Prof. Eifert: In die Sprechstunde kommen grundsätzlich Frauen, bei denen der Verdacht auf eine Herz-Kreislauf-Erkrankung besteht oder bei denen frauenspezifische Risikofaktoren vorliegen. Dazu gehören auch Frauen mit einer Herzschwäche, die im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft auftritt, sowie Frauen, bei denen bereits eine Herzerkrankung diagnostiziert wurde. Frauen sind im Durchschnitt etwas kleiner als Männer, was bedeutet, dass auch ihr Herz und dessen Strukturen insgesamt kleiner sind. Neben den anatomischen Unterschieden hat dies zur Folge, dass das weibliche Herz etwa zehnmal schneller pro Minute schlägt, um die gleiche Leistung zu erbringen wie das männliche. Männer haben auch mehr Muskelmasse, was sich auch auf das Herz auswirkt. Das bedeutet, dass der Herzmuskel von Männern kräftiger ist, während der Herzmuskel von Frauen kleiner und weniger muskulös ist. Deshalb müssen Frauen und ihre Herzen sozusagen zehnmal schneller pro Minute schlagen.
Grundsätzlich sind Frauen im Durchschnitt etwas kleiner als Männer, was bedeutet, dass auch ihr Herz und seine Strukturen insgesamt kleiner sind.
Prof. Eifert: Im deutschsprachigen Raum hat in den letzten 20 bis 30 Jahren die Aufmerksamkeit für Geschlechterunterschiede in der Medizin stark zugenommen. Das bedeutet, dass sowohl in Bezug auf Gesundheit als auch in Bezug auf Krankheit zunehmend geschlechtsspezifische Unterschiede berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bei denen sich diese Unterschiede von den Risikofaktoren über die Symptome und die Diagnostik bis hin zur Therapie und zum Krankheitsverlauf erstrecken. Ein Beispiel ist der Herzinfarkt bei Frauen im Vergleich zu Männern. Bei Männern sind die Symptome klassisch, wie im Lehrbuch beschrieben, mit einem starken Schmerz hinter dem Brustbein und manchmal ausstrahlend in den linken Arm. Bei Frauen können die Symptome jedoch vielfältiger sein und sich durch Übelkeit und andere unspezifische Beschwerden wie Abgeschlagenheit, verstärkte Müdigkeit und eingeschränkte Belastbarkeit äußern. Diese Symptome können viele Ursachen haben, unter anderem das Alter oder den Hormonstatus der Frau. Die Rolle der Hormone kann entsprechend des Alters der Patienten sehr unterschiedlich sein und ist ein Teil dessen, was die geschlechtsspezifischen Unterschiede beim Herzinfarkt ausmacht.
Prof. Eifert: Grundsätzlich werden die meisten Medikamente unabhängig vom Geschlecht bei Männern und Frauen angewendet und indiziert. Oft gibt es eine Standarddosis, die für alle gilt. Diese wird in der Regel auch verabreicht. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass Frauen oft etwas leichter sind. Ihr Stoffwechsel, die Aufnahme, die Verstoffwechselung, die Speicherung im Körper und die Ausscheidung von Medikamenten können sich von denen der Männer unterscheiden. Dies hängt auch vom jeweiligen Medikament ab. Bei Frauen kann dies auch zyklusabhängig sein und die Art und Weise beeinflussen, wie bestimmte Medikamente verstoffwechselt werden und wirken.
Außerdem haben Frauen einen höheren Wasseranteil im Körper und einen höheren Fettanteil, während Männer mehr Muskelmasse haben. Auch diese Faktoren spielen eine wichtige Rolle. Ein gutes Beispiel sind Herzmedikamente, wie zum Beispiel Präparate aus der Gruppe der Antiarrhythmika, die bei Herzrhythmusstörungen eingesetzt werden. Hier kann es unter Umständen dazu kommen, dass Frauen sie nicht so gut vertragen. Das liegt oft an der Standarddosis, die für Frauen unter Umständen zu hoch sein kann. Manchmal setzen Frauen das Medikament dann einfach ab, was wiederum zu mehr Nebenwirkungen führen kann.
Ein anderes Beispiel sind ACE-Hemmer, bei denen Reizhusten eine typische Nebenwirkung ist, die bei Frauen häufiger auftritt. Bei anderen Antiarrhythmika können schwerwiegendere Komplikationen auftreten. Auch Aspirin wirkt bei Männern und Frauen unterschiedlich, insbesondere in der Primärprävention.
Prof. Eifert: Über viele Jahre hinweg sind Frauen durch weibliche Geschlechtshormone, insbesondere Östrogene, gut geschützt. Östrogen wird oft als eine Art Reiniger für die Blutgefäße bezeichnet, da es Ablagerungen verhindert und die Gefäße geschmeidig hält. Es reguliert auch den Blutdruck und bietet bis etwa Mitte 40 eine zuverlässige Schutzfunktion. Ab diesem Zeitpunkt sinkt jedoch die Hormonspiegel bei Frauen im Durchschnitt. Diese Veränderungen, die Männer weder von Monat zu Monat noch im Laufe ihres Lebens erleben, betreffen auch ihre Hormone, vor allem im Alter. Nach der Menopause, dem Zeitpunkt, an dem Frauen wenige bis keine weiblichen Geschlechtshormone mehr produzieren, kann es zu verschiedenen Veränderungen kommen. Ein Mangel an weiblichen Hormonen kann zu Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und Störungen des Zuckerstoffwechsels führen. All dies sind klassische Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Es handelt sich also um ein Risiko, das die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen nach den Wechseljahren begünstigen kann. Zwar sind Frauen viele Jahre lang gut geschützt, aber wenn sie einen Herzinfarkt erleiden, ist die Sterblichkeit oft höher. Erfreulich ist jedoch, dass laut dem Ende September veröffentlichten Deutschen Herzbericht 2022 die Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Deutschland in den letzten 10 Jahren bei Männern und Frauen insgesamt gesunken ist. Bei den Frauen sank die Sterblichkeit beim Herzinfarkt um 34%, bei den Männern um 26%. Damit ist die Sterblichkeit der Frauen zwar immer noch mindestens 1,5x so hoch wie die der Männer, aber nicht mehr doppelt so hoch. Insofern gibt es einen positiven Trend, der von der Prävention bis zur Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen reicht.
Über viele Jahre hinweg sind Frauen durch weibliche Geschlechtshormone, insbesondere Östrogene, gut geschützt.
Prof. Eifert: Frauen reagieren auf Stress häufig mit starken Auswirkungen auf ihr Herz, da sie emotional stark belastet sind. Dies betrifft insbesondere Herzrhythmusstörungen, die deutlich häufiger bei Frauen auftreten. Ein weiterer Unterschied ist, dass die Herzkranzgefäßerkrankungen bei Frauen unter Umständen etwas anders verläuft. Wir haben schon über die unterschiedlichen Symptome gesprochen, aber grundsätzlich gibt es mehrere Koronargefäße, die das Herz mit Blut versorgen. Bei Männern ist das typische Krankheitsbild die Verengung dieser Arterien, während bei Frauen oft die feineren Gefäßverzweigungen betroffen sind und dadurch andere Symptome hervorrufen können.
Ein weiterer Punkt ist das Broken-Heart-Syndrom, das ebenfalls typischerweise Frauen betrifft. Dieses Syndrom tritt zu 95 % bei Frauen auf und betrifft vor allem Frauen über 50 Jahre. Es handelt sich um eine Überreaktion bestimmter Stressrezeptoren im Körper. Die genaue Ursache ist noch nicht vollständig geklärt. Die Symptome entsprechen denen eines Herzinfarkts.
Prof. Eifert: Grundsätzlich gibt es klassische Risikofaktoren für Männer und Frauen. Dazu gehören Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen und Rauchen. Sie gelten für Männer und Frauen, spielen aber bei beiden Geschlechtern eine unterschiedlich starke Rolle. Bei Frauen stehen insbesondere Bluthochdruck und Diabetes im Vordergrund und sind als Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wesentlich stärker wirksam als bei Männern. Darüber hinaus erhöhen Autoimmunerkrankungen, rheumatische Erkrankungen sowie Schwangerschaftskomplikationen das Risiko, im Laufe des Lebens einen Schlaganfall oder Herzinfarkt zu erleiden. Zu den Schwangerschaftskomplikationen zählen Bluthochdruck und Schwangerschaftsdiabetes bis hin zur Schwangerschaftsvergiftung.
Prof. Eifert: Wie zuvor schon einmal erwähnt, sind Frauen normalerweise viele Jahre lang durch weibliche Geschlechtshormone vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen geschützt. Etwa ab dem 40. Lebensjahr beginnt der Hormonspiegel zu sinken, insbesondere der Östrogenspiegel. Östrogen ist ein wichtiges weibliches Geschlechtshormon und spielt eine entscheidende Rolle beim Schutz des Herz-Kreislauf-Systems. Es hält die Blutgefäße geschmeidig, reguliert den Blutdruck und verhindert Ablagerungen in den Gefäßen. Wenn diese Hormone im Laufe des Lebens natürlich abnehmen, nimmt dieser Schutz für das Herz-Kreislauf-System ab. Dadurch können bestimmte Risikofaktoren wie Fettstoffwechselstörungen, Diabetes und Bluthochdruck entstehen. Diese Faktoren erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, insbesondere für Arteriosklerose. Im Durchschnitt sind Männer in Deutschland etwa 60 Jahre alt, wenn sie einen Herzinfarkt erleiden, Frauen sind im Durchschnitt etwa 10 Jahre älter, wenn sie Beschwerden entwickeln oder einen Herzinfarkt erleiden.
Prof. Eifert: Ein gesunder Lebensstil ist wichtig! Man sollte sich über eine gesunde Lebensweise informieren. Ein wichtiger Punkt ist zu verstehen, dass der Grundumsatz einer Frau während der Wechseljahre um etwa ein Drittel sinkt. Daher kann es hilfreich sein, die Kalorienzufuhr zu reduzieren und regelmäßig Sport zu treiben. Die mediterrane Ernährungsform ist für das Herz die beste Option. Es wird empfohlen, nicht zu viel Fleisch zu verzehren und stattdessen ausreichend Fisch zu essen, um genügend Omega-3-Fettsäuren zu erhalten. Diese können aber auch durch den Verzehr von Nüssen und bestimmten Ölen aufgenommen werden.
Wichtig ist auch guter Schlaf, denn Schlafmangel führt häufig zu Stress. In den Wechseljahren kann es für viele Frauen schwierig sein, gut zu schlafen, vor allem wegen des Progesteronmangels und anderer hormoneller Veränderungen. Es gibt auch Risikofaktoren, die berücksichtigt werden sollten. In manchen Fällen gibt es in der Familie eine genetische Veranlagung für Fettstoffwechselstörungen. In solchen Fällen ist es wichtig, sich regelmäßig untersuchen zu lassen, insbesondere auf das "schlechte" Cholesterin und das weniger bekannte Lipoprotein a, ein Transportprotein im Fettstoffwechsel.
Bis vor kurzem wurde empfohlen, das Lipoprotein (a) einmal im Leben zu testen, da es normalerweise auf seinem Niveau als sehr stabil galt. Neuere Studien haben jedoch gezeigt, dass die Abnahme der weiblichen Geschlechtshormone während und nach den Wechseljahren zu einem Anstieg des Lipoprotein (a) führen kann. Dies ist eine bemerkenswerte neue Erkenntnis, die bisher nicht bekannt war. Wenn solche Risikofaktoren erkannt werden, sollten sie im Idealfall behandelt werden, entweder mit Medikamenten oder durch eine spezielle Ernährung.
Da emotionaler Stress dem Frauenherz weitaus mehr schadet als den Männern, sollten Frauen versuchen, Stress zu reduzieren. Es ist natürlich leichter gesagt als getan. Manchmal bewirken kleine Veränderungen in der täglichen Routine etwas. Führen Sie Rituale ein. Ich empfehle weniger Perfektionismus und mehr Selbstfürsorge! Entspannungsübungen können sehr hilfreich sein: Yoga, QiGong, Meditation oder autogenes Training bzw. Achtsamkeitsübungen.
Darüber ist Sport und körperliche Aktivität für die Herzgesundheit von entscheidender Bedeutung. Die Deutsche Herzstiftung empfiehlt 5 x 30 Minuten pro Woche. Für Frauen ist Konditions- und Kardiotraining wichtig, aber eben auch die oben genannten Entspannungsübungen.
Last but not least: Die Herzgesundheit fängt in der Mundhöhle an. Das bedeutet: Frauen sollen für eine gute orale Gesundheit sorgen, das führt auch dazu, dass IHR Herz gesund bleibt.
Da emotionaler Stress dem Frauenherz weitaus mehr schadet als den Männern, sollten Frauen versuchen, Stress zu reduzieren.
Prof. Eifert: In fast allen medizinischen Fachgebieten wird intensiv zu den Geschlechterunterschieden geforscht. Ich freue mich, dass die Gendermedizin ab 2025 in der Approbationsordnung, also in der ärztlichen Berufsordnung, verankert sein wird. Im deutschsprachigen Raum bieten praktisch alle großen Universitäten im Rahmen des Medizinstudiums Lehrveranstaltungen zur Gendermedizin an. Die Forschung auf diesem Gebiet bezieht sich in der Regel auf die Fachgebiete, in denen Ärzte und Fachärzte tätig sind. Ein aktuelles Forschungsthema im Bereich Herz-Kreislauf ist die Herz-Hirn-Achse, insbesondere wie Stress und psychische Belastungen das Herz beeinflussen können. Hier gibt es deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Frauen scheinen stärker von stressbedingten Herzerkrankungen betroffen zu sein. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt ist die Neuropsychoimmunologie, die sich mit den Auswirkungen von Stress auf das Immunsystem beschäftigt. Die Rolle von Entzündungen spielt dabei eine wichtige Rolle. Entzündungen treten nicht nur im Zusammenhang mit Keimen auf, sondern können auch durch Stressprozesse im Körper ausgelöst werden. In diesem Zusammenhang wird ein besonderes Augenmerk auf den Geschlechtervergleich gelegt.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 05.12.2023.