Prof. Bueter: Das ist eine der am häufigsten gestellten Fragen, die man als Adipositaschirurg von den Patienten gestellt bekommt. In unserem Adipositaszentrum Zürich sowie in der Schweiz allgemein gilt der klassische proximale Roux-en-Y Magenbypass als Verfahren der ersten Wahl. Dieses Vorgehen orientiert sich an der aktuell in der wissenschaftlichen Literatur verfügbaren Evidenz, insbesondere wenn man die Ergebnisse von randomisiert-kontrollierten Studien mit einem Nachbeobachtungszeitraum von 5 bis 10 Jahren betrachtet.
An einer dieser hochrangig publizierten Studien haben wir selbst sogar mitwirken dürfen, die sogenannte SM-BOSS-Studie aus der Schweiz, welche von Prof. Peterli aus Basel initiiert wurde. Auch die SLEEVEPASS-Studie unserer guten Kollegin Dr. Paulina Salminen aus Finnland ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Beide Studien vergleichen die Ergebnisse nach einer proximalen Magenbypass-Operation mit denen, die durch einer Schlauchmagenresektion erzielt werden können.
Dabei zeigt sich, dass der Magenbypass langfristig zu einer signifikant besseren Gewichtsabnahme führt, insbesondere bei Patienten ohne Typ 2 Diabetes. Man muss allerdings hinzufügen, dass der Unterschied in der Gewichtsabnahme zwar statistisch signifikant ist, aber im Mittel nur etwa 6 bis 7 kg entspricht, was klinisch nicht immer von Bedeutung ist, für die Patienten aber emotional sehr wichtig sein kann.
Weiter zeigen beide Studien, dass die Häufigkeit von Komplikationen bei beiden Verfahren vergleichbar sind. Während man früher in der Regel davon ausging, dass der Schlauchmagen sicherer durchzuführen sei als der Magenbypass, lässt sich diese Sicht mittlerweile nicht mehr aufrechterhalten, denn die Zahl der Re-Operationen nach einem Magenbypass sind langfristig genauso hoch wie nach einem Schlauchmagen.
Auch bei Patienten mit Typ 2 Diabetes zeigt der Magenbypass im Vergleich zum Schlauchmagen die besseren Ergebnisse hinsichtlich Gewichtsabnahme und langfristiger Blutzuckerkontrolle. Dies zeigte eine randomisierte Studie aus Norwegen – die sogenannte Oseberg Studie - mit einer Nachbeobachtungszeit von 3 Jahren, in die ausschließlich Patienten eingeschlossen wurden, die an Typ 2 Diabetes litten.
Aufgrund dieser aktuellen Daten aus gut konzipierten und hochrangig publizierten randomisierten Studien mit ausreichender Nachbeobachtungszeit bin ich überzeugt, dass der Magenbypass als primäre chirurgische Therapie gegenüber dem Schlauchmagen zu bevorzugen ist.
Prof. Bueter: Die größten Unterschiede zwischen den beiden Verfahren liegen in der chirurgischen Operationstechnik. Beim Schlauchmagen reduziert der Chirurg das Magenvolumen und entfernt einen großen Teil des Magens. Beim Magenbypass wird hingegen gar kein Gewebe entfernt und stattdessen lediglich ein großer Teil des Magens und des Zwölffingerdarms aus der Nahrungspassage ausgeschlossen, sodass der Galle und der Bauchspeichel die Nahrung erst später zugeführt wird. Das ist der offensichtlichste technische Unterschied der beiden Verfahren.
Die Unterschiede in der Gewichtsabnahme habe ich bereits in meiner Antwort zu ihrer ersten Frage aufgeführt und erläutert, dass der Magenbypass tendenziell das effektivere Verfahren zu sein scheint, während die Komplikationsrate nach beiden Verfahren nahezu identisch ist. Zwei weitere Aspekte sind im Vergleich der beiden Verfahren neben den bereits erwähnten Punkten auch noch zu beachten:
Erstens haben meiner Erfahrung nach Patienten, bei denen eine Magenbypass-Operation vorgenommen wurde, deutlich weniger Schwierigkeiten, sich nach der Operation auf die neue anatomische Situation und deren Auswirkungen auf die Nahrungsaufnahme einzustellen als das bei Patienten nach einer Schlauchmagen-Operation der Fall ist. Das gilt sowohl für die Aufnahme von fester als auch von flüssiger Nahrung, insbesondere in den ersten Wochen nach der Operation. Nach einer Schlauchmagen-Operation haben die Patienten oft deutlich länger anhaltende Probleme, z.B. ein anhaltendes Druckgefühl hinter dem Brustbein oder dem oberen Bauchraum, das in der Regel von steckengebliebenen und nicht-verdauten Nahrungsbestandteilen stammt, was man bei Magenbypass-Patienten deutlich seltener beobachten kann. Die Umstellungsphase auf die veränderten Anforderungen an die Nahrungsaufnahme dauert beim Magenbypass in der Regel nicht länger als drei bis vier Wochen, während dies beim Schlauchmagen mit drei bis sechs Monaten deutlich länger dauern kann.
Zweitens ist Sodbrennen ein wichtiger Aspekt, den man bei der Wahl des Operationsverfahrens beachten sollte. Zahlreiche Studien haben mittlerweile nämlich gezeigt, dass die Schlauchmagen-Operation mit einer deutlich höheren Inzidenz von gastroösophagealem Reflux – also Sodbrennen - assoziiert ist. Dabei ist zu beobachten, dass Patienten, die vorher nicht an klassischem Sodbrennen litten, nach einer Schlauchmagenresektion häufiger Sodbrennsymptome entwickeln als Patienten nach einer Magenbypass-Operation. Bei Patienten, die bereits vor der Operation Symptome von Sodbrennen aufweisen, verschlechtern sich die Symptome häufig nach einer Schlauchmagenresektion, während sie sich nach einer Magenbypass-Operation häufig nicht nur verbessern, sondern meist sogar ganz verschwunden sind.
Die größten Unterschiede zwischen den beiden Verfahren liegen in der chirurgischen Operationstechnik.
Prof. Bueter: Bevor ich diese Frage beantworte, ist es mir wichtig, vorab zu klären, welches Krankheitsverständnis wir haben, wenn wir uns miteinander über Adipositas unterhalten. Wenn wir uns darauf einigen können, dass es sich dabei um eine chronische Erkrankung handelt, die nichts mit mangelnder Selbstdisziplin oder Selbstkontrolle zu tun hat und dass das Essverhalten nicht Ursache, sondern Symptom dieser Erkrankung ist, die eine lebenslange Therapie erfordert, dann müssen wir uns als behandelnde Ärzte grundsätzlich überlegen, wie wir damit umgehen wollen.
Die Frage ist dann nämlich nicht, ob man einem Patienten, der an chronischer Adipositas leidet, eine adipositaschirurgische Therapie anbieten soll oder nicht, sondern die korrekte Frage lautet, warum man sie ihm nicht anbietet? Aktuell ist es nämlich unbestritten, dass die bariatrische Chirurgie derzeit die Therapie mit der überzeugendsten Evidenz zur Behandlung des krankhaften Übergewichts ist. Das betrifft sowohl die verfügbaren Langzeitdaten als auch die Wirksamkeit an sich – also der Gewichtsverlust, der erzielt werden kann und wie sich dieser Gewichtsverlust auf die klassischen Erkrankungen auswirkt, die so häufig gemeinsam mit der Adipositas auftreten. Selbst die neuen Medikamente, die derzeit in aller Munde sind, sind nicht so effektiv in der Gewichtsreduktion wie das, was wir nach einer bariatrischen Operation beobachten können.
Natürlich gibt es auch medizinische Gründe, die abgeklärt werden und bei der Entscheidung für oder gegen einen bariatrischen Eingriff berücksichtigt werden müssen. So können einzelne psychiatrische Erkrankungen, wie z.B. eine akute Schizophrenie mit Wahnvorstellungen oder auch Essstörungen, wie Binge-Eating oder Bulimie durchaus gegen eine Operation sprechen. Das sind keine absoluten Kontraindikationen, aber Aspekte, die sorgfältig vor einer Operation geprüft und dann auch entsprechend behandelt werden sollten. Suchterkrankungen, wie eine aktuell vorhandene Alkohol- oder Drogenabhängigkeit sind natürlich ebenfalls problematisch und auch Voroperationen im Bauchraum können die Durchführung einer bariatrischen Operation technisch erschweren – insbesondere dann, wenn mehrere Baucheingriffe in offener Technik, also mit Bauchschnitt, durchgeführt wurden.
Ich bin auch der Meinung, dass Patienten, bei denen ein Magenbypass oder ein Schlauchmagen evaluiert wird, über solide Grundkenntnisse von und Erfahrung mit konservativen, also nicht-chirurgischen Therapien, verfügen sollten. Nicht, weil ich von deren Wirksamkeit überzeugt bin, sondern weil sie den wichtigen Nebeneffekt haben, dass sich die Patienten intensiv mit vielen wichtigen Aspekten der Ernährung auseinander gesetzt haben. Das grundsätzliche Verständnis für die Erkrankung und für die Anforderungen, die nach einer bariatrischen Operationen auf die betroffenen Patienten zukommen, ist bei Patienten, die sich bereits im Rahmen von Diäten intensiv damit auseinandergesetzt haben, viel höher. Das ist in meiner Erfahrung ein wichtiger Punkt, der die Chance auf einen guten und erfolgreichen Verlauf nach einer Operation deutlich erhöht.
Das ist auch eine der Hauptmotivationen, die uns veranlasst haben, einen regelmäßigen Podcast zu produzieren, in dem wir regelmäßig wichtige Themen rund um die Adipositas und ihre Behandlung besprechen. Unser „Adipodcast“ erfreut sich einer konstant wachsenden Zuhörerschaft und ist überall zu finden, wo es Podcasts gibt, z.B. hier Adipodcast (libsyn.com).
Prof. Bueter: Wie bei jeder chronischen Erkrankung hilft es sicher, sich als Patient intensiv mit der Erkrankung auseinanderzusetzen und ein realistisches Bild von den zu erwartenden Ergebnissen eines Eingriffes zu haben. Als betroffener Patient muss man sich darüber im Klaren sein, dass eine Operation keine endgültige Lösung darstellt, da es sich ja um eine chronische Erkrankung handelt. Chronische Erkrankungen können in der Regel nicht akut behandelt werden, sondern erfordern eine andauernde und lebenslange Behandlung. Die Operation ist also lediglich eine erste Maßnahme zur Therapie einer chronischen Erkrankung, die das Aktivitätsniveau der Erkrankung auf ein niedrigeres Level senkt, welches dem Patienten ermöglicht, ein Leben mit besserer Lebensqualität und einer höheren Funktionalität im Alltag ermöglicht.
Dennoch wird der Patient sein Leben lang mit den Auswirkungen der Krankheit zu kämpfen haben, da eine Heilung nicht möglich ist. Wie bei jeder anderen chronischen Erkrankung auch, ist es leider jederzeit möglich, dass die Erkrankung weiter voranschreitet und es zu einem Wiederanstieg des Körpergewichtes kommt. Das ist dann weder das Resultat einer unsachgemäß durchgeführten Operation und auch nicht Folge einer mangelnden Mitarbeit des Patienten, sondern nichts anderes als der chronische Verlauf einer chronischen Erkrankung. In diesen Fällen muss dann eine Therapieeskalation diskutiert werden, entweder chirurgisch oder pahramakologisch.
Vor einer Operation sollte der Patienten daher realistische Erwartungen haben, sich seiner Krankheit bewusst sein und wissen, dass es keine schnelle Heilung gibt, sondern dass die Behandlung der Adipositas eine lebenslange Reise ist.
Prof. Bueter: Beide Operationen, also der Magenbypass und der Schlauchmagen, zählen mittlerweile zu den am häufigsten durchgeführten bauchchirurgischen Eingriffen. Es handelt sich also in beiden Fällen um sichere und sehr gut etablierte Operationstechniken mit sehr niedrigem Komplikationsrisiko. Wenn man sich als Patient für einen solchen Eingriff entscheidet, ist es wichtig, dass die Operation an einem anerkannten Zentrum durchgeführt wird. Zertifizierungen sind hier ein guter Indikator, der den Betroffenen helfen kann, Zentren mit einem hohem Behandlungsstandard zu erkennen. Unser Zentrum in Zürich ist beispielsweise als einziges Zentrum der Schweiz durch die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) als Exzellenzzentrum für Adipositaschirurgie zertifiziert worden.
Aber natürlich gibt es auch viele andere Zentren, die auf dem Gebiet der Adipositaschirurgie große Erfahrung haben und hervorragende Arbeit leisten. In solchen Zentren ist es mittlerweile üblich, dass die Patienten nach dem Eingriff auf die Normalstation verlegt werden. Nur bei entsprechenden Vorerkrankungen oder individuellen Risikofaktoren kann ein kurzer Aufenthalt auf einer Überwachungsstation nötig sein. Bereits am Abend der Operation erhalten die Patienten in der Regel etwas zu trinken, üblicherweise Wasser oder Tee.
Es ist sehr wichtig, dass die Patienten nach der Operation möglichst frühzeitig das Bett verlassen und mindestens kürzere Strecken laufen. Dies hilft, das Risiko von thrombembolischen Komplikationen und Lungenentzündungen zu reduzieren. Am ersten Tag nach der Operation beginnen die Patienten dann mit leicht verdaulicher Kost und am zweiten Tag erhalten sie bereits kleinere Portionen normaler Kost. Bei einem unkomplizierten Heilungsverlauf können die Patienten davon ausgehen, dass sie nach zwei Übernachtungen im Spital bereits nach Hause gehen dürfen.
Die meisten Patienten sind in der Regel positiv überrascht und freuen sich, wie schnell sie sich nach der Operation erholen und alltagstauglich sind. Die Schmerzen, die sie verspüren, werden oft mit einem starken Muskelkater verglichen und sind im Allgemeinen sehr gut zu tolerieren.
Das Einzige, was im neuen Alltag nach der Operation beachtet werden muss, sind die Anforderungen an die Nahrungsaufnahme, die sich aus der veränderten Anatomie des Magendarm-Traktes ergeben. Sowohl beim Schlauchmagen als auch beim Magenbypass sollte das Essen nun ein bewussterer Akt sein, eine Tätigkeit, die die volle Aufmerksamkeit erfordert. Man kann als Patient nach einer adipositaschirurgischen Operation nicht mehr einfach so „nebenbei“ essen. Die Patienten müssen insbesondere in den ersten Wochen nach der Operation sehr bewusst kauen und darauf achten, was und wie sie essen.
Es handelt sich also in beiden Fällen um sichere und sehr gut etablierte Operationstechniken mit sehr niedrigem Komplikationsrisiko.
Prof. Bueter: Während einer Operation stellt insbesondere die Behandlung adipöser Patienten besondere Anforderungen an das Anästhesieteam und den Chirurgen. Die technische Herausforderung, einen übergewichtigen Patienten zu operieren, ist größer als bei einem normalgewichtigen Patienten – allein schon aufgrund der ausgeprägten Mengen an Fettgewebe im Operationsgebiet.
Nach der Operation, ob Schlauchmagen oder Magenbypass, müssen die operierten Anteile des Magens und des Dünndarms, die durchtrennt, verschlossen oder mit Klammern und Nähten miteinander verbunden worden sind, gut verheilen, da Undichtigkeiten an diesen Stellen zu schweren Komplikationen und langen Krankheitsverläufen führen können.
Zum Beispiel kann bei einer Klammernahtinsuffizienz am Schlauchmagen Mageninhalt in die freie Bauchhöhle austreten und dort eine Bauchfellentzündung – eine sogenannte Peritonitis - verursachen. Dies erfordert dann ein schnelles Handeln des behandelnden Teams, beispielsweise eine erneute Operation oder eine Endoskopie, um die undichte Stelle zu verschließen. Der anschließende Heilungsprozess dauert in diesen Fällen länger als ein Krankenhausaufenthalt bei unkomplizierten Verlauf.
Prof. Bueter: Das Ansprechen auf eine medizinische Therapie ist grundsätzlich individuell und schwer vorherzusagen, besonders, wenn es sich um eine chronische Erkrankung wie Adipositas handelt. Deshalb kann ich hier nur statistische Mittelwerte nennen. Über einen Zeitraum von 5 Jahren liegt die durchschnittliche Gewichtsabnahme bei etwa 25 bis 30 Prozent des Ausgangsgewichtes. Wenn ein Patient zum Zeitpunkt der Operation also 150 kg wiegt, kann er statistisch gesehen etwa 30 bis 45 kg abnehmen. Das heißt, die eine Hälfte der Patienten nimmt mehr ab, die andere Hälfte weniger.
Unmittelbar nach der Operation kommt es in der Regel zu einer raschen Gewichtsabnahme. In den ersten drei Monaten verliert man in der Regel zwischen 6 und 9 kg pro Monat, was beeindruckend schnell ist. Danach flacht die Gewichtsabnahmekurve mit der Zeit ab, wobei das niedrigste Gewicht in der Regel zwischen 12 und 18 Monaten erreicht wird. Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass das Gewicht nach dieser Phase kurz wieder ansteigt, bevor es sich relativ schnell auf einem stabilen Plateau einpendelt. Die Entwicklung kann jedoch individuell sehr unterschiedlich verlaufen. Es kann schneller oder langsamer gehen und viele Faktoren spielen eine Rolle, die berücksichtigt werden müssen.
Leider sind wir in der Forschung noch nicht so weit, dass wir Patientenfaktoren identifizieren können, die uns helfen zu entscheiden, welche technischen Modifikationen der Operation oder Behandlung aufgrund individueller Eigenschaften der Patienten das Ansprechen auf die Therapie zuverlässig verbessern.
Unmittelbar nach der Operation kommt es in der Regel zu einer raschen Gewichtsabnahme.
Prof. Bueter: Auch das ist individuell sehr unterschiedlich, aber es gibt einige Ratschläge, die für alle Betroffenen nach einem bariatrischen Eingriff gelten. Zum Beispiel wird empfohlen, dass man die Aufnahme von festen und flüssigen Nahrungsmitteln zeitlich strikt voneinander trennen sollte, besonders nach einem Magenbypass.
Aber auch beim Schlauchmagen ist es wichtig, sich ganz bewusst Zeit zum Essen zu nehmen, gut zu kauen und blähende Speisen zu vermeiden, vor allem in den ersten Wochen nach einem Eingriff. Außerdem sollte auf eine ausreichende Eiweißzufuhr geachtet werden.
Grundsätzlich gilt: Wenn man nicht viel essen mag, ist es wichtig, dass man die Speisen besonders gut auswählt und nicht zu viel Ungesundes zu sich nimmt.
Je nach individuellen Bedürfnissen gibt es dabei Nahrungsmittel, die besser oder schlechter vertragen werden. Manche Patienten haben nach einem Magenbypass oder einem Schlauchmagen Probleme mit dem Verzehr von Brot, andere eher mit Nudeln oder Reis, während wieder andere von Problemen mit rotem oder weißem Fleisch berichten. Deshalb lautet der allgemeine Rat: Lass dir Zeit, probiere aus, was du gut oder weniger gut verträgst. Wenn etwas nicht funktioniert, lass es weg und versuche es später noch einmal.
Was hingegen alle Patienten nach einem Eingriff gemeinsam haben, ist die deutlich reduzierte Portionsgröße. Nach etwa vier Wochen beträgt diese nur noch etwa 10 % der ursprünglichen Menge, wobei sie sich nach einem Jahr dann wieder auf 40 bis 50 % einpendelt.
Prof. Bueter: Ein wichtiger Punkt ist, sich mehr zu bewegen und körperliche Aktivität verstärkt in den Alltag zu integrieren. Das wird aber oft missverstanden. Häufig hört man von den Betroffenen dann zum Beispiel Sätze wie: "Ich habe mich schon im Fitnessstudio angemeldet und kann es kaum erwarten, nach der Operation loszulegen". Das ist zwar sehr löblich, funktioniert in der Regel aber leider auf Dauer nicht, weil wir ja keine Persönlichkeitstransplantation vornehmen. Was ich damit meine ist, dass aus einer klassischen „Couch-Potato“ nach einer Operation ja nicht plötzlich ein „Hochleistungssportler“ wird. Klar, es gibt solche Beispiele und ich kenne persönlich auch ein oder zwei Fälle, bei denen das gelungen ist, aber diese sind so selten, dass man sie nicht auf die Allgemeinheit übertragen kann bzw. sollte.
Stattdessen empfehlen wir die Art von körperlicher Aktivität, für die man nicht extra eine Sporttasche packen muss, um dann woanders hinzufahren, um Sport zu treiben, zum Beispiel in ein Fitness-Studio. Tägliche Spaziergänge, Einkaufen mit dem Fahrrad anstatt mit dem Auto, vielleicht ein oder zwei Stationen früher aussteigen, wenn man mit dem Bus fährt und den Rest dann zu Fuß gehen, die Treppe nehmen statt den Aufzug oder die Rolltreppe – das sind die Art von Veränderungen, die sich in meiner Erfahrung am besten und dauerhaft im Alltag umsetzen lassen. Das funktioniert eigentlich ganz gut.
Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft natürlich das Essverhalten nach einem Eingriff. Erstaunlicherweise hilft die Operation den Betroffenen hier häufig dabei, sich eine gewisse und neue Diätdisziplin anzueignen. Dies geschieht über Mechanismen, die wir allerdings noch nicht ganz verstehen. Aber ein Großteil der Patienten berichtet nach der Operation häufig, dass sie eine Verschiebung ihrer Essensvorlieben beobachtet haben. Patienten, die vor der Operation z.B. hochkalorische Speisen bevorzugt haben, stellen plötzlich fest, dass sie diese nach der Operation gar nicht mehr mögen und sogar eine Abneigung dagegen entwickeln. Stattdessen berichten viele Patienten, plötzlich gesündere Nahrungsmittel wie Salat und Obst zu bevorzugen.
Erstaunlicherweise hilft die Operation den Betroffenen hier häufig dabei, sich eine gewisse und neue Diätdisziplin anzueignen.
Prof. Bueter: Nun, je nach Situation - und das gilt sowohl für den Schlauchmagen als auch für den Magenbypass - ist es notwendig, nach der Operation Vitamine zusätzlich zur normalen Nahrung zu sich zu nehmen. Beim Magenbypass hat dies einen einfachen Grund: Durch die anatomische „Umorganisation“ des Weges, den die Nahrung nach der Operation durch den Magendarm-Trakt nimmt, kommen Teile des Dünndarms nicht mehr mit der aufgenommenen Nahrung in Kontakt. Das gilt zum Beispiel für den Zwölffingerdarm, in dem normalerweise bestimmte Vitamine wie zum Beispiel Vitamin D, E und K aufgenommen werden. Diese müssen dann in Form von täglichen Multivitamintabletten oder in Einzelfällen auch durch viertel- oder halbjährliche Injektionen zugeführt werden. Bei jüngeren Frauen muss manchmal auch Eisen substituiert werden, während Frauen nach der Menopause besonders auf die Kalziumspiegel im Blut geachtet werden sollte.
Im Falle des Schlauchmagens spielt das Sodbrennen eine wichtige Rolle und kann in einigen Fällen so stark sein, dass lebenslange Medikamente zur Unterdrückung des Sodbrennens eingenommen werden müssen. Diese Medikamente bezeichnet man als Protonenpumpeninhibitoren. Manchmal ist das Sodbrennen nach einer Schlauchmagen-Operation so stark, dass selbst die Protonenpumpeninhibitoren nicht mehr helfen und nur noch eine erneute Operation hilft, in der der Schlauchmagen in einen Magenbypass umgewandelt wird. Tatsächlich ist diese Situation der häufigste Grund für eine Re-Operation nach einem Schlauchmagen.
Der zweithäufigste Grund für eine Umwandlungsoperation in einen Magenbypass ist eine erneute Zunahme des Körpergewichts oder ein unzureichendes Ansprechen auf die Operation mit zu geringem Gewichtsverlust. Auch überschüssige Haut nach starkem Gewichtsverlust ist immer wieder ein Thema, das unsere sehr beschäftigt.
Prof. Bueter: Die Medikamente bieten neue und fantastische Möglichkeiten in der Therapie und jeder, der sich mit der Behandlung dieser fürchterlichen Erkrankung beschäftigt, freut sich über diese Entwicklung. Allerdings glaube ich nicht, dass sie die Chirurgie vollständig ersetzen können und werden. Im Gegenteil, ich erwarte, dass die Medikamente dafür sorgen, dass die Nachfrage nach adipositaschirurgischen Eingriffen in Zukunft sogar noch steigen wird.
Folgende Überlegung lässt mich zu diesem Schluss kommen. Aktuell ist die Verbreitung der bariatrischer Chirurgie – man spricht in diesem Zusammenhang auch von der Penetranzrate - sehr niedrig. Tatsächlich werden nur etwa 1% der Patienten, die formell für einen bariatrischen Eingriff in Frage kämen, operiert, was bedeutet, dass viele Betroffene, die Hilfe benötigen, nicht adäquat behandelt wurden und werden. Hier kommen die neuen medikamentösen Therapiemöglichkeiten ins Spiel. Sie sind wichtig, weil sie neue und verbesserte Behandlungsmöglichkeiten bieten, was dazu führt, das in Zukunft mehr Patienten Zugang zu Behandlungen erhalten, die ihnen bisher nicht zur Verfügung standen und oft auch gar nicht angeboten wurden.
Allerdings sind die Langzeitnebenwirkungen der Medikamente aktuell nicht vollständig bekannt oder geklärt und auch die Kostenübernahme durch die Krankenkassen ist noch vollkommen offen. Viele unserer Patienten kommen aus sozio-ökonomisch schwächeren Schichten unserer Gesellschaft und können sich eine dauerhafter medikamentöse Behandlung finanziell überhaupt nicht leisten. Andere Patienten wiederum möchten sich nicht für den Rest ihres Lebens ein Hormonpräparat injizieren, was aber nötig ist, da es sonst zu einem sofortigen Wiederanstieg des Körpergewichtes bis auf das ursprüngliche Ausgangsgewicht kommt.
Insofern habe ich keinerlei Zweifel, dass bariatrischen Operationen, wie z.B. der Magenbypass und der Schlauchmagen, auch in Zukunft eine zentrale Rolle in der Behandlung des Übergewichtes spielen werden.
Prof. Bueter: Ich glaube, dass sich die Wahrnehmung der Erkrankung sowohl in Fachkreisen als auch in der Gesellschaft geändert hat. Die Einführung der neuen Medikamente hat das Thema Adipositas in den Fokus vieler Menschen gerückt, die sich vorher nicht dafür interessiert haben. Dies erlaubt eine bessere Diskussion des Themas und wird in Zukunft letztendlich dazu führen, dass die Erkrankung Adipositas nicht nur entstigmatisiert, sondern auch als das anerkannt wird, was sie ist: Eine chronische Erkrankung, die das Leben der Betroffenen verkürzt und ihre Lebensqualität vermindert – und kein Ausdruck mangelnder Selbstdisziplin.
Abgesehen davon hat sich die Qualität der Studiendaten, die die langfristige Wirksamkeit und Sicherheit der bariatrischen Operationen, wie z.B. Magenbypass und Schlauchmagen, belegen deutlich verbessert. In den letzten Jahren wurden zahlreiche hochwertige Studien durchgeführt und hochrangig publiziert, sodass in informierten Fachkreisen schon lange kein Zweifel mehr an der Berechtigung und Wichtigkeit der chirurgischen Therapie besteht.
Natürlich hat sich die chirurgische Technik in den letzten Jahren auch immer weiterentwickelt und konnte kontinuierlich verbessert werden, sodass die Eingriffe immer schonender und sicherer geworden sind. In Zukunft wird auch der Einsatz von neuen Technologien, wie zum Beispiel die robotisch-gestützten Operationsverfahren, eine zentrale Rolle spielen.
In Zukunft wird auch der Einsatz von neuen Technologien, wie zum Beispiel die robotisch-gestützten Operationsverfahren, eine zentrale Rolle spielen.
Prof. Bueter: Unabhängig davon, wie man zur bariatrischen Chirurgie steht, ist sie zweifellos ein hervorragendes wissenschaftliches Instrument, um die Auswirkung einer chirurgischen Modifikation des Magen-Darm-Traktes zu untersuchen, um diesen besser zu verstehen. Wir haben dadurch in den letzten zwei Jahrzehnten sehr viel über die Wirkweise des Magendarm-Traktes gelernt. So haben Studien, die sich mit den zugrundeliegenden physiologischen Mechanismen der Magenbypass Operation beschäftigt haben, schon vor 15 Jahren gezeigt, dass die Spiegel gastrointestinaler Hormone im Blut nach der Operation signifikant ansteigen.
Diese Hormone werden nach der Nahrungsaufnahme vom Darm gebildet und ins Blut freigesetzt, um dann im Gehirn zu einem reduzierten Appetit- und Hungerempfinden zu führen. Eines dieser Hormone, das bereits damals sehr viel Aufmerksamkeit auf sich zog, war das sogenannte Glukagon-like Peptide 1 (GLP-1), einem Inkretin, dass nach Nahrungsaufnahme unter anderem zu einer Steigerung der Insulinsekretion führt. Einige Firmen haben sich diese Erkenntnisse bereits damals zu Nutzen gemacht und Medikamente entwickelt, die zur Therapie der Adipositas geeignet sind. Man kann also sagen, dass die bariatrische Chirurgie sicher einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung neuer pharmakologischer Optionen in der Behandlung der Adipositas geleistet hat.
Meine persönlichen Aktivitäten in der Forschung beschäftigen sich vor allem mit der Untersuchung des Essverhaltens und wie sich dieses nach einer bariatrischen Operation verändert. Dabei untersuche ich mit meinem Forschungsteam Fragen wie „Was motiviert einen übergewichtigen Patienten im Vergleich zu einer normalgewichtigen Person, eine größere Menge an Kalorien zu sich zu nehmen?“ oder „Inwiefern unterscheidet sich das Essverhalten eines Übergewichtigen von dem eines Normalgewichtigen?“ Uns interessiert dabei, wie die Kontrolle des Essverhaltens im Gehirn organisiert ist und welche neurologischen Schaltkreise dabei eine Rolle spielen.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 21.02.2024.