Knochenbrüche können nicht nur durch einmalige heftige Gewalteinwirkung verursacht werden, sondern auch durch wiederholte Belastungen. Wenn der Knochen bei geringem Anlass, aber nach längerer Vorschädigung bricht, dann wird dies als Ermüdungsbruch (Ermüdungsfraktur, Stressfraktur) bezeichnet. Eine typische Stelle für eine Ermüdungsfraktur ist der Fuß, insbesondere der Mittelfuß. Ein dortiger Ermüdungsbruch wird Marschfraktur genannt, weil lange, belastende Märsche die Ursache dafür sein können (z. B. bei Soldaten). Bei vielen Betroffenen handelt es sich um Leistungssportler, bei Frauen sind Ermüdungsbrüche häufiger als bei Männern. Brüche dieser Art können aber auch entstehen, wenn der Knochen durch eine Krankheit wie z. B. Osteoporose instabil geworden ist. In diesem Fall handelt es sich um eine Insuffizienzfraktur.
Die grundlegende Ursache für Ermüdungsfrakturen ist eine wiederholte Schädigung des Knochens, zunächst ohne dass er dabei bricht. Es entsteht ein Zustand, in dem der Knochen nicht mehr stabil ist. Bereits ein geringer Anlass kann ausreichen, dass sich an der Stelle ein Knochenbruch ereignet.
Außergewöhnliche körperliche Belastungen können zu einer Stressfraktur führen. Eine Entstehung an ansonsten gesundem Knochen ist charakteristisch. Der Knochen bekommt erst einmal winzige Schäden und Haarrisse, die sich nach und nach ausbreiten. Menschen, die die jeweiligen starken Beanspruchungen nicht gewohnt sind, sind besonders gefährdet. Ein Beispiel wäre ein junger Soldat, der zum ersten Mal einen langen Marsch mitmacht. Knochen hat wie einige andere Gewebe die Fähigkeit, sich an Belastungen anzupassen. An den belasteten Stellen kommt es allmählich zum verstärkten Knochenaufbau, der Knochen wird dort belastungsfähiger. Da der Prozess relativ langsam vonstatten geht, haben unvorbereitete, lange Belastungen oft eine Ermüdungsfraktur zur Folge. Im Leistungssport kommen diese Brüche häufig vor. Es kann in manchen Fällen sogar reichen, dass ein Betroffener länger auf unebenem Gelände gewandert ist oder dass neue Schuhe oder Schuheinlagen getragen werden. Sogar bei übermäßigem Husten gibt es Fälle von Stressfrakturen an Wirbeln oder an Rippen.
Bestimmte Erkrankungen können ebenfalls eine Vorschädigung des Knochens bewirken. Ein solcher Bruch wird vom Mediziner dann Insuffizienzfraktur genannt. Osteoporose (Knochenschwund) vermindert beispielsweise die Stabilität von Knochen. Deshalb haben beispielsweise Frauen nach den Wechseljahren ein erhöhtes Risiko, Knochenbrüche zu erleiden. Weitere Erkrankungen, die die Knochenbrüchigkeit fördern, sind unter anderem Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), Gelenkrheuma (Rheumatoide Arthritis) und die Knochenkrankheit Morbus Paget. Gleiches gilt für eine zu geringe Aufnahme von Calcium und ein Defizit an Vitamin D (Krankheit Rachitis). Außerdem kann die Gabe von Cortison die Knochen instabil machen.
Ein Ermüdungsbruch (Stressfraktur) eines Knochens macht sich häufig erst allmählich bemerkbar. Betroffene können sich in der Regel nicht daran erinnern, eine Verletzung erlitten zu haben. Sie stellen sich meist gar nicht vor, dass es sich um einen Knochenbruch handeln könnte. Es kommt zu Schmerzen, die langsam eintreten. Meist sind sie bei Belastung und bei Druck stärker. Im Verlauf werden sie auch bei körperlicher Ruhestellung bemerkt. Der Ort der Schmerzen kann häufig genau angegeben werden, sie können in manchen Fällen aber auch sehr undeutlich verteilt sein.
Schwellungen und Rötungen können ebenfalls oft bemerkt werden, in einigen Fällen treten Blutergüsse auf. Die Beweglichkeit und mögliche Belastung kann eingeschränkt sein. Allerdings ist es nur selten der Fall, dass gar keine Bewegung des Körperteils mehr möglich ist.
Verhältnismäßig häufig ist der Mittelfuß von solchen Knochenbrüchen betroffen, aber auch andere Bereiche des Fußes sind gefährdet. Am zweiten Mittelfußknochen treten die Ermüdungsbrüche oft auf, auch am fünften Mittelfußknochen sind sie beispielsweise bei Fußballspielern nicht selten. Schienbein und Wadenbein sind weitere Knochen, an denen ein Belastungsbruch entstehen kann (vor allem Sportler, Läufer). Außerdem sind das Becken und die Wirbelkörper als mögliche Stellen eines Ermüdungsbruches zu erwähnen.
Kommt der Patient mit entsprechenden Beschwerden zum Arzt, so führt dieser erst einmal eine Befragung (Anamnese) durch. Der Patient berichtet über die Symptome, mögliche vorangegangene Belastungen und über eventuelle Vorerkrankungen. In der körperlichen Untersuchung fällt dem Arzt normalerweise eine Druckschmerzhaftigkeit auf. Die Röntgenuntersuchung gibt oft erst einige Wochen nach dem eingetretenen Bruch die Diagnose her. In der Kernspintomographie (MRT, Magnetresonanztomographie) zeigen sich deutlich eher Veränderungen, ebenso wie in einer Szintigraphie.
Bei den Beschwerden kann es sich um andere Erkrankungen handeln, die durch Belastungen entstanden sind. So wird oft an eine Gelenkverletzung oder an Rheuma gedacht.
Die Behandlung sollte möglichst schon zu einem frühen Zeitpunkt durchgeführt werden. Schon beim Verdacht auf einen Ermüdungsbruch sollte keine Belastung mehr einwirken können. Dazu wird der Fuß, das Bein beziehungsweise der jeweilige Körperteil ruhiggestellt. Bei einem Bruch eines Mittelfußknochens bekommt der Patient einen Vorfußentlastungsschuh, normalerweise ist dann eine weitere Ruhigstellung nicht erforderlich. Am Schien- oder Wadenbein wird über vier bis sechs Wochen eine Schiene angelegt, wenn eine Stressfraktur vorliegt. In diesem Fall muss das Bein geschont werden. Ansonsten kann auch ein Gips oder ein ähnlicher stabilisierender Verband angelegt werden. Die Ruhigstellung dauert zwei bis sechs Wochen, danach kann die Belastung beginnen und behutsam gesteigert werden.
Zusätzlich können Schmerzmittel vom Arzt verschrieben werden. Um die Schwellung zu bessern, kann ein Tape um den Fuß oder das Bein gewickelt werden, was den Lymphabfluss verbessert. Geeignete Krankengymnastik kann sinnvoll sein.
Insbesondere bei verschobenen Bruchstücken kann es unter Umständen auch erforderlich sein, eine Operation durchzuführen. Mit Materialien wie Schrauben oder Nägeln können die Bruchstücke zusammengefügt werden. Es kann auch eine Einsetzung von Eigenknochen (z. B. aus dem Beckenkamm) in Frage kommen, um den Knochen zu stärken.
Wenn eine Erkrankung wie Osteoporose zu der Knochenschädigung geführt hat, so muss auch in dieser Hinsicht eine Behandlung erfolgen. Beispielsweise können weitere Medikamente erforderlich sein.
Die Prognose hängt unter anderem davon ab, was die Ursache für den Knochenbruch ist. Während für eine Stressfraktur aufgrund großer Dauerbelastung eine Heilungsdauer von etwa sechs Wochen veranschlagt werden kann, kann die Genesung bei einem Insuffizienbruch (Bruch aufgrund knochenangreifender Erkrankung) deutlich länger dauern. Letztendlich hängt die Prognose vom Einzelfall ab, in besonders schwierigen Fällen kann erst nach sechs Monaten die volle Belastungsfähigkeit erreicht werden.
aktualisiert am 31.08.2021