Prof. Canbay: Man sollte eher von einer Zivilisationskrankheit sprechen, anstatt Modeerkrankung. Immer mehr Menschen leiden unter dem metabolischen Syndrom, sind übergewichtig und haben erhöhte Gewichtswerte. Das belastet natürlich auch die Leber.
Prof. Canbay: Eine Fettleber entsteht vor allem durch falsche Ernährung und Bewegungsmangel. Wenn wir mehr essen als wir verbrauchen, wird der Überschuss zunächst im Fettgewebe und dann auch in der Leber gespeichert. Dies führt zu einer Anhäufung von überschüssigem Fett in der Leber, was als Fettleber bezeichnet wird. Das Problem dabei: Die Leber wird immer größer und gelber.
Eine Fettleber entsteht vor allem durch falsche Ernährung und Bewegungsmangel.
Prof. Canbay: Tatsächlich kann man auch ohne Übergewicht eine Fettleber bekommen, aber das sind seltene Ursachen. Dazu gehören zum Beispiel Krankheiten wie Zöliakie, also eine Weizenunverträglichkeit. Diese kann zu einer Verfettung der Leber führen. Es gibt auch seltene Lebererkrankungen, bei denen die Patienten nicht übergewichtig sind, aber trotzdem eine massive Fettleber haben. Diese Fälle sind meist genetisch bedingt. Die Hauptursache für eine Fettleber ist jedoch Übergewicht und Fettleibigkeit.
Prof. Canbay: Die Leber selbst macht sich nicht bemerkbar. Sie ist wie eine Mutter, die alles für die Familie tut und alles regelt. Aber wenn sie überlastet ist, kollabiert sie. Und wenn das passiert, ist es oft zu spät. Dann haben die Patienten meist schon einen Sklerenikus (Gelbsucht) oder eine Leberzirrhose mit Umgehungskreisläufen wie Ösophagusvarizen (Krampfadern in der Speiseröhre). Dies ist bereits das Endstadium. Ein Frühstadium erkennt man daran, dass man sich ständig müde fühlt. Oft schiebt man das auf zu viel Arbeit, aber es kann auch damit zusammenhängen, dass die Leber verfettet ist. Eine verfettete Leber arbeitet nicht mehr so gut. Die meisten Patienten denken, dass ihre Müdigkeit nur vom Stress kommt, aber in Wirklichkeit ist es eben eine Fettleber.
Ein Frühstadium erkennt man daran, dass man sich ständig müde fühlt.
Prof. Canbay: Sie sollten zunächst einen niedergelassenen Arzt aufsuchen. Er führt eine Ultraschalluntersuchung durch und überprüft die Leberwerte. Sind die Leberwerte erhöht, kann der Arzt mittels Ultraschall eine Fettleber feststellen. Auch bei normalen Leberwerten sollte die Diagnose ernst genommen werden. Wenn der Arzt Ihnen sagt, dass Sie eine Fettleber haben, sollten Sie verschiedene Methoden anwenden, um die Fettleber abzubauen.
Prof. Canbay: Die meisten Menschen wissen nicht, dass die Leber ein wichtiges Stoffwechselorgan ist. Sie reguliert den Fettstoffwechsel, den Zuckerstoffwechsel, den Eiweißstoffwechsel und den Vitaminstoffwechsel. Die Leber hat etwa 500 Funktionen. Es ist aber wichtig zu verstehen, dass die Leber durch ihre Rolle im Fettstoffwechsel auch das Herz beeinflusst. Das ist den meisten Menschen auch nicht bewusst. Ich sage meinen Patienten immer: Wer eine gesunde Leber hat, hat auch ein gesundes Herz. Deshalb ist es mir sehr wichtig, dass Patienten, die im Alter von 35 Jahren eine Fettleber haben, daran arbeiten, diese zu verbessern. Sonst, das kann ich Ihnen versichern, werden sie in späteren Jahren viel schneller einen Herzinfarkt bekommen, als ihnen lieb ist. Wenn Sie in jungen Jahren also eine Fettleber haben, dann ändern Sie das bitte, um einen Herzinfarkt zu vermeiden.
Wer eine gesunde Leber hat, hat auch ein gesundes Herz.
Prof. Canbay: Die Fettleber ist nicht so harmlos, wie sie klingt. Eine Fettleber bedeutet, dass die Leber überfüttert ist, das heißt, wir nehmen einfach zu viel Nahrung im Überfluss zu uns. Das ist das Problem, an dem wir zuerst arbeiten müssen. Wenn Patienten eine Fettleber haben, kann das auch zu Diabetes führen, was Teil des metabolischen Syndroms ist. Das Wichtigste ist, sich optimal zu ernähren und sich ausreichend zu bewegen. Diese beiden Faktoren sind sehr wichtig.
Es gibt auch Medikamente, die wir bei Übergewicht und Diabetes einsetzen können. Dazu gehören die so genannten GLP-1-Analoga, die sowohl die Gewichtsabnahme fördern als auch die Fettleber verbessern können. Medikamente sollten aber nur in Betracht gezogen werden, wenn konventionelle Methoden nicht ausreichen. Medikamente haben immer sowohl Wirkungen als auch Nebenwirkungen. Deshalb sollte man zunächst versuchen, die Probleme durch Änderungen der Ernährung und des Bewegungsverhaltens zu lösen, bevor man zu Medikamenten greift.
Prof. Canbay: Man stelle sich beispielsweise einen Löwen vor. Ein Löwe frisst so viel er kann und hört auf, wenn er satt ist. Dann geht er Wasser trinken. Und was machen wir Menschen? Wir essen zu Hause eine Mahlzeit und gehen dann in die Stadt. Dort riecht es nach Bratwurst, Döner, Pizza, Hähnchen und vielem mehr. Wir überlisten unseren Instinkt und essen noch mehr. Was machen wir danach? Wir trinken Cola oder Orangensaft, weil wir glauben, dass Orangensaft gesund ist. Dabei schaden wir der Leber noch mehr. Das müssen wir ändern. Wir sollten uns der Natur anpassen. Dazu gehört, dass wir regional und saisonal essen. Zum Beispiel sollten wir im Winter keine Erdbeeren oder Kirschen essen, weil sie dann in unseren Breitengraden nicht wachsen.
Wichtig ist auch, Bewegung in den Alltag zu integrieren. Wenn Sie im dritten oder vierten Stock wohnen, nehmen Sie die Treppe statt des Aufzugs. Wenn Sie in einem Gebäude mit Treppenhaus arbeiten, benutzen Sie dieses. Wenn Sie sonntags Brötchen holen, gehen Sie zu Fuß oder nehmen Sie das Fahrrad statt das Auto.
Eine weitere Sache, die wir ändern müssen, ist unser Essverhalten. Von unseren Eltern haben wir gelernt, dass alles, was auf den Teller kommt, auch gegessen werden muss. Das ist falsch. Wir sollten nur so viel essen, wie wir wirklich brauchen. All diese Veränderungen sind wichtig für einen gesunden Lebensstil und eine gesunde Leber. Damit schützen wir auch unser Herz, wie zuvor angesprochen.
Prof. Canbay: Bitte vermeiden Sie es, regelmäßig Fastfood zu essen. Ich bin kein Freund von strikten Verboten, aber es geht darum, nicht jeden Tag bei McDonald's, Burger King oder ähnlichen Fastfood-Ketten zu essen. Auch Pizza sollte man nicht zu oft essen. Wichtig ist, dass wir eine gesunde Ernährung in unseren Alltag integrieren. Das gemeinsame Kochen am Abend kann dabei sehr hilfreich sein. Nehmen Sie sich Zeit und verwenden Sie frische Zutaten, vor allem viel Gemüse. Mediterrane Kost ist besonders empfehlenswert, da sie viel Olivenöl und Gemüse enthält. Ein weiterer Punkt ist, weniger Säfte zu trinken. Wenn überhaupt, dann nur frisch gepresste Säfte und höchstens einmal pro Woche. Insgesamt empfehle ich, viel Gemüse und Salate in die Ernährung einzubauen.
Prof. Canbay: Die langfristigen Folgen hängen mit der Funktion der Leber zusammen. Die Leber ist das Organ, das den Fett-, Zucker- und Eiweißstoffwechsel reguliert. Stellen Sie sich vor, Ihre Leber arbeitet nicht richtig. Was passiert dann? Die Leberfette sind sehr hoch. Wenn die Leberfette, wie z.B. das LDL, also das schlechte Cholesterin, sehr hoch sind, lagern sie sich ab und Sie können einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall bekommen. Diese Erkrankungen stehen in engem Zusammenhang. Neuere Daten zeigen auch, dass eine Fettleber zu Leberkrebs führen kann und mit verschiedenen Tumoren wie Darmkrebs in Zusammenhang steht.
Prof. Canbay: Die Leber ist ein faszinierendes Organ! Sie hat die Fähigkeit, sich zu regenerieren, wenn man ihr genügend Zeit gibt. Eine Methode, die ich empfehle, ist das Intervallfasten. Dabei isst man zum Beispiel einmal am Tag oder morgens und abends bis spätestens 18 oder 19 Uhr. Dabei ist es wichtig, leichte Kost wie Salat zu essen, damit sich die Leber wirklich regenerieren kann. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Abnehmen. Das schont die Leber. Außerdem sollte der Konsum von Alkohol, Limonaden und Fruchtsäften reduziert oder ganz vermieden werden. Wir sehen immer wieder, dass sich die Leber auch im fortgeschrittenen Stadium regenerieren kann. Es lohnt sich also, daran zu arbeiten. Mit einer gesunden Leber haben Sie die Chance, gesund alt zu werden. Das ist die Botschaft, die ich Ihnen mitgeben möchte.
Mit einer gesunden Leber haben Sie die Chance, gesund alt zu werden.
Prof. Canbay: Es gibt viele Ansätze zur Behandlung der Fettleber. Besonders wichtig ist die Erkenntnis, dass die Fettleber keine einfache oder unbedeutende Erkrankung ist. Es handelt sich vielmehr um eine ernstzunehmende Erkrankung, die als Ursache für verschiedene Gesundheitsprobleme bis hin zum Herzinfarkt angesehen werden kann. Deshalb ist es wichtig, die Rolle der Leber genau zu verstehen. Eine gesunde Leber, das heißt eine Leber ohne oder mit nur geringer Verfettung, bietet gute Aussichten auf ein gesundes Gehirn, ein leistungsfähiges Herz und ein gesundes Altern. Dies sind entscheidende Faktoren für eine gute Zukunft.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 18.06.2024.