ aus, die sich vor allem an den Lippen oder im Genitalbereich bemerkbar macht. Im schlimmsten Fall können die Herpes-simplex-Viren (HSV) jedoch zu weitaus schwerwiegenderen Folgen führen. Dies ist bei einer Herpes-simplex-Enzephalitis der Fall. Bei der HSV-Enzephalitis kommt es zu einer Gehirnentzündung, die von Herpes-simplex-Viren ausgelöst wird. Besonders Kinder und ältere Menschen sowie Menschen mit einem geschwächten Immunsystem gehören zu der erklärten Risikogruppe für dieses Krankheitsbild, das ein lebensbedrohliches Ausmaß annehmen kann.
Während eine Gehirnentzündung als Enzephalitis bezeichnet wird, können unterschiedliche Ursachen verantwortlich sein. Bei einer Virusenzephalitis handelt es sich um eine Form der Gehirnentzündung, die von Viren verursacht wird. Die Herpes-simplex-Enzephalitis ist die am häufigsten auftretende akute Virusenzephalitis, die zum Tod führen kann. Pro Jahr führt der Herpes-simplex-Virus des Typs 1 (HSV1) dazu, dass von einer Million Menschen in Westeuropa circa fünf an solch einer Gehirnentzündung erkranken.
Selbst der Verdacht einer Herpes-simplex-Enzephalitis sollte zu einer umgehenden Behandlung führen – und zwar noch bevor der konkrete Erreger festgestellt werden konnte. Dies ist deshalb so wichtig, da die Prognose sonst sehr schlecht ist. Wird die Herpes-simplex-Enzephalitis nicht schnell genug, nicht korrekt oder gar nicht behandelt, so versterben 70 Prozent der Betroffenen an den Folgen dieser Krankheit.
Der Erreger, der sonst das weitgehend harmlose Lippenherpes bedingt, kann über die Riechnerven zum zentralen Nervensystem vordringen. Die Viren bahnen sich meist erst den Weg zu einer Seite des Gehirns, bevor es zu einer Entzündung beider Gehirnhälften kommt. Oftmals ist die linke Seite zuerst betroffen. Die linke Seite ist für das Gedächtnis, die Sprache sowie die Psyche der Person wichtig. Durch die Herpes-Erreger kommt es nunmehr zu Einblutungen sowie einer Schwellung der betroffenen Gehirnareale. In einer MRT-Untersuchung ist diese Problematik gut zu erkennen. Diese entzündlichen Veränderungen im Gehirn können wiederum die folgenden Symptome einer Herpes-simplex-Enzephalitis hervorrufen:
Die besondere Gefährlichkeit ist vor allem auf den erhöhten Hirndruck zurückzuführen, der mit einer Herpes-simplex-Enzephalitis einhergeht. Das Hirngewebe kann so stark anschwellen, dass einige Gehirnareale, die für das Überleben des Patienten unerlässlich sind, im Schädel eingeklemmt werden. Sofern das Atemzentrum eingeklemmt wird, kommt es zu einem raschen Tod.
Bei einer Herpes-Infektion handelt es sich um eine Tröpfcheninfektion, die sehr weit verbreitet ist. Gut 95 Prozent der Erwachsenen sind mit dem Herpes-simplex-Virus vom Typ 1 infiziert. Die Viren treten zwar die meiste Zeit nicht in Erscheinung, allerdings bleiben sie ein Leben lang intakt im Körper. Sie können sich in den Nervenzellen aufhalten. Wenn es dann zum Beispiel zu einer Schwächung des Immunsystems kommt, können die Herpes-Viren wieder aktiv werden.
Über die Nervenfasern können die Viren sich ihren Weg zum Gehirn bahnen, wo es zu einer Gehirnentzündung kommt. Da gerade kleine Kinder für eine Herpes-simplex-Enzephalitis besonders gefährdet sind, sollten Menschen, die aktuell an Lippenherpes leiden, genügend Abstand zu Babys halten. Bei einer Infektion des Kindes besteht das Risiko, dass sich eine Herpes-simplex-Enzephalitis auf die Virusinfektion hin entwickeln könnte.
Um eine Herpes-simplex-Enzephalitis zu diagnostizieren, wird eine Lumbalpunktion angeordnet. Dazu wird im Lendenwirbelbereich Nervenwasser, der sogenannte Liquor, entnommen. Das Nervenwasser wird im Labor auf ein Vorkommen der Herpes-Erreger untersucht. Ein Nachweis über das Blut ist erst ab dem siebten Tag möglich. So lange dauert es, bis die HSV1-Antikörper produziert werden. Auch im Nervenwasser sind die Antikörper erst nach einer Woche vorzufinden.
Dies ist insofern problematisch, als dass die Herpes-simplex-Enzephalitis schnellstmöglich therapiert werden muss. Die frühzeitige Therapie ist nötig, damit der Patient möglichst wenig Schaden nimmt und sein Überleben gesichert werden kann. Per MRT (Kernspintomographie) lässt sich eine Herpes-simplex-Enzephalitis bereits einen Tag, nachdem die ersten Symptome aufgetreten sind, nachweisen. Ein CT (Computertomographie) ist hingegen erst ab dem vierten Tag sinnvoll. Bei einer MRT-Untersuchung ist eine Herpes-simplex-Enzephalitis an einem typischen Muster des Befalls zu erkennen. Wenn bestimmte Gehirnbereiche (Temporallappen sowie das limbische System) im MRT als geschwollen zu erkennen sind, ist von einer Herpes-simplex-Enzephalitis auszugehen. Außerdem kann bei dieser Form der Virusenzephalitis auf den MRT-Bildern an den betroffenen Stellen keine Unterscheidung zwischen dem Hirnmark und der Hirnrinde mehr gemacht werden.
Sofern eine Herpes-simplex-Enzephalitis vermutet wird, wird den Patienten Aciclovir über die Venen verabreicht. Dieser Wirkstoff sorgt dafür, dass sich die Viren nicht weiter ausbreiten können. Die Gabe einer hohen Aciclovir-Konzentration ist dreimal täglich vonnöten. Die Therapie dauert mindestens zwei Wochen. Famciclovir sowie Valaciclovir gehören zu den weiteren Medikamenten, die gegen die Herpes-Viren zum Einsatz kommen können. Um gegen die Schwellungen im Gehirn anzugehen, werden Glycerol oder Mannitol verabreicht. Phenytoin wird genutzt, um gegen die epileptischen Anfälle vorzugehen. Dabei handelt es sich um ein Anti-Krampf-Medikament, welches besonders gut für die Behandlung einer Herpes-simplex-Enzephalitis geeignet ist. Weitere Therapiemaßnahmen, wie zum Beispiel eine künstliche Beatmung, können im Abhängigkeit des Zustands des Patienten erforderlich werden.
Sofern die Therapie schnellstmöglich beginnt, versterben weniger als 20 Prozent der Patienten an dieser Erkrankung. Wird die Herpes-simplex-Enzephalitis nicht therapiert, so versterben hingegen 80 Prozent der Betroffenen. Von den überlebenden Patienten kommen mehr als 65 Prozent ohne unwiederbringliche Schäden davon. Bleibende Gedächtnisstörungen gehören ansonsten zu den häufigsten Folgeschäden dieser Krankheit. Das Epilepsie-Risiko ist im Anschluss an die Erkrankung erhöht. Sofern die Patienten weiterhin an epileptischen Krämpfen leiden, müssen sie sich einer Langzeittherapie unterziehen.
Der Verlauf der akuten Herpes-simplex-Enzephalitis verschlechtert sich rasend schnell. Schon wenn die Therapie wenige Tage zu spät ansetzt, nimmt das Risiko von Folgeschäden enorm zu. Symptome wie ein steifer, schmerzender Nacken, Lähmungen oder Wahrnehmungsstörungen (zum Beispiel beim Sehen oder Riechen) weisen auf ein fortgeschrittenes Stadium der Erkrankung hin.
aktualisiert am 30.08.2019