Unter Gangstörungen versteht man eine verminderte Ganggeschwindigkeit oder ein krankhaft verändertes Gangmuster. Gangstörungen sind keine eigenständige Krankheit, sondern ein Symptom einer Erkrankung. Als Ursache kommen Erkrankungen des Bewegungsapparates oder des Nervensystems oder psychische Veränderungen in Frage.
Gangstörungen können sich folgendermaßen darstellen:
Als Ursache für Gangstörungen kommen Erkrankungen, Verletzungen oder Veränderungen des Bewegungsapparates (Knochen, Gelenke, Sehnen, Bänder) oder des Nervensystems in Frage. Nicht körperliche, sondern psychische Beeinträchtigungen können ebenfalls der Grund sein.
Folgende Erkrankungen des Bewegungsapparates können verschiedene Gangstörungen hervorrufen:
Arthrose ist eine chronische Gelenkserkrankung, bei der es durch jahrelange Überbelastung zunehmend zum Knorpelabbau mit Schmerzen in Bewegung, Verformung der Gelenke und eingeschränkter Beweglichkeit kommt. Betroffene laufen klamm mit verkürzten Schritten, um die Schmerzen zu minimieren.
Gelenkentzündung durch rheumatologische Erkrankungen (wie die rheumatoide Arthritis) oder seltener auch Infektionen. Die Gangstörungen fallen häufig nach längeren Ruhepausen auf und sind gekennzeichnet durch eine Schonhaltung. Bei längerem Krankheitsverlauf können die Schmerzen dauerhaft und auch in Ruhephasen auftreten und entsprechend auffällig schwerwiegende Gangstörungen hervorrufen.
Bei einem Bandscheibenvorfall kommt es zu plötzlich einsetzenden, starken Schmerzen, die zu einem Kraftverlust und Schonhaltung führen. Bei schwerer Verlaufsform kann es zu Lähmungen kommen.
Morbus Bechterew ist vermutlich erbliche Erkrankung, die zu einer Fehlfunktion des Immunsystems führt. Es kommt zu einer chronischen Entzündung von Gelenken (eine Form von Rheuma). Betroffen ist besonders der Rücken. Betroffene leiden unter tiefsitzenden Rückenschmerzen, besonders nachts, und morgendlicher Steifheit. Die Symptome kommen schubweise und führen im weiteren Verlauf zu einer zunehmenden Steifheit und Verformung der Wirbelsäule.
Einige wichtige neurologische Ursachenfür Gangstörungen sind:
Parkinson ist eine Erkrankung, die zu fortschreitendem Untergang von Nervenzellen führt. Typische Symptome sind Muskelzittern und Bewegungsstörungen. Betroffene machen kleine Trippelschritte mit nach vorne gebeugtem Oberkörper. Die Standsicherheit ist gestört.
Multiple Sklerose ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des Nervensystems mit sehr unterschiedlichen Verlaufsformen. Typische Gangstörungen sind ein Wechsel von spastischer Lähmung beider Beine und Koordinationsstörungen der Bewegung.
Die Fußheberlähmung wird ausgelöst durch Verletzung des sogenannten Nervus peroneus (eines Nervs, der Signale zur Fußhebung weiterleitet) beispielsweise bei Unterschenkelverletzungen. Seltener wird sie durch Entzündungen des Nervs, Rückenmarksschäden oder Durchblutungsstörungen des Gehirns ausgelöst. Betroffene können den Fuß nicht mehr aktiv anheben. Um einen Schritt vorwärts zu gehen, heben sie das Bein aus der Hüfte heraus, dadurch kommt es zu einer unnatürlichen Bewegung aller beteiligten Gelenke, was im weiteren Verlauf zu Schäden wie Arthrose (Verschleiß im Gelenk) führen kann.
Das Kleinhirn ist der Teil des Gehirns, der Bewegungsabläufe koordiniert. Die vom Kleinhirn ausgehenden Gangstörungen sind häufig verursacht durch chronischen Alkoholmissbrauch, seltener treten sie bei Schilddrüsenunterfunktion, Vitamin-E-Mangel oder Tumoren auf. Polyneuritis (Entzündung des Nervensystems, beispielsweise ausgelöst durch Viren oder Bakterien) kann ebenfalls ursächlich sein. Diese Erkrankungen führen zu einer Störung der Bewegungskoordination (Ataxie), typisch sind ein breitbeiniger, schwankender Gang, besonders deutlich ausgeprägt bei schnellen Kehrtwendungen.
Diese Erkrankungen können unter anderem zu Lähmungserscheinungen in einem Bein und einem Arm einer Körperseite führen (Hemispastik). Das betroffene Bein wird halbkreisförmig nach vorne geschwungen.
Verletzungen oder Tumoren im Rückenmark führen zu Lähmungserscheinungen in beiden Beinen (Paraspastik), die Füße werden schleifend nach vorne geschoben.
Bei einem Schlaganfall kommt es zu einer plötzlich auftretenden Minderdurchblutung des Gehirns, meist verursacht durch ein Blutgerinnsel, das ein Blutgefäß verstopft. Neben möglichen Gangstörungen, ausgelöst durch Lähmungen, Muskelschwäche, Taubheitsgefühl in einer Körperhälfte, kann es zu weiteren Auswirkungen wie Sprach- und Sehschwäche, Schwindel und starken Kopfschmerzen kommen.
Bei einer Polyneuropathie werden Schäden an Nerven über den Körper verteilt. Dies kann unter anderem durch Diabetes mellitus, Alkoholmissbrauch, Medikamenteneinnahme oder eine chronische Nierenfunktionsstörung entstehen. Eine Gangstörung durch Polyneuropathie äußert sich oft durch herabgesunkene Fußspitzen, weshalb Betroffene die Füße speziell nach oben ziehen müssen.
Gangstörungen verursacht durch Vitaminmangel zum Beispiel Mangel an Vitamin B12.
Durch Schäden im Gleichgewichtsorgan des Innenohrs verschiedener Ursache ist der Gleichgewichtssinn verschlechtert und es kommt zu Schwindel und Gangstörungen.
Der aufrechte, gerade Gang wird durch ein Zusammenspiel von Muskulatur und Koordination im Gehirn ermöglicht. Wenn Gangstörungen keiner körperlichen Ursache zugeordnet werden können, spricht man auch von psychogenen Gangstörungen. Die Ursache sind seelische oder psychiatrische Ursachen. Auffällige Gangveränderungen sind eine oft absichtliche Verlangsamung des Gangs oder bizarre, vielfältige Bewegungsmuster, die sich durch Ablenkung oft abschwächen lassen. In der klinischen Untersuchung können eine Muskelschwäche und nachlassende Hautempfindlichkeit auffallen.
Psychische Ursachen von Gangstörungen können unter anderem sein:
Wenn Sie unter Gangstörungen leiden, die ohne ersichtlichen Grund (Verletzung, bekannte Vorerkrankung) auftreten, sollten Sie immer einen Arzt aufsuchen, um die zugrundeliegende Ursache zu finden. Frisch auftretende Gangstörungen mit Lähmungserscheinungen oder ähnlichen Symptomen sind Notfälle, hier sollte umgehend der Notarzt gerufen werden.
In einem intensiven Patientengespräch wird der Arzt besonders auf folgende Veränderungen achten:
Neben einer ausführlichen Krankengeschichte ist eine intensive klinische Untersuchung entscheidend, um die Ursache für Gangstörungen zu finden. Folgende Untersuchungen werden bei der Diagnose von Gangstörungen durchgeführt:
Nach der Gangbeurteilung kann der Arzt in der Regel eine Verdachtsdiagnose stellen oder die Ursachen zumindest einschränken. Es folgen gezielte weitere Untersuchungen wie beispielsweise bildgebende Verfahren (Röntgen, Ultraschall, Computertomographie oder Magnetresonanztomographie) oder Blutuntersuchungen.
Die Behandlung von Ursachen im Bewegungsapparat gestaltet sich wie folgt:
Ziel der Behandlung ist es, Schmerzen zu lindern und die Bewegungsfähigkeit der Patienten wiederherzustellen und zu erhalten. Unterschieden werden zum einen konservative (nicht operative) Maßnahmen wie entzündungshemmende Medikamente, Physiotherapie oder gelenkschonende Bewegung wie Schwimmen und Radfahren sowie zum anderen die Operation zum Ersatz des defekten Gelenks, wenn konservative Maßnahmen nicht ausreichen.
Akute Gelenksentzündungen werden mit entzündungshemmenden Schmerzmitteln behandelt, um ein Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern. Zur Erhaltung der Gelenkbeweglichkeit werden Maßnahmen wie Physiotherapie oder Ergotherapie durchgeführt. In schweren Fällen können Injektionen in das betroffene Gelenk Linderung schaffen.
Bandscheibenvorfälle mit Gangstörung müssen oft operativ behandelt werden. Die vorgefallene Bandscheibe wird dabei abgetragen, manchmal werden weitere operative Maßnahmen wie eine Versteifung oder der Einsatz einer künstlichen Bandscheibe vorgenommen.
Ziel der Behandlung ist es, die Beschwerden zu lindern und das Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern. Die Therapie setzt sich zusammen aus Medikamenten, Operation oder weiteren Maßnahmen wie Krankengymnastik und Anpassung der Lebensweise.
Die Behandlung der verschiedenen neurologischen Erkrankungen geschieht folgendermaßen:
Eine ursächliche Behandlung oder Heilung ist bisher nicht möglich. Die Symptome lassen sich mit Medikamenten (Levodopa) verbessern, unterstützend erhalten Betroffene Physiotherapie zur Erhaltung der Beweglichkeit und Logotherapie zur Verbesserung der begleitenden Sprachstörungen.
Es handelt sich um eine fortschreitende Nervenerkrankung, die bisher nicht heilbar ist. Ziel der Behandlung ist es, die Entzündungsreaktion zu minimieren. Dafür werden je nach Verlauf der Erkrankung entzündungshemmende Medikamente (Cortison) im Akutfall verordnet sowie als Dauertherapie Medikamente, die auf das Immunsystem einwirken.
Zur Unterstützung der Fußhebung und Vermeidung von Spätschäden gibt es spezielle Schienen, die ein Leben lang getragen werden müssen. Eine dauerhafte Lösung ist die sogenannte Steigbügelplastik, ein operativer Eingriff, durch den kräftige Beinmuskeln so präpariert werden, dass sie die Hebung des Fußes ermöglichen.
Wenn möglich, wird die Grunderkrankung behandelt (beispielsweise Alkoholverzicht oder Einnahme von Schiddrüsenhormonen). Im Rahmen einer Physiotherapie werden Übungen zur Verbesserung der Koordination, des Gangs und der Haltung erlernt, Ergotherapeuten helfen bei der Bewältigung von Alltagstätigkeiten.
Zubildungen oder Veränderungen werden operativ entfernt, weitere Möglichkeiten sind Bestrahlung oder Chemotherapie. Welche Behandlung zur Bekämpfung der zugrundeliegenden Ursache in Frage kommt, wird intensiv mit einem Spezialisten besprochen. Zur Verbesserung der Gangstörung werden unterstützend physiotherapeutische Übungen erlernt.
Der Schlaganfall ist ein Notfall, der sofort behandelt werden muss. Bis der Notarzt da ist, sollten Betroffene ruhig mit nach oben gelagerten Oberkörper oder Bewusstlose in stabile Seitenlage verbracht werden. Nach erster Stabilisierung des Patienten muss die Durchblutung wiederhergestellt werden. Die häufigste Ursache ist ein Blutgerinnsel, das durch Medikamente (Thrombolytika) aufgelöst oder mechanisch entfernt wird (Thrombektomie mittels Katheter). Im Anschluss an die Akutbehandlung werden die Symptome wie Gangstörungen oder Sprach- und Sehstörungen in einer Reha behandelt.
Die Polyneuropathie wird behandelt wie die Ursache der Nervenstörung (beispielsweise Diabetes).
Bei einem Vitaminmangel werden die fehlenden Vitamine ausgeglichen, manchmal müssen weitere Ursachen wie Darmerkrankungen behandelt werden.
Bei Schäden im Innenohr wird die zugrundeliegende Erkrankung behandelt.
Für die Behandlung psychogener Gangstörungen ist es zunächst entscheidend, die psychische Grunderkrankung zu erkennen. Wichtig ist die Auseinandersetzung und Akzeptanz der Erkrankung durch den Patienten, was oft nicht einfach ist. Dann folgen auf den Patienten angepasste Behandlungsprotokolle wie Gesprächstherapie, Umlernprozesse oder auch der Einsatz geeigneter Medikamente im Rahmen einer psychotherapeutischen oder psychologischen Behandlung.
Abhängig von der Ursache können Sie durch regelmäßiges Training von Muskulatur und Gleichgewichtssinn die Schwere der Gangstörung mildern. Bei der Behandlung von Gangstörungen werden häufig Physiotherapien verordnet. Hier erlernen Sie Übungen, die Sie zu Hause weiter und regelmäßig durchführen. Positive Auswirkungen hat außerdem auf jedes Krankheitsbild ein gesunder Lebensstil mit ausgewogener Ernährung, keinem oder mäßigem Alkoholkonsum, Verzicht auf Nikotin und viel frischer Luft mit Bewegung, wenn es die Erkrankung zulässt.
Bei unsicherem Gang helfen Schutzmaßnahmen vor Sturzverletzungen (Sturzprophylaxe), wie beispielsweise:
qualitätskliniken.de, Dr. med. Thomas Zeile – Gangstörung: https://www.qualitaetskliniken.de/erkrankungen/gangstoerung/ (online, letzter Abruf: 11.09.2020)
Leitsymptome: Ein Handbuch für Studenten und Ärzte, Annemarie Hehlmann, 2. Auflage mediscript1997
NetDoktor, Dr. med. Fabian Dupont; Sabrina Kempe; Carola Felchner – Morbus Bechterew: https://www.netdoktor.de/krankheiten/morbus-bechterew/ (online, letzter Abruf: 11.09.2020)
Psychosoziale Gesundheit, Prof. Dr. med. Volker Faust – Seelisch bedingte Bewegungsstörungen: http://www.psychosoziale-gesundheit.net/pdf/Int.1-Seelisch_bedingte_Bewegungsstoerungen.pdf (online, letzter Abruf: 11.09.2020)
plastischechirurgie-drsteiert.berlin – Fussheberlähmung: https://www.plastischechirurgie-drsteiert.berlin/rekonstruktion/fussheberlaehmung (online, letzter Abruf: 11.09.2020)
aktualisiert am 11.09.2020