Hallo mohammed,
natürlich weiß ich nicht, ob du ein Jahr nach deinem Eintrag überhaupt noch auf diese Antwort zugreifst, aber in dieser ernsten Angelegenheit schreibe ich trotzdem ein paar Zeilen. Zum Mut-machen, aber auch eingedenk meiner Erfahrungen mit dieser Krankheit.
Urothelkarzinome (
Blasenkrebs) werden häufig erst spät erkannt, da sie trügerisch wenig Beschwerden bereiten können. Etwas
Blut im Urin war für mich (damals 42 Jahre
ALT, Nichtraucher) im Januar 2008 kein großer Aufreger. Auch mein Hausarzt sprach zunächst von einer wahrscheinlichen
Blasenentzündung und schickte mich mit einem Rezept für Antibiotika heim : "Kommen Sie mal so in drei-vier Wochen wieder." BLÖDSINN! Heute weiß ich: Im Gegensatz zu Frauen bekommen Männer nur sehr selten
Blasenentzündungen. Bei Männern bedeutet Blut im
Urin IMMER ALARMSTUFE ROT! Wie bei allen Tumoren kommt es auf eine frühzeitige Behandlung an. Hätte ich den Rat meines Hausarztes befolgt, wäre ich heute wahrscheinlich tot.
Durch Zufall kam ich einige Tage später auf einer Party ins Gespräch mit einer Urologin, die mir riet, alsbald einen Facharzt aufzusuchen. Dieser empfahl mir einen neuen Schnelltest, der Kreb szellen im Urin nachweisen sollte. Dies sei aber keine Kassenleistung, sondern müsse ich mit 30 Euro selbst zahlen. Fazit: Diesem Test sein Leben anzuvertrauen, ist der blanke Wahnsinn!
Das muss dem Urologen beim Betrachten meiner blutigen Urinprobe wohl selbst klar gewesen sein oder er traute dem Test selbst nicht(Die 30 Euro kassierte er dann trotzdem), denn obwohl der Test negativ ausfiel, machte er gleich danach eine optische
Blasenspiegelung.
Resultat: Großflächige Karzinome auf der Blasenwand.
Er nahm eine Probe, die mir Tage später noch einen Augenbliuck Entwarnung vorgaukeln sollte, und schickte diese zum Pathologen.
Völlig zerstört fuhr ich zu meiner Freundin nach Krefeld. Dort ließ mich Gott mit einer entfernten Bekannten der Familie zusammentreffen, die über Kontakte zur Chefärztin der Urologie am Maria-Hilf-Krankenhaus Krefeld verfügte. Nur über diese Schiene kam ich binnen 24 Stunden zu einem Termin mit Frau Prof. Krege, die mir mithilfe einer weiteren Spiegelung und weiteren Gewebeproben die Diagnos Blasenkrebs bestätigte.
Wenige Stunden bevor ich die Ergebnisse dieser zweiten Gewebeuntersuchungen bekam, erhielt ich das Fax des Solinger Pathologen. Danach litt ich "nur" unter einer frühen Form oberflächlicher Tumore (ptis). Eine gewisse Erleichterung, denn diese frühe Erkrankung soll man mit der sogenannte Installationschemo gut behandeln können.
Leider kam Prof. Krege kurze Zeit später mit dem neuen Ergebnis: Neben Tumoren ptis waren auch solche gefunden worden, die die Blasenwand bereits befallen hatten (pt 1) und zwar die besonders bösartigen vom Typ G3. Würde ich noch leben, wenn ich mich auf den Solinger Befund verlassen hätte?
Die Ärztinnen im Maria-Hilf stellten mit die möglichen Behandlungsalternativen vor. Da war zum einen die erwähnte
[Link anzeigen]emo. Dabei wird die Blase über längere Zeit im Krankenhaus mit einem Zellgift gespült, dass die Tumorzellen töten soll. Risiko: Die _Tumore kommen häufig wieder und haben sich dann evtl. schon tiefer in die Blasenwand gefressen. Wenn die Tumore sich tiefer in den Muskel vorarbeiten (pt 2 oder größer), werden sie irgendwann - eher früher als später - Zellen nach außen abgeben, die dann Metastasen bilden (oft in der Lunge, aber auch in anderen Organen wie der Leber oder auch in den Knochen). Dann wird es richtig böse und die Heilungschancen sinken drastisch.
Eine andere Methode wäre eine radikale Operation, bei der die kranke Blase entfernt und eine neue aus einem Stück Dünndarm geformt wird. Dazu muss allerdings auch die
Prostata raus, was bedeutet: Keine Zeugungsfähigkeit mehr und sehr wahrscheinlich auch Errektionsstörungen. Außerdem besteht das Risiko, dass Mann nach der OP nie wieder ganz "trocken" wird, also sich einnässt.
Zur Entscheidungshilfe gaben sie mir einen Stapel medizinischer Fachartikel in englischer Sprache, die sich mit den Überlebenschancen nach Wahl der verschiedenen Behandlungsmethoden befassten. Erst 2007 war dazu eine große, internationale Studie abgeschlossen worden. Ich gebe zu, dass auch ich als Geisteswissenschaftler mit brauchbaren Englischkenntnissen längst nicht alles verstanden habe, doch nach einer durchlesenen Nacht war mir klar, was ich tun musste. Ohne jedes Zögern.
Mit der radikalen OP versprachen mir die Studien eine Überlebenschance von 88-92 %, mit der
Chemotherapie alleine deutlich schlechter. Insgesamt sterben rund 68 % aller Menschen, bei denen Urothelkarzinome festgestellt werden innerhalb von fünf Jahren.
Ja, ich habe mir noch Kinder gewünscht - von Sexualität ganz zu schweigen - aber die Krankheit duldet kein Zögern. Ich kann nur jedem Betroffenen dringend raten, sich nicht bloß auf eine ärztliche Meinung zu stützen, sondern mehrer Spezialisten zu fragen, auch selbst mal im Internet zu suchen (Es finden sich auch für den Laien lesbare Fachartikel!) und zu kämpfen. Heute weiß ich, dass meine Chancen in vielen anderen Krankenhäusern wohl deutlich mieser gewesen wären, da viele Ärzte noch eher zu den konservativen Therapien zu stehen scheinen.
Nach einer mehr als 10stündigen OP und einer r Woche auf der Intensivstation, mehreren weiteren Wochen im KKH und einer anschließenden REHA bin ich sehr langsam ins Leben zurückgekehrt. Wohl aufgrund meines Alters bin ich mit Problemen wie dem Schließmuskeltraining gut zurecht gekommen und habe heute praktisch keine Probleme mehr mit ungewolltem
Harnverlust. Nachts muss ich mir den Wecker stellen und nach drei bis vier stunden pinkeln gehen um die Neo-Blase nicht zu überdehnen.
damit ist klar zu kommen.
Viel schwerer sind die Nachuntersuchungstermine zu ertragen. Dabei werden abwechselnd die Lunge geröntgt und ein Computer-Tomogramm des Unterbauchs gemacht auf der Suche nach Metastasen. Bis heute hatte ich Glück. Aber ich habe gelernt, dass man Gott und dem -Glück helfen muss - und kämpfen.
Viel Glück, Verstand und gute Gesundheit!
joerg