Wie schnell ein gebrochener Knochen wieder zusammenwächst, ist von vielen Faktoren abhängig. Manchmal jedoch verzögert sich die Heilung oder bleibt komplett aus. Die Diagnose lautet dann: Pseudarthrose.
Die meisten Knochenbrüche (Frakturen) heilen unkompliziert und schnell innerhalb weniger Wochen aus.
Die klassische, konservative Therapie einer Fraktur besteht darin, den betroffenen Knochen mittels einer Schiene zu fixieren und mithilfe eines Gipsverbandes für mehrere Wochen ruhigzustellen. Kompliziertere Brüche erfordern einen operativen Eingriff (Osteosynthese) im Frakturbereich. Mit Schrauben, Platten oder einem Fixateur externe (äußeren Stabilisator) werden die Knochen wieder in Position gebracht und miteinander verbunden.
Normalerweise regeneriert sich der Knochen komplett und ist später wieder voll belastbar.
Bei einer sogenannten primären - auch "endostal" genannten - Knochenbruchheilung übernehmen knochenbildende Zellen (Osteoblasten) den Heilungsprozess. Während die betroffene Körperstelle mit dem Gips stabilisiert ist, bilden sich neue Osteoblasten, die im Laufe der Wochen die Bruchstelle füllen und den Knochen wieder zusammenwachsen lassen.
Eine sekundäre Knochenbruchheilung verläuft über eine sogenannte Kallusbildung. Während des Unfalls entsteht im Spalt zwischen den Knochenfragmenten ein Bluterguss. Um die Bruchstelle bildet sich anschließend neues Bindegewebe, das nun die Knochenfragmente zusammenhält. Diese relativ weiche, instabile Verbindung (Kallus) wird dann im Lauf der Heildauer zu Knochen umgebaut.
Die Heilungsdauer einer Fraktur ist abhängig davon, welcher Knochen betroffen ist. So kann ein gebrochener Finger innerhalb von zwei Wochen heilen, während ein Schenkelhalsknochen im Hüftgelenk bis zu 36 Wochen Abheilzeit benötigt. Glatte Brüche heilen schneller als komplizierte Mehrfachbrüche und auch das Alter des Patienten spielt bei der Heilungsdauer eine Rolle. Ein Knochenbruch bei einem Kind heilt wesentlich schneller als bei einer Person im hohen Alter.
In fünf bis zehn Prozent der Fälle allerdings verzögert sich die Heilung oder sie bleibt komplett aus. Von einer verzögerten Heilung spricht man, wenn der Knochen langsamer als üblich, aber innerhalb von sechs Monaten zusammenwächst. Ist ein Knochenbruch nach einem halben Jahr noch nicht verheilt, handelt es sich um eine Pseudarthrose. Dieser medizinische Fachbegriff setzt sich zusammen aus den griechischen Wörtern "arthros" (Gelenk) und "pseudes" (falsch) und bedeutet damit wörtlich übersetzt "Falschgelenk".
Häufig sind die langen Knochen davon betroffen, also zum Beispiel Ober- und Unterschenkel, Oberarm oder Unterarm mit Elle und Speiche.
Für die eine verzögerte Heilung gibt es verschiedene Gründe. Sehr häufig wurde die Fraktur nicht ausreichend ruhig gestellt, sodass sich die Knochenteile gegeneinander verschieben konnten. Oder aber der betroffene Körperteil wurde zu früh wieder belastet.
Auch kann durch eine unzureichende Fixierung zwischen den Knochenfragmenten ein Spalt entstehen, der verhindert, dass die Knochen zusammenwachsen. Umliegende Weichteile können sich in den Spalt zwischen den Knochenteilen schieben und so den Kontakt zwischen den Knochenfragmenten verhindern.
Eine schlechte Durchblutung, wie sie häufig bei Rauchern vorkommt, oder eine Grunderkrankung wie Diabetes oder Osteoporose kann ebenfalls die Ursache einer Pseudarthrose sein. Ist das umliegende Gewebe bei dem Knochenbruch stark beschädigt worden, kann dies ebenfalls zu einer gestörten Durchblutung führen. Starke Medikamente, wie sie in der Krebstherapie verabreicht werden, oder regelmäßige Cortisongaben können eine Knochenbruchheilungsstörung nach sich ziehen. Ebenso verhindern Infektionen im Knochen sowie in den Weichteilen rund um die Fraktur ein Zusammenwachsen des Bruches.
Neben den Pseudarthrosen, die durch einen Unfall entstehen können, gibt es auch angeborene Pseudarthrosen.
Die Pseudarthrose macht sich meist schleichend bemerkbar. Durch die längere Ruhigstellung wird die Muskulatur des betroffenen Körperteils entlastet. Wenn der Gips dann entfernt wird, fühlt sich die Stelle des Bruchs oft noch schwach an. Die Muskulatur muss erst wieder aufgebaut werden. Dieses Gefühl, dass der gerade erst geheilte Knochen noch nicht wieder voll belastbar ist, ist normal und schützt auch vor einer gefährlichen Überlastung. Es kann jedoch auch schon das erste Anzeichen einer Pseudarthrose sein. Sollte diese Schwäche länger anhalten, sollte der Patient auf jeden Fall seinen Arzt aufsuchen. Auch der Eindruck, dass der Knochen nicht stabil ist, Bewegungsbeeinträchtigungen sowie Schmerzen im Bereich der vermeintlich abgeheilten Fraktur sollte der Patient von einem Arzt abklären lassen. Mittels einer Röntgenuntersuchung lässt sich eine erste Diagnose stellen. Eine Computertomographie (CT) kann das Ausmaß der Heilungsstörung detailliert sichtbar machen. Je früher eine Pseudarthrose erkannt wird, desto höher sind die Heilungschancen.
Inwieweit eine Pseudarthrose behandelt werden muss, ist von den Beschwerden des Patienten abhängig. Auch ein nicht vorbildlich verheilter Knochenbruch kann ohne Symptome und nennenswerte Einschränkungen bleiben und erfordert dann auch keine weitere medizinische Versorgung.
aktualisiert am 31.07.2020