Der Begriff Fehlgeburt (Abort) bezeichnet das Absterben des Kindes, also des Embryos beziehungsweise Fötus, vor der 24. Schwangerschaftswoche mit einem Gewicht von weniger als 500 Gramm. Die Fehlgeburt kann mit oder ohne Ausstoßung der Frucht ablaufen. Unterschieden werden Frühaborte, die sich bis zur 14. Schwangerschaftswoche ereignen und Spätaborte, die von der 15. bis zur 24. Schwangerschaftswoche auftreten. Hat der Fötus bereits ein Gewicht von mehr als 500 Gramm erreicht oder tritt der Abort ab der 25. Schwangerschaftswoche auf, so wird dies als Totgeburt bezeichnet.
Fehlgeburten sind keine Seltenheit: Etwa 15 bis 30 Prozent aller begonnenen Schwangerschaften enden vorzeitig und für das Kind tödlich. Der Großteil der Aborte geschieht in den ersten Schwangerschaftswochen, häufig noch bevor die betroffene Frau überhaupt weiß, dass sie schwanger war. Ein solcher Abort äußert sich in einer verspäteten und verstärkten Menstruationsblutung. Es ist daher anzunehmen, dass es eine große Dunkelziffer an unerkannten Schwangerschaften gibt, die in einem Abort enden. Nur etwa 20 Prozent der Fehlgeburten ereignen sich nach der 12. Schwangerschaftswoche.
Eine Fehlgeburt ist ein dramatisches Ereignis für die betroffene Frau und ihren Lebenspartner, insbesondere wenn die Schwangerschaft schon seit längerer Zeit bekannt war. Keinesfalls sollte ein solches Geschehen heruntergespielt oder übergangen werden. Betroffene Paare und Frauen sollten sich ausführlich von einem Frauenarzt, einer Hebamme oder in speziellen Beratungseinrichtungen informieren und helfen lassen. Zum einen ist es wichtig, Fakten zu kennen und zu wissen, welche Untersuchungen, Behandlungen und Vorgehensweisen nach einer Fehlgeburt durchzuführen sind. Zum anderen brauchen Betroffene individuelle seelische und psychologische Unterstützung. Hilfe finden sie in Selbsthilfegruppen und auch im Internet.
Um eine Fehlgeburt zu verstehen, sollte man sich vor Augen führen, dass die Entstehung und Entwicklung des menschlichen Lebens ein extrem komplexer Vorgang ist. Besonders in der Zeit nach der Befruchtung der Eizelle durch ein Spermium bis hin zur vollständigen Anlage aller Organe im wachsenden Embryo nach der achten Woche erfolgt eine Entwicklung, bei der kaum ein Fehler folgenlos bleibt. Eine Fehlentwicklung während dieser Phase, der so genannten Embryogenese, führt nicht selten zu einer Missbildung, die nicht mit dem Leben vereinbar ist. Aborte in dieser ersten Phase der Schwangerschaft werden jedoch häufig nicht als solche wahrgenommen, da die Frau oft gar nicht weiß, dass sie schwanger war. Die durch den Abort ausgelöste Blutung wird meist als verspätete Menstruation aufgefasst, die allerdings häufig stärker ist als die normale Regelblutung. Vermutlich ereignen sich etwa 80 Prozent der Fehlgeburten vor der 12. Schwangerschaftswoche, viele davon unerkannt, so dass keine Aussage über die absolute Zahl der Aborte in dieser Zeit möglich ist.
Die häufigste Ursache dieser Aborte ist ein Fehler im Erbgut des Embryos. Solche Fehler können schon bei der Entstehung der Eizelle oder der Samenzelle passieren. Dabei kann es vorkommen, dass eine der beiden zur Befruchtung notwendigen Zellen eine falsche Anzahl an Chromosomen, also an Erbmaterial, enthält. Auch bei der Entwicklung einer schon befruchteten Eizelle kann es passieren, dass sich bei der Teilung der Zelle das Erbgut falsch auf die beiden neu entstehenden Zellen aufteilt. Solche Fehlverteilungen heißen numerische Aberration oder Chromosomenmutation. Es wird angenommen, dass es eine Reihe von äußeren Einflüssen gibt, die eine solche Fehlentwicklung begünstigen oder auslösen können, wie etwa ionisierende Strahlung (Röntgenstrahlen). Bei chromosomalen Aberrationen entwickelt sich häufig zwar aus Ei- und Samenzelle eine Zygote (befruchtete Eizelle), die sich teilt und in der Gebärmutterschleimhaut einnistet. Nicht selten kommt es aber dann dazu, dass sich aus dieser Anlage gar kein Embryo entwickelt. Bei etwa 50 bis 90 Prozent der Frühaborte während der ersten acht Wochen der Schwangerschaft handelt es sich um eine solche so genannte Abortivfrucht oder "Windei".
Auch ein Ungleichgewicht im Hormonhaushalt, insbesondere ein Mangel an dem Gelbkörperhormon Progesteron, das für die Erhaltung der Schwangerschaft notwenig ist, kann eine Fehlgeburt auslösen. Besonders zu Beginn einer Schwangerschaft können Giftstoffe, die von außen in den mütterlichen und damit auch in den kindlichen Organismus gelangen, eine Fehlgeburt bedingen. Zu den schwangerschaftsgefährdenden Stoffen gehören Alkohol, Nikotin und Drogen sowie einige Medikamente. Außerdem können auch Infektionskrankheiten, Anomalien und Funktionsstörungen der Gebärmutter und Blutgruppenunverträglichkeiten zwischen Mutter und Embryo zum Abstoßen der Frucht führen. Zu den Faktoren, die das Risiko für eine Fehlgeburt erhöhen, zählen außerdem ein höheres Lebensalter der Frau (sowie auch des Mannes), Infektionskrankheiten (insbesondere mit Fieber), vorangegangene Fehlgeburten sowie Unfälle (insbesondere Traumen mit Verletzung der Gebärmutter). Des Weiteren kann psychischer Stress beziehungsweise eine extreme emotionale Belastung die Fehlgeburt begünstigen.
Medizinisch werden verschiedene Arten und Abläufe von Fehlgeburten unterschieden.
Der Embryo/Fötus stirbt und wird abgestoßen, wobei jedoch Teile der Plazenta (Mutterkuchen) in der Gebärmutter bleiben. Dies ist eine gefährliche Situation für die Frau, da verlängerte Blutungen mit starkem Blutverlust und Infektionen auftreten können. Ein unvollständiger Abort erfordert einen ärztlichen Eingriff, bei dem im Rahmen einer Kürettage (Ausschabung) die Reste der Plazenta entfernt werden. Eine solche Fehlgeburt ereignet sich häufiger in einer späteren Phase der Schwangerschaft.
Abortus completus bezeichnet den Abgang des Embryos mitsamt der Plazenta (Mutterkuchen). Diese Form tritt vor allem in der Frühphase der Schwangerschaft auf. Wird mittels Ultraschall und klinischer Untersuchung festgestellt, dass das gesamte Abortmaterial ausgeschieden wurde und die Blutung gestoppt ist, muss keine Kürettage erfolgen.
Dabei stirbt der Embryo im Mutterleib ab, wird jedoch nicht abgestoßen. Es kommt nicht zu vaginalen Blutungen oder Krämpfen der Gebärmutter, so dass diese Form des Aborts häufig zunächst unbemerkt bleibt. Nur im Ultraschall, häufig bei einer Routineuntersuchung, zeigen sich keine Herzaktionen und Kindsbewegungen mehr. Eine solche Missed Abortion kann schwerwiegende Komplikationen wie lebensbedrohliche Thrombosen nach sich ziehen, wenn das Absterben des Kindes einige Wochen lang nicht bemerkt wird.
Im Falle eines Frühaborts wird die Betroffene mit Medikamenten behandelt, die eine Abstoßung auslösen, um anschließend eine Kürettage zur Entfernung des Materials durchführen zu können. Tritt die Fehlgeburt jedoch nach der 12. Schwangerschaftswoche auf, muss mit Oxytocin und Prostaglandinen ein Geburtsvorgang eingeleitet werden, wobei sich häufig noch eine Kürettage anschließt. Weitere Begriffe, die in diesem Zusammenhang verwendet werden:
Bei einer bereits bestehenden Schwangerschaft sind vaginale Blutungen ernstzunehmende Symptome, die unbedingt durch einen Arzt abgeklärt werden müssen. Sie können eine Fehlgeburt als Ursache haben, müssen aber nicht zwangsläufig das Absterben des Embryos bedeuten. Zum Teil sind solche Blutungen auch von krampfartigen, wehenartigen Bauchschmerzen begleitet. In einem späteren Stadium der Schwangerschaft kann auch Fruchtwasser abgehen. Eine Missed Abortion ist durch das Fehlen dieser Symptome gekennzeichnet und das Absterben der Frucht kann nur im Ultraschall festgestellt werden. Es kommt jedoch vor, dass betroffene Frauen schon merken, dass sich etwas verändert hat und die typischen Schwangerschaftszeichen wie Übelkeit und Spannungsgefühle in der Brust zurückgehen.
Jeder Verdacht auf eine mögliche Schwangerschaftskomplikation und jede Blutung während der Schwangerschaft muss von einem Gynäkologen abgeklärt werden. Dieser führt zunächst eine körperliche Untersuchung durch, bei der unter Umständen bei unvollständigen und vollständigen Aborten Teile der Frucht oder der Plazenta (Mutterkuchen) in der Vagina festgestellt werden können. Der Arzt kann auch beurteilen, ob der Muttermund offen oder geschlossen ist.
Von entscheidender Bedeutung ist die Ultraschalluntersuchung. Hierbei kann festgestellt werden, ob der Embryo trotz vaginaler Blutung noch lebt und Bewegungen und Herzaktionen (ab der 7. Schwangerschaftswoche) zeigt, oder ob die Frucht abgestorben ist.
Nach einem vollständigen Abort zeigt sich eine leere Gebärmutter, die sich häufig schon wieder zusammengezogen hat. Bei einer unvollständigen Fehlgeburt können noch Anteile des Mutterkuchens in der Gebärmutter zu finden sein. Eine weitere Untersuchung, die insbesondere als Verlaufskontrolle der Schwangerschaft und nach einer Kürettage angewendet wird, ist die Messung des Schwangerschaftshormons hCG (humanes Choriongonadotropin).
aktualisiert am 16.03.2020